Schleppflugzeug Dewoitine

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Einklinken des Schleppseils.

Kurt Stuber berichtet über seine Erlebniss mit der Dewoitine D.26 HB-RAG.

In den Jahren 1958 bis 1963 setzte die SG Grenchen den schon damals alten Militärtrainer D.26 HB‑RAG als Schleppflugzeug ein. Die Dewoitine mit Jahrgang 1931 ist das leistungsstärkste Flugzeug, das der Verein je im Schleppbetrieb eingesetzt hat. Mit seinen 300 PS vermochte es die Doppelsitzer auch bei aufgeweichter Piste aus dem Dreck zu ziehen, was sogar heute noch keinem anderen Schleppflugzeug gelingt. Damals gab es noch keine Hartbelagpiste, auf die man im Frühling oder nach Regenperioden ausweichen konnte. Dass die Segelflugpiste nach einem Kurs eher wie ein Acker aussah, sei nur nebenbei erwähnt. Ohne diesen Schlepper hätten wir mehr als einmal Kurse absagen oder auf einen anderen Flugplatz verlegen müssen. Die Dewoitine D.26 darf ohne Übertreibung als legendär bezeichnet werden.

Woher stammte die Dewoitine?

Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts beschlossen die Eidgen. Räte, ein neues, leistungsfähiges Kampfflugzeug anzuschaffen, welches die veralteten, z.T. noch aus dem Ersten Weltkrieg stammenden Maschinen ablösen sollte. Die Wahl fiel auf die Dewoitine D.27. Ein Fliegeroberst soll anlässlich der Vorstellung des Flugzeugtyps in der Militärkommission des Nationalrats gesagt haben, die D.27 sei mit ihren 500 PS und der maximalen Geschwindigkeit von 300 km/h ideal für schweizerische Verhältnisse. Den Einsatz eines schnelleren und stärkeren Jägers könne er sich in unserem gebirgigen Land nicht vorstellen. Die Räte bewilligten eine Serie von 65 Jagdflugzeugen, welche von 1930 bis 1932 in den Eidgen. Konstruktionswerkstätten Thun unter der Leitung des Konstrukteurs Emile Dewoitine gebaut wurden. Für die Militärpiloten war es nicht einfach, von den damaligen relativ schwachen und langsamen Jagdflugzeugen auf ein so starkes, schnelles Flugzeug umzuschulen, denn es gab keine Doppelsitzer. Deshalb wurden gleichzeitig 11 D.26 Trainer gebaut. 9 Maschinen waren mit dem 250 PS starken Hispano-Suiza 9-Zylinder-Sternmotor ausgerüstet und 2 mit dem stärkeren 300 PS-Motor. Eigentlich handelt es sich um einen Lizenzbau des Wright-Motors, der Charles Lindbergh in seiner „Spirit of St.Louis“ im Jahr 1927 die erste Atlantiküberquerung ermöglichte. Die D.26 war mit mit einem Maschinengewehr ausgerüstet und wurde u.a. zur Schulung von Formationsflug und Luftkampf eingesetzt. 1948 musterten die Fliegertruppen alle D.26 aus und übergaben sie interessierten Segelfluggruppen zum Einsatz als Schleppflugzeug. Die U-286 flog zuerst in Sion – im Flugreisebuch ist u.a. der Name Hermann Geiger eingetragen - später in Dällikon, bevor die SG Grenchen sie kaufte und in den Farner-Werken auf Vordermann bringen liess. Die SG Grenchen erwarb übrigens noch eine zweite D.26, nämlich die U-281. Dieses Flugzeug war nicht mehr flugfähig; es erreichte Grenchen per Bahn und diente lediglich als Ersatzteillager.

Vorbereitungen auf die Umschulung

De Havilland Chipmunk.

Da es keinen doppelsitzigen Trainer und auch kein anderes Flugzeug mit ähnlichem Aufbau und vergleichbaren Flugeigenschaften gab, legte das Luftamt die Minimalbedingungen zur Umschulung fest, so die minimale Flugerfahrung von 100 Stunden davon mindestens 50 Flugstunden auf Heckradflugzeugen mit einer Leistung von mehr als 120 PS. Die zweite Bedingung erfüllte ich nicht, denn ich schleppte meistens mit unserem Piper L4 HB-OAC, der mit einem Continental-Motor von 85 PS ausgerüstet war. Zwar hatten wir noch eine De Havilland Chipmunk aus RAF-Beständen mit 145 PS im Schleppbetrieb, aber nur während einer Saison, denn sie stürzte leider an Ostern 1959 kurz nach dem Start etwa 800 m östlich der Segelflugpiste ab. Adolf Bär verlor dabei sein Leben. Mit dem Chipmunk flog ich sehr gerne; man hatte das Gefühl, man sitze in einem Jagdflugzeug. Um die vom Luftamt vorgeschriebenen Flugstunden auf stärkeren Flugzeugen zu erreichen, vermittelte mir unser Präsident Otto Sallaz einen „Job“ als Schlepppilot auf einer Tiger Moth in Courtelary. Diesen Flugzeugtyp kannte ich nicht, also war eine Umschulung angesagt. An einem Samstag, es war der 15. August 1959, flog ich mit Otto Sallaz im Piper L-4 nach Courtelary. Der Doppeldecker mit der Immatrikulation HB-UBH beeindruckte mich sehr, nicht weil er ein Doppeldecker war, sondern weil er erstens älter war als ich, zweitens keine Radbremsen hatte und drittens anstelle eines Heckrades einen Schwanzsporn aus Federstahl besass. Die De Havilland Moth war in der Zwischenkriegszeit ein auf allen Kontinenten anzutreffendes Schulflugzeug. Insgesamt wurden über 7000 solche Doppeldecker gebaut. Während des 2. Weltkrieges liess die RAF rund 4000 Stück bauen. Alle Kampfpiloten der Luftschlacht um England erlebten ihre Grundschulung auf diesem Flugzeugtyp. Erst Ende der Vierzigerjahre wurde die Moth vom Chipmunk abgelöst. Im Aussehen unterschieden sich die beiden De Havilland-Konstruktionen gewaltig. Immerhin, etwas Gemeinsames hatten sie, nämlich den Motor, den Gipsy Major mit 145 PS und das Seitensteuer mit der typischen De Havilland-Form.

Meine Umschulung auf die Tiger Moth

De Havilland Moth.

Otto hatte nicht lange Zeit, um mich umzuschulen, zudem warteten die Segelflieger auf das einzige Schleppflugzeug. Kurz erklärte er mir das Wichtigste, schärfte mir ein, ja beim Rollen aufzupassen, denn Bremsen hatte das Ding ja keine. Und schon bestiegen wir die Moth, ein Mitglied der Group de vol à voile Courtelary warf den Motor am Propeller an und los ging’s. Nach ein paar Rollübungen mit Einsatz des Seiten- und des Höhenruders und zur Einleitung einer Drehung mit einem „Sprutz“ Gas hoben wir ab zu einem Einführungsflug mit Abkippen und 2 Touch and go’s. Nach 17 Minuten und 3 Landungen gab Otto das Zeichen zum Anhalten, stieg aus und rief mir zu: „So, jetzt fliegst du 5 Volten und dann beginnst du mit dem Schleppen!“ Gesagt, getan.

Der Unterschied in den Flugeigenschaften zwischen dem Chipmunk und der Tiger Moth war frappant. Reagierte der Chipmunk sofort und präzise auf jede Steuereingabe, so musste ich bei der Moth eine gefühlte Ewigkeit warten, bis etwas passierte. Das war besonders bei böigem Wetter gewöhnungsbedürftig. Ehrlich gesagt, lieb gewonnen habe ich die Moth nicht, und ich war nicht traurig, als ich nach ein paar Wochenenden Schleppeinsatz die nötigen Flugstunden beisammen hatte.

Eintrag im Flugbuch.

Umschulung auf die Dewoitine D.26

Cockpit der Dewoitine.

So schnell wie bei der Tiger Moth lief die Umschulung auf die HB-RAG nicht ab.

Schon nur die Kenntnis jedes Instrumentes, Hebels und Hebelchens, der Zugringe und der kleinen Kurbel und was dahinter steckte, brauchte seine Zeit. Das Anlassen des Motors war eine besondere Wissenschaft, denn einen elektrischen Anlasser hatte damals die D.26 noch nicht. Handarbeit war angesagt. Es gab 3 Methoden:

  1. Anlassen mit der Handkurbel (die sicherste Methode, deshalb im Militär vorgeschrieben)
  2. Anlassen mit Durchziehen des Propellers (bei einem Sternmotor nicht so einfach)
  3. Anlassen mit der kleinen Kurbel an der rechten Bordwand (braucht einen Spezialisten am Propeller zur Vorbereitung)

Die Vorbereitung war bei allen Varianten wichtig, besonders bei der dritten. Nach dem Öffnen des Benzin- und Ölhahns musste mit den beiden Ringen rechts Benzin in die zwei Vergaser gepumpt werden. Danach wurde mit der Einspritzpumpe (rechts über den Ringen) Benzin in die Ansaugkanäle gespritzt. Nach dem Einstellen der Zündung auf den richtigen Zündzeitpunkt und dem Einschalten der Magnete konnte es losgehen, z.B. mit der Methode 1: Zwei Mann drehen mit der grossen Handkurbel an der rechten Rumpfseite vorn das Schwungrad (in der kreisrunden Verkleidung am Brandschott) an. Wenn es die richtige Tourenzahl erreicht, welche an einem hohen Heulton erkannt werden kann, treten die Dreher mitsamt der Kurbel zurück, der Pilot ruft laut „Kontakt“, zieht den 2. Ring links (Kupplung Schwungrad/Motor) und erzeugt mit der kleinen Kurbel rechts den Zündstrom, bis der Motor rund läuft. Beim ersten Anlassvorgang des Tages stösst der Motor eine blaue Rauchwolke aus, was wie ein Brand aussehen kann, aber normal ist. Nun muss der Motor vorgewärmt werden, bis die Öl-Eingangstemperatur über die untere rote Marke steigt. Das kann relativ lange dauern, denn der Öltank fasst 18 Liter.

Rechte Seite des Cockpits.

Zum Rollen braucht es keine besonderen Tricks, da die Dewoitine Einzelradbremsen und ein schwenkbares Heckrad hat. Früher haben aber die Bremsen oft versagt, da Bremsöl verloren ging. Häufig musste mit dem Bremshebel nachgepumpt werden, was zu bangen Augenblicken führte, weil man nicht wusste, ob noch Bremsdruck aufgebaut werden konnte. Aber das grösste Problem beim Rollen ist die schlechte Sicht nach vorne. Bedingt durch die Dreipunktlage des Flugzeuges hat man einen toten Winkel von ca. 30° vor sich. Das erfordert ein vorsichtiges Rollen in Schlangenlinie. Das gleiche Problem hatte man auch im Schlepp, da der Anstellwinkel doch beträchtlich und dadurch die Sicht nach vorn sehr stark eingeschränkt war. Die Segelflieger schätzten es aber nicht, wenn der Schlepper Schlangenlinie flog. Was sie auch nicht schätzten, war eine zu hohe Geschwindigkeit. Lieber unter 100 km/h als darüber, denn die damaligen Segelflugzeuge waren entweder in Holz- oder in Gemischtbauweise hergestellt. Die normale Gleitgeschwindigkeit lag bei etwa 70 km/h oder darunter. Der Schlepppilot flog daher meist mit einer Geschwindigkeit unter dem roten Strich!

Linke Seite des Cockpits.

Das Flugprogramm der Umschulung

Segelschlepp mit der Dewoitine
Schlepp- und Segelflugzeug.
Schlepp, schematisch.

Otto Sallaz war auch bei dieser Umschulung mein Fluglehrer. Er liess mich zuerst 5 Blindstarts ausführen. Das ging so: Nach dem Run up und dem Check bevor take off musste ich auf sein Zeichen hin auf der Segelflugpiste auflinieren, dann Vollgas geben wie zu einem richtigen Start, das Flugzeug in Startlage bringen, dann die Leistung in den Leerlauf nehmen und ausrollen. Während diesen Blindstarts lernte ich die Richtung halten und erkannte bereits den nicht geringen Steuerdruck am Höhensteuer. Das Einhalten der Richtung war wegen der fehlenden Sicht nach vorne schwierig; schwieriger als mit den anderen Heckradflugzeugen, die ich damals flog, wie Bücker, Piper Cup, Tiger Moth und Chipmunk. Nun ging’s richtig los: Otto schickte mich auf 800 m über Platz, um Kurven, das Abkippen und die Glissade zu üben. Da die Dewoitine keine Landeklappen hat, ist die Glissade die einzige Möglichkeit, den Widerstand zu erhöhen und so Höhe und Geschwindigkeit zu vernichten. Die Glissade hat noch einen weiteren Vorteil, sie gibt die Sicht in Flugrichtung frei. Deshalb sind wir nach dem Seilabwurf meistens bis zum Gate in der Glissade angeflogen, so konnten wir die Piste gut sehen, was nach dem Abflachen nicht mehr möglich war. Der erste Flug verlief zur Zufriedenheit von Otto. An diesem Tag musste ich noch 6 weitere Flüge zeigen, davon 3 im reinen Gleitflug aus einer Höhe von 600 m über Platz mit Landungen in einem Rechteck von 100 m Länge. Am übernächsten Tag galt es, Ziellandungen in ein Rechteck von nur 50 m Länge zu üben. Dazu konnte, resp. musste im Anflug mit Motorleistung korrigiert werden. Das war besonders schwierig, vor allem, weil man im Anflug die Piste schlecht sah. Nach 7 Platzrunden hatte Otto das Gefühl, es sollte reichen für die Prüfung. Das Luftamt schrieb nämlich für die Dewoitine eine Umschulungsprüfung mit folgendem Programm vor:

  • 2 Platzrunden mit Ziellandungen mit Motorhilfe in ein Rechteck von 50 m Länge, eine Landung darf wiederholt werden.
  • 2 Flüge auf 600 m über Platz mit anschliessendem Gleitflug ohne Motorhilfe und Landung in einem Rechteck von 100 m Länge. Bei einem Anflug ist eine Glissade links,

beim anderen eine Glissade rechts auszuführen. 1 Flug darf wiederholt werden. Beim Flug mit Glissade rechts landete ich nach 110 m, folglich musste ich diesen wiederholen.

Schon am Tag der Prüfung führte ich die ersten Schlepps aus. Funkverbindung mit dem Segelflieger oder mit dem Flugdienstleiter gab es damals noch nicht. Am Boden verständigte man sich mittels Handzeichen und in der Luft gar nicht; der Segelflieger musste einfach dem Schlepper folgen oder klinken. Auch Seilwinden im Schleppflugzeug waren noch unbekannt. Nach jedem Schlepp wurde das Seil abgeworfen und dann von Flugschülern oder Knaben zurückgeholt. Einer dieser Knaben – und damit wohl der berühmteste Seilrückholer - war der spätere Bundesrat Samuel Schmid. Der Seilabwurf war für den Schlepppiloten ein besonderer Spass. Mit der Dewoitine konnte man gut „Bombenabwürfe“ üben, denn sie wurde auch bei steilen Anflügen dank ihres grossen Widerstandes nicht allzu schnell, man musste nicht Angst haben, die höchstzulässige Geschwindigkeit von 280 km/h werde überschritten. Nach dem Abwurf konnte man in einer hochgezogenen Kehrtkurve Geschwindigkeit abbauen und nach einer kurzen Volte landen. Allerdings erforderte der präzise Seilabwurf etwas Übung, denn klinkte man zu früh, flog das Seil auf das bereit stehende Segelflugzeug, was selten ohne Schaden ablief; klinkte man aber zu spät, fluchten die Seilrückholer. Ein Tageseinsatz als Schlepppilot mit der Dewoitine war Schwerarbeit. Von der Bereitstellung des Flugzeuges am Morgen bis zum Reinigen und Hangarieren am Abend war der Pilot nicht selten 12 Stunden oder mehr im Einsatz, und das bei nur kurzen Pausen. Am 9. August 1960 machte ich in einem FVS-Kurs 53 Schlepps mit einer Gesamtflugzeit von 218 Minuten. Das war mein Tagesrekord. Pro Schlepp gibt das 4,1 Minuten. Geschleppt habe ich die doppelsitzige „Rhönlerche“, damals das Standard-Schulflugzeug der meisten Segelfluggruppen.

Probleme mit dem Motor

Die Wright-Sternmotoren galten schon in den Zwanzigerjahren als sehr zuverlässig, sonst hätte wohl Lindbergh seine Spirit of St. Louis nicht mit diesem Typ ausgerüstet. Der gute Ruf begleitete auch die in Lizenz gebauten Hispano-Suiza Motoren. Aber der bereits 30-jährige Neunzylinder der HB-RAG hatte auch seine Tücken. Bei sommerlichen Temperaturen und längeren Schlepps gebärdete er sich hie und da wie ein störrisches Pferd, indem er kurzzeitig aussetzte, um ein bis zwei Sekunden später wieder volle Kraft zu entfalten. Diese Schrecksekunden sind mir noch in guter Erinnerung und wohl auch den Segelflugpiloten, die den daraus folgenden Seildurchhang zu parieren hatten. Oft riss dabei die Sollbruchstelle. Die Mechaniker der Farner-Werke suchten viele Stunden nach der Ursache, doch sie fanden sie nicht. Sie vermuteten Dampfblasenbildung in den Vergasern oder Benzinleitungen.

Der Frühstart

Um die lästigen Aussetzer zu umgehen, kamen wir überein, die heisseste Tageszeit im Schwimmbad zu verbringen und als Kompensation am frühen Morgen zu beginnen. Also machte ich mit unserem hauptamtlichen Segelfluglehrer Peter Rothen und den 6 FVS-Schülern ab, am nächsten Morgen bereits um 05:30 Uhr mit der Bereitstellung der Flugzeuge zu beginnen. Der erste Start erfolgte um 06:17 Uhr. Der Schlepp verlief ohne Zwischenfall, der Schüler in der Rhönlerche klinkte auf 800 m über Platz. Ich setzte zum Seilabwurf an, als ich einen Fiat 1100 mit weissem Dach auf die Segelflugpiste fahren sah. Mir graute, das musste der Flugplatzdirektor Baier sein! Als ich zurück rollte, war er schon ausgestiegen und gab mir den unmissverständlichen Befehl mit gehobener Faust und Daumen nach unten, was auch heute noch heisst: Motor abstellen! Was dann folgte, war eine regelrechte Strafpredigt, die ich ein zweites Mal anhören konnte, als Peter Rothen mit seinem Schüler gelandet war. Uns war klar, wir hatten gegen das Flugplatzreglement verstossen. Mit dem alten Bubentrick „das hei mir nid gwüsst!“ konnten wir uns nicht herausreden. Wir mussten wieder einmal einen Rapport schreiben - was wir beim Morgenessen taten – und hatten einen schwarzen Klecks mehr in den Personalakten.

19. Juni 1960: „Frühschlepp“ (Ausschnitt aus meinem Flugbuch).

Schlag ans Knie

Das ominöse Kästchen (weiss).

Ich hatte wieder einmal Schleppdienst in einem FVS-Segelflugkurs. Die Schüler waren so weit, dass sie die ersten Alleinflüge auf der Rhönlerche wagen durften. Ich hatte soeben einen Schüler auf 600 m über Platz geschleppt, war auf der Segelflugpiste gelandet und rollte auf der Startpiste vor die zweite Rhönlerche, in welcher ein anderer Schüler sich bereit machte. Plötzlich ein Schatten, ein Knall und gleichzeitig ein starker Schlag an mein linkes Knie! Was war geschehen? Der Schüler in der ersten Rhönlerche war im Landanflug zu nahe an die Startpiste geraten, touchierte mit dem Flügel den Flügel der Dewoitine und landete dann stark schiebend vor mir. Den Schlag ans Knie erhielt ich vom Steuerknüppel, denn die Rhönlerche flog ins Querruder. Es hätte leicht schwerwiegender ausgehen können. Wir hatten wieder einmal Glück gehabt. Aber die zwei beteiligten Flugzeuge mussten repariert werden und ich humpelte ein paar Tage herum, denn am Steuerknüppel ist immer noch das offene, eckige Metallkästchen, in welchem früher die Bedienelemente des Maschinengewehres montiert waren, und das bekam ich zu spüren. Der Segelflugschüler blieb gottlob unverletzt. Noch jahrelang musste ich an den Vorfall denken, denn bei Wetteränderungen oder nach durchzechter Nacht schmerzte mich das linke Knie.

Der letzte Schlepp

Am 11. März 1962 durfte ich mit Otto Sallaz in Neuenburg-Colombier das Schlepp- und Passagierflugzeug Morane-Saulnier Rallye mit einem 145 PS Continental-Motor abholen. Das Stol-Flugzeug eignete sich gut zum Schleppen und war wirtschaftlicher als die Dewoitine, welche deshalb nur noch in Spitzenzeiten eingesetzt wurde. Ich führte am 4. Juli 1963 meinen letzten Schlepp mit der HB-RAG aus. Kurz darauf brach Gerhard Luterbacher wegen eines Motoraussetzers den Start ab, konnte beim Ausrollen auf Piste 07 nicht genug bremsen, sodass er keine andere Möglichkeit hatte, als durch kräftigen Seitensteuereinsatz rechts dem Bach auszuweichen. Durch den abrupten Richtungswechsel kippte das hochbeinige Flugzeug auf den linken Flügel und wurde leicht beschädigt. Da zum Zeitpunkt des Unfalls der erste Piper Super Cup PA-18 HB-OVZ mit 150 PS Lycoming-Motor schon bestellt war, verzichteten wir auf eine Reparatur. Die Segelfluggruppe Grenchen schenkte auf Antrag des Präsidenten Otto Sallaz die Dewoitine der Stadt Grenchen. Das Flugzeug sollte in einem neu zu erstellenden Museum Platz finden. Leider musste es sich rund 20 Jahre lang mit abbruchreifen Scheunen zufrieden geben.

Bilder aus der Zeit

Die folgende Gallerie zeigt Bilder aus der Zeit, als die Dewoitine noch als Schleppflugzeug genutzt wurde.

Quellen

(Dieser Artikel ist Eigentum des Autors / der Autorin und kann deshalb nicht editiert werden.)

Weblinks