Bearbeiten von „Grenchner Allerlei in den 50er Jahren“

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Mit einem gelungenen Cocktail – und er gelingt eigentlich immer – können Verpflichtungen von einem Jahr auf einen Schlag erledigt, Fernerstehende amüsiert und Freunde erfreut werden.“   
 
Mit einem gelungenen Cocktail – und er gelingt eigentlich immer – können Verpflichtungen von einem Jahr auf einen Schlag erledigt, Fernerstehende amüsiert und Freunde erfreut werden.“   
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An solchen Parties schlugen die Wogen hoch. Die Gastgeber hatten für Unmengen von Gin, Schaumweinen, Cognac, Rum und Fruchtsäften zu sorgen. Ueberall hatten Snacks und Häppchen bereit zu stehen. Der Nachschub, die Verteilung und das Mixen von Getränken waren eine zentrale Frage der Organisation.  
 
An solchen Parties schlugen die Wogen hoch. Die Gastgeber hatten für Unmengen von Gin, Schaumweinen, Cognac, Rum und Fruchtsäften zu sorgen. Ueberall hatten Snacks und Häppchen bereit zu stehen. Der Nachschub, die Verteilung und das Mixen von Getränken waren eine zentrale Frage der Organisation.  
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== Mobilität ==
 
== Mobilität ==
  
''' Motorfahrzeuge Schweiz 1950-1970 '''
+
=== Motorfahrzeuge Schweiz 1950-1970 ===
  
{| class="wikitable" | style="text-align:right"
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*1970 ohne Mofas
! Jahr !! Autos !! % von Total !! Motorräder !! % von Total !! Total !! Total Index
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|-
+
{| class="wikitable"
| 1950  ||  188'512 || 71.27 ||  75'975 || 28.73 ||  264'487 || 100
+
!Bitter
|-
+
!Süß
| 1960  ||  573'780 || 66.32 || 291'326 || 33.68 ||  865'106 || 327
 
|-
 
| *1970 || 1'524'036 || 91.48 || 141'956 ||  8.52 || 1'665'992 || 630
 
 
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|Orange
 
|}
 
|}
(*1970 ohne Mofas)
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Jahr Automob. % v. Total Motorräder % v. Total Total Total Index
 +
 
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1950 188512 71.27 75975 28.73 264487 100
 +
1960 573780 66.32 291326 33.68 865106 327
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1970* 1524036 91.48 141956 8.52 1665992 630
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Kanton Solothurn 1950-1970
 +
 
 +
*1970 ohne Mofas  
 +
 
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1950 5691 70.06 2432 29.94 8123 100
 +
1960 17215 64.08 9649 35.92 26864 331
 +
1970* 48212 91.09 4713 8.91 52925 652
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Die Statistik der zugelassenen Motorfahrzeuge in der Schweiz und im Kanton
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Solothurn für die Jahre 1950, 1960 und 1970 belegt eindrücklich die Entwicklung der
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Massenmotorisierung. Der Motorfahrzeugsbestand versechsfachte sich innert 20
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Jahren. Unter dem Einfluss der Motorisierung veränderte sich die Besiedlung der
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Schweiz dramatisch in eine Richtung die, wenn überhaupt, nur bedingt erwünscht
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war. Die Zersiedelung des Landes und die nachhaltige Veränderung des
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Alltagslebens stehen in direktem Zusammenhang mit Massenmotorisierung. Die
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neue Mobilität wirkte sich aus im Freizeitverhalten, Tourismus und vor allem im
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Berufs-und Wirtschaftsleben. Gesellschaft und Staat akzeptierten jedoch die
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eingeschlagene Richtung und versuchten sich anzupassen, so gut es ging. In ganz
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Europa hatte der Strassenbau hohe Priorität. So erhielt die Kantonsstrasse
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Solothurn-Grenchen einen feudalen Betonbelag, bewundert von allen motorisierten
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Verkehrsteilnehmern. Die Nation staunte über die fortschrittliche Strassenbautechnik.
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Die Welt erkor das Erdöl zum Energieträger Nummer Eins, die entstehenden
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Erdölgesellschaften freute es und ihre Lobbies applaudierten.
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Die Schweiz begann in den 50er Jahren mit der Planung des Autobahnbaus und die
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Kantone verbesserten laufend das bestehende Hauptstrassennetz. Etwas musste
  
''' Kanton Solothurn 1950-1970 '''
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geschehen. Schon in der zweiten Hälfte der 50er Jahre kam es zu massiven
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Verkehrsstaus in den Stosszeiten des Arbeitsverkehrs und des Ausflugsverkehrs an
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Wochenenden. Der Bestand der Automobile im Kanton Solothurn und in der Schweiz
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verdreichfachte sich im Jahrzehnt der 50er Jahre.
  
{| class="wikitable" | style="text-align:right"
+
Pendlerstatistik Grenchen 1950-1970
! Jahr !! Autos !! % von Total !! Motorräder !! % von Total !! Total !! Total Index
+
 
|-
+
Sp. 1 Sp. 2 Sp. 3 Sp. 4 Sp .5 Sp. 6 Sp. 7
| 1950 ||  5691  || 70.06 ||  2'432 || 29.94 ||  8'123  || 100
+
 
|-
+
Berufstätige % von Sp. 2 % von Sp. 2 Berufstätig in
| 1960 ||  17'215  || 64.08 || 9'649 || 35.92 ||  26'864  || 331
+
in Grenchen Wegpendler Zupendler Grenchen
|-
+
Jahr wohnhaft
| *1970 || 48'212  || 91.09 || 4'713 ||  8.91 || 52'925  || 652
+
 
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|}
+
1950 6970 379 5.44 3580 51.36 10171
(*1970 ohne Mofas)
+
 
 +
1960 9589 758 7.90 4501 46.94 13332
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1970 11450 1239 10.82 4681 40.88 14892
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Die Pendlerstatistik bringt es an den Tag. Immer mehr Berufstätige liessen sich in der
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Uhrenstadt nieder, der Anteil der Zupendler war rückläufig. Die Zunehmende Anzahl
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der Wegpendler deutete sowohl auf die industrielle Entwicklung der Region als auch
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auf den Alltagskomfort des Wohnsitzes in einer städtischen Siedlung. Eine
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Eigenschaft, die sich Grenchen inzwischen zulegte.  
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Besonders interessant sind die über 51 % Zupendler im Jahre 1950. Das war
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vermutlich ein Indikator der herrschenden Wohnungsnot. Es war in den frühen 50er
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Jahren kaum möglich, in Grenchen eine Wohnunterkunft zu finden. Wer in Grenchen
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arbeiten wollte, war gezwungen zu pendeln.
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Uhrenindustrie und Fremdarbeiter
  
Die Statistik der zugelassenen Motorfahrzeuge in der Schweiz und im Kanton Solothurn für die Jahre [[1950]], [[1960]] und [[1970]] belegt eindrücklich die Entwicklung der Massenmotorisierung. Der Motorfahrzeugsbestand versechsfachte sich innert 20 Jahren. Unter dem Einfluss der Motorisierung veränderte sich die Besiedlung der Schweiz dramatisch in eine Richtung die, wenn überhaupt, nur bedingt erwünscht war. Die Zersiedelung des Landes und die nachhaltige Veränderung des Alltagslebens stehen in direktem Zusammenhang mit Massenmotorisierung. Die neue Mobilität wirkte sich aus im Freizeitverhalten, Tourismus und vor allem im Berufs-und Wirtschaftsleben. Gesellschaft und Staat akzeptierten jedoch die eingeschlagene Richtung und versuchten sich anzupassen, so gut es ging. In ganz
+
Schweizerische Uhrenindustrie 1950-1970  
Europa hatte der Strassenbau hohe Priorität. So erhielt die Kantonsstrasse Solothurn-Grenchen einen feudalen Betonbelag, bewundert von allen motorisierten Verkehrsteilnehmern. Die Nation staunte über die fortschrittliche Strassenbautechnik. Die Welt erkor das Erdöl zum Energieträger Nummer Eins, die entstehenden Erdölgesellschaften freute es und ihre Lobbies applaudierten.
 
  
Die Schweiz begann in den 50er Jahren mit der Planung des Autobahnbaus und die Kantone verbesserten laufend das bestehende Hauptstrassennetz. Etwas musste geschehen. Schon in der zweiten Hälfte der 50er Jahre kam es zu massiven Verkehrsstaus in den Stosszeiten des Arbeitsverkehrs und des Ausflugsverkehrs an Wochenenden. Der Bestand der Automobile im Kanton Solothurn und in der Schweiz verdreichfachte sich im Jahrzehnt der 50er Jahre.  
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Produktion / Ausfuhr
 +
% Anz. Uhren Ausfuhr / Jahr %
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Anz. Zunahme inkl. Rohwerke Anz. Uhren Zunahme
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Jahr Beschäftigte Beschäftigte Ausfuhr / Jahr pro Beschäftigen
  
''' Pendlerstatistik Grenchen 1950-1970  '''
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1950 47000 26,0 Mio. 553
  
{| class="wikitable" | style="text-align:right"
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1960 60000 27.66 44,6 Mio. 743 34.36  
! Jahr !! Berufstätige in Grenchen wohnhaft !! Wegpendler !! Wegpendler in % !! Zupendler !! Zupendler in % !! Berufstätige in Grenchen
 
|-
 
| 1950 ||  6'970 ||  379 ||  5.44 || 3'580 || 51.36 || 10'171
 
|-
 
| 1960 ||  9'589 ||  758 ||  7.90 || 4'501 || 46.94 || 13'332
 
|-
 
| 1970 ||  11450 || 1'239 || 10.82 || 4'681 || 40.88 || 14'892
 
|-
 
|}
 
  
Die Pendlerstatistik bringt es an den Tag. Immer mehr Berufstätige liessen sich in der Uhrenstadt nieder, der Anteil der Zupendler war rückläufig. Die Zunehmende Anzahl der Wegpendler deutete sowohl auf die industrielle Entwicklung der Region als auch auf den Alltagskomfort des Wohnsitzes in einer städtischen Siedlung. Eine Eigenschaft, die sich Grenchen inzwischen zulegte.  
+
1970 73000 21.67 79,2 Mio. 1084 45.90
  
Besonders interessant sind die über 51% Zupendler im Jahre [[1950]]. Das war vermutlich ein Indikator der herrschenden Wohnungsnot. Es war in den frühen 50er Jahren kaum möglich, in Grenchen eine Wohnunterkunft zu finden. Wer in Grenchen arbeiten wollte, war gezwungen zu pendeln.
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Die Tabelle illustriert die positive Entwicklung der Produktion in der schweizerischen
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Uhrenindustrie aufgrund der Ausfuhrzahlen, die ziemlich genau der Produktion
  
== Uhrenindustrie und Fremdarbeiter ==
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entsprechen. Zusätzlich zur Tabelle ist es interessant zu wissen, dass die Anzahl der
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Betriebe in den zwanzig Jahren nur unwesentlich änderte. Augenfällig ist die
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Zunahme der Anzahl produzierter Uhren pro Beschäftigten. Diese Tatsache belegt,
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dass die Produktionssteigerung neben dem wachsenden Personalbestand zum
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guten Teil mit Produktionsverbesserungen, Rationalisierungen zustande kam.
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Festzuhalten ist, dass die erreichte Produktionssteigerung nur möglich war unter dem
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Beizug ausländischer Arbeitskräfte.
  
''' Schweizerische Uhrenindustrie 1950-1970 '''
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Wohnbevölkerung Grenchen: Ausländeranteil
  
{| class="wikitable" | style="text-align:right"
+
Jahr Wohnbevölkerung Davon Ausländer Anteil Ausl.  
! Jahr !! Anz. Beschäftigte !! Zunahme Beschäftigte in %  !! Anz. Uhren inkl. Rohwerke in Ausfuhr / Jahr !! Anz. Uhren pro Beschäftigte in Ausfuhr / Jahr !! Zunahme in %
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%  
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1950 12650 788 6.23
| 1950 ||  47'000  ||      || 26.0 Mio. ||  553 ||
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1960 18000 1709 9.49
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+
1970 20051 3639 18.15
| 1960 ||  60'000  || 27.66 || 44.6 Mio. ||  743 || 34.36
 
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| 1970 ||  73'000  || 21.67 || 79.2 Mio. || 1'084 || 45.90
 
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|}
 
  
Die Tabelle illustriert die positive Entwicklung der Produktion in der schweizerischen Uhrenindustrie aufgrund der Ausfuhrzahlen, die ziemlich genau der Produktion entsprechen. Zusätzlich zur Tabelle ist es interessant zu wissen, dass die Anzahl der Betriebe in den zwanzig Jahren nur unwesentlich änderte. Augenfällig ist die Zunahme der Anzahl produzierter Uhren pro Beschäftigten. Diese Tatsache belegt,
+
In den 50er Jahren hatte sich der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung
dass die Produktionssteigerung neben dem wachsenden Personalbestand zum guten Teil mit Produktionsverbesserungen, Rationalisierungen zustande kam. Festzuhalten ist, dass die erreichte Produktionssteigerung nur möglich war unter dem Beizug ausländischer Arbeitskräfte.  
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Grenchens um knapp 1000 Personen oder von 6,2 auf 9,5 % erhöht. Bei der  
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ausländischen Wohnbevölkerung Grenchens handelte es sich grösstenteils um
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Italiener. Der Wachstumskurs Grenchens und seiner Uhrenindustrie konnte dank der  
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zuwandernden Italiener eingehalten werden. Probleme im Zusammenleben mit der  
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ausländischen Bevölkerung gab es in den 50er Jahren keine. Sicher diskutierten die  
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Grenchner an den abendlichen Stammtischen den zunehmenden Ausländerbestand
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und zeigten sich deswegen in Sorge. Verständigungsprobleme an den Arbeitsplätzen
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und im privaten Bereich führten mitunter zu Spannungen und Konflikten.  
  
''' Wohnbevölkerung Grenchen: Ausländeranteil '''
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Dank der Italiener steigerten einige Immobilienbesitzer, Aerzte, Geschäfts-und
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Ladeninhaber ihre Einnahmen ganz schön, man profitierte also in vielen Bereichen.
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In den späten 50er Jahren passten sogar Grenchens Kinos ihre Programme an mit
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italienischsprachigen Filmvorführungen.
  
{| class="wikitable" | style="text-align:right"
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Kontakte zwischen der schweizerischen Bevölkerung und den sogenannten
! Jahr !! Wohnbevölkerung !! Davon Ausländer !! Anteile Ausländer in %
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Fremdarbeitern blieben selten. Die Italiener verkehrten unter sich, traten
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bestehenden Italienerorganisationen bei und gründeten eigene Vereine.  
| 1950 ||  12'650 ||  788 ||  6.23
 
|-
 
| 1960 ||  18'000 || 1'709 ||  9.49
 
|-
 
| 1970 ||  20'051 || 3'639 || 18.15
 
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|}
 
  
In den 50er Jahren hatte sich der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung Grenchens um knapp 1000 Personen oder von 6.2 auf 9.5% erhöht. Bei der ausländischen Wohnbevölkerung Grenchens handelte es sich grösstenteils um Italiener. Der Wachstumskurs Grenchens und seiner Uhrenindustrie konnte dank der zuwandernden Italiener eingehalten werden. Probleme im Zusammenleben mit der ausländischen Bevölkerung gab es in den 50er Jahren keine. Sicher diskutierten die Grenchner an den abendlichen Stammtischen den zunehmenden Ausländerbestand und zeigten sich deswegen in Sorge. Verständigungsprobleme an den Arbeitsplätzen und im privaten Bereich führten mitunter zu Spannungen und Konflikten.
+
 +
Medien und Kommunikation
  
Dank der Italiener steigerten einige Immobilienbesitzer, Aerzte, Geschäfts-und Ladeninhaber ihre Einnahmen ganz schön, man profitierte also in vielen Bereichen. In den späten 50er Jahren passten sogar Grenchens Kinos ihre Programme an mit italienischsprachigen Filmvorführungen.  
+
In der Stadt Grenchen der 50er Jahre war das Angebot im Sektor Medien und
 +
Kommunikation auf zeitgemässem Stand. Die Telefonie eroberte im Jahrzehnt der
 +
50er Jahre die Haushalte. Waren anfangs der 50er Jahre 43.8 % der Schweizer
 +
Haushalte mit Telefonanschlüssen ausgestattet, lag schon am Ende des Jahrzehnts
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ein ganz anderes Bild vor. Wer noch 1950 in Grenchen einen Telefonanschluss sein
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eigen nannte, nahm auch wichtige Meldungen für die Nachbarn entgegen. Entweder
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holte man die lieben Nachbarn ans Telefon oder man übermittelte ihnen als Bote die
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erhaltene Nachricht.  
  
Kontakte zwischen der schweizerischen Bevölkerung und den sogenannten Fremdarbeitern blieben selten. Die Italiener verkehrten unter sich, traten bestehenden Italienerorganisationen bei und gründeten eigene Vereine.  
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Die Leistungsfähigkeit und Kapazität der Telefondienste verbesserte sich zusehends.
 +
Allein mit den Installationsfristen haperte es. Dennoch war es Ende der 50er Jahre
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so, dass schon mehr als zwei Drittel der Haushalte mit Telefonanschlüssen
 +
ausgestattet waren.  
  
== Medien und Kommunikation  ==
+
Telefonie, Radio und Fernsehen in der Schweiz
  
In der Stadt Grenchen der 50er Jahre war das Angebot im Sektor Medien und Kommunikation auf zeitgemässem Stand. Die Telefonie eroberte im Jahrzehnt der 50er Jahre die Haushalte. Waren anfangs der 50er Jahre 43.8% der Schweizer Haushalte mit Telefonanschlüssen ausgestattet, lag schon am Ende des Jahrzehnts ein ganz anderes Bild vor. Wer noch [[1950]] in Grenchen einen Telefonanschluss sein eigen nannte, nahm auch wichtige Meldungen für die Nachbarn entgegen. Entweder holte man die lieben Nachbarn ans Telefon oder man übermittelte ihnen als Bote die erhaltene Nachricht.  
+
Anzahl in % Anz. Konz. in % Anz. Konz. in % Anzahl
 +
Jahr Telefonanschl der Haush. Rundfunk der Haush. Fernsehen der Haush. Haushalte
  
Die Leistungsfähigkeit und Kapazität der Telefondienste verbesserte sich zusehends. Allein mit den Installationsfristen haperte es. Dennoch war es Ende der 50er Jahre so, dass schon mehr als zwei Drittel der Haushalte mit Telefonanschlüssen ausgestattet waren.  
+
1950 574510 43.8 1036710 79.0 1312204
 +
1960 1090975 68.4 1444975 90.7 128956 8.1 1594010
 +
1970 1945168 94.3 1851612 89.8 1273893 61.8 2062438
  
''' Telefonie, Radio und Fernsehen in der Schweiz '''
+
Die 50er Jahre waren das Jahrzehnt des Radios! Die beliebten Gotthelf-Hörspiele,  
 +
die Hörspiel-Serien von und mit Schaggi Streuli bannten ganze Familien vor das
 +
Radiogerät. Voller Spannung fieberte man den nächsten Folgen entgegen. Stets ein
 +
Ereignis waren am Montag das Wunschkonzert, unterbrochen um 20.30 Uhr vom
 +
Briefkasten und die samstäglichen Bunten Abende aus dem Bernhard-Theater,
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moderiert von Rudolf Bernhard. Mittags, punkt 12.30 Uhr, richtete die Nation die
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Uhren nach dem Zeitzeichen vor der Nachrichtensendung.
  
{| class="wikitable" | style="text-align:right"
+
Das Schweizer Fernsehen (Start 1953) steckte noch in den Kinderschuhen, legte
! Jahr !! Anz. Telefonanschlüsse !! In % der Haushalte !! Anz. Konzessionierte Rundfunk Anschl. !! In % der Haushalte !! Anz. Konzessionierte Fernseh Anschl. !! In % der Haushalte !! Anz. Haushalte
+
aber in den 60er Jahren mächtig zu. Die Grenchner Fernsehzuschauer richteten ihr
|-
+
Augenmerk schon bald nach Deutschland. Das Deutsche Fernsehen begann schon
| 1950 ||  574'510 || 43.8 || 1'036'710 || 79.0 ||          ||      || 1'312'204
 
|-
 
| 1960 || 1'090'975 || 68.4 || 1'444'975 || 90.7 ||  128'956 ||  8.1 || 1'594'010
 
|-
 
| 1970 || 1'945'168 || 94.3 || 1'851'612 || 89.8 || 1'273'893 || 61.8 || 2'062'438
 
|-
 
|}
 
  
Die 50er Jahre waren das Jahrzehnt des Radios! Die beliebten Gotthelf-Hörspiele, die Hörspiel-Serien von und mit Schaggi Streuli bannten ganze Familien vor das Radiogerät. Voller Spannung fieberte man den nächsten Folgen entgegen. Stets ein Ereignis waren am Montag das Wunschkonzert, unterbrochen um 20.30 Uhr vom Briefkasten und die samstäglichen Bunten Abende aus dem Bernhard-Theater, moderiert von Rudolf Bernhard. Mittags, punkt 12.30 Uhr, richtete die Nation die Uhren nach dem Zeitzeichen vor der Nachrichtensendung.  
+
 +
am späten Nachmittag zu senden, wartete auf mit populären Sendungen und noch
 +
mehrheitlich amerikanischen Serien. Die Folge des Flirts mit dem Deutschen Kanal:
 +
auf Grenchens Dächer erhoben sich immer mehr Antennen in den Himmel, alle brav
 +
ausgerichtet auf die Lücke des Mürenpasses unter der Hasenmatt. Von dort strahlte
 +
offenbar das intensivste Sende-Signal des deutschen Senders nach Grenchen.  
  
Das Schweizer Fernsehen (Start [[1953]]) steckte noch in den Kinderschuhen, legte aber in den 60er Jahren mächtig zu. Die Grenchner Fernsehzuschauer richteten ihr Augenmerk schon bald nach Deutschland. Das Deutsche Fernsehen begann schon am späten Nachmittag zu senden, wartete auf mit populären Sendungen und noch mehrheitlich amerikanischen Serien. Die Folge des Flirts mit dem Deutschen Kanal: auf Grenchens Dächer erhoben sich immer mehr Antennen in den Himmel, alle brav ausgerichtet auf die Lücke des Mürenpasses unter der Hasenmatt. Von dort strahlte offenbar das intensivste Sende-Signal des deutschen Senders nach Grenchen.  
+
Neuigkeiten entnahmen die Grenchner der Lokalpresse. Da waren das Grenchner
 +
Tagblatt (FDP), Das Volk (SP), die Solothurner Zeitung (FDP) und die Solothurner
 +
Nachrichten (CVP), die täglich in vielen Grenchner Briefkästen landeten. Wöchentlich
 +
einmal brachte der Brieftäger den Leberberger Anzeiger und den Grenchner
 +
Stadtanzeiger, beides Gratisanzeiger, in alle Haushaltungen. Zur Unterhaltung
 +
abonnierten fast alle Familien illustrierte Wochenzeitschriften wie die Sie+Er, die
 +
Schweizer Illustrierte Zeitung, Schweizer Heim, Die Schweizer Familie, Annabelle,
 +
Das Gelbe Heft, In freien Stunden und wie sie alle hiessen. Abends hatte man viel
 +
Zeit zum Lesen. Ausgesprochene Leseratten benützten selbstverständlich die  
 +
Stadtbibliothek Grenchen.  
  
Neuigkeiten entnahmen die Grenchner der Lokalpresse. Da waren das [[Grenchner Tagblatt]] (FDP), Das Volk (SP), die Solothurner Zeitung (FDP) und die Solothurner Nachrichten (CVP), die täglich in vielen Grenchner Briefkästen landeten. Wöchentlich einmal brachte der Brieftäger den Leberberger Anzeiger und den Grenchner Stadtanzeiger, beides Gratisanzeiger, in alle Haushaltungen. Zur Unterhaltung abonnierten fast alle Familien illustrierte Wochenzeitschriften wie die Sie+Er, die Schweizer Illustrierte Zeitung, Schweizer Heim, Die Schweizer Familie, Annabelle, Das Gelbe Heft, In freien Stunden und wie sie alle hiessen. Abends hatte man viel Zeit zum Lesen. Ausgesprochene Leseratten benützten selbstverständlich die [[Stadtbibliothek]] Grenchen.  
+
Presseprodukte aus Deutschland gehörten schon bald zum Angebot in den
 +
Kioskauslagen. Der Stern, Die Bunte, Quick, Film und Frau zählten dazu, die Jugend
 +
erwartete ungeduldig die neuen Nummern des Mickey Mouse-oder des Tarzan-
 +
Heftchens. Der Markt der Comicshefte entfaltete sich mit Erfolg in der zweiten Hälfte
 +
des Jahrzehnts. Das blühende Geschäft mit den Comics-und Romanheftchen
 +
beunruhigte die Grenchner Lehrerschaft. Die Lehrer fürchteten eine negative
 +
Beeinflussung der Jugend. So veranstalteten die Schulen in der zweiten Hälfte der
 +
50er Jahre sogar eine Schundsammlung. Gegen ein Bündel Schundhefte gab die  
 +
Schundsammelstelle ein gutes Jugendtaschenbuch ab . . .  
  
Presseprodukte aus Deutschland gehörten schon bald zum Angebot in den Kioskauslagen. Der Stern, Die Bunte, Quick, Film und Frau zählten dazu, die Jugend erwartete ungeduldig die neuen Nummern des Mickey Mouse-oder des Tarzan- Heftchens. Der Markt der Comicshefte entfaltete sich mit Erfolg in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts. Das blühende Geschäft mit den Comics-und Romanheftchen beunruhigte die Grenchner Lehrerschaft. Die Lehrer fürchteten eine negative Beeinflussung der Jugend. So veranstalteten die Schulen in der zweiten Hälfte der 50er Jahre sogar eine Schundsammlung. Gegen ein Bündel Schundhefte gab die
+
Haushaltstechnik
Schundsammelstelle ein gutes Jugendtaschenbuch ab...
 
  
== Haushaltstechnik ==
+
Die rasche Verbreitung technischer Haushaltsgeräte war charakteristisch für das
 +
50er Jahrzehnt. Die Hausfrauen erhielten eine wirkungsvolle Hilfe in Küche und
 +
Haushalt. Sehr starke Verbreitung fanden Kühlschränke, Nähmaschinen,
 +
Dampfkochtöpfe, elektr. Bügeleisen, Waschmaschinen und Mixer. Das Ausmass der
  
Die rasche Verbreitung technischer Haushaltsgeräte war charakteristisch für das 50er Jahrzehnt. Die Hausfrauen erhielten eine wirkungsvolle Hilfe in Küche und Haushalt. Sehr starke Verbreitung fanden Kühlschränke, Nähmaschinen, Dampfkochtöpfe, elektr. Bügeleisen, Waschmaschinen und Mixer. Das Ausmass der Verbreitung der Haushaltsapparate hält eine Untersuchung des Beobachters fest, die er [[1950]] und zehn Jahre später, [[1960]], von der Schweizerischen Gesellschaft für Marktforschung (GfM) durchführen liess.  
+
 +
Verbreitung der Haushaltsapparate hält eine Untersuchung des Beobachters fest, die  
 +
er 1950 und zehn Jahre später, 1960, von der Schweizerischen Gesellschaft für  
 +
Marktforschung (GfM) durchführen liess.  
  
In Grenchen nahm die Anzahl der Frauen zu, die sich beruflich betätigten und mit ihrer Arbeit das Familienbudget erweiterten. In den Uhrenfabriken war es üblich, dass die Frauen ihre Mittagspause auf 11.00 Uhr – 13.00 Uhr legten. Um 11.00 Uhr schwärmten sie aus der Fabrik, erledigten in aller Eile zwei drei Einkäufe und rannten nach Hause. Bis 12.00 Uhr richteten sie zu Hause das Mittagessen für die ganze  
+
In Grenchen nahm die Anzahl der Frauen zu, die sich beruflich betätigten und mit  
Familie. Teile der Mahlzeit hatten sie schon am Vorabend vorgekocht, um mittags etwas Zeit zu gewinnen. Schon gegen 13.00 Uhr eilten sie wieder in die Fabrik zur Arbeit. Dass er Ehemann im Haushalt mithalf, war unüblich. Er wollte von seiner Frau bedient werden. Der Dauerstress, dem diese Frauen und Mütter ausgesetzt waren, zerrte an ihrer Gesundheit. Nicht selten hielten sie dieser Belastung nur stand unter  
+
ihrer Arbeit das Familienbudget erweiterten. In den Uhrenfabriken war es üblich, dass  
der täglichen Einnahme von Medikamenten, Aufpeitschungsmitteln. In Grenchen nannte man diese Fabrikarbeiterinnen „d’Öufi-Fraue“, die Elf Uhr Frauen. Viele von ihnen opferten die Gesundheit für etwas mehr Familienwohlstand oder um monatlich ein paar Franken mehr auf die Bank zu tragen.  
+
die Frauen ihre Mittagspause auf 11.00 Uhr – 13.00 Uhr legten. Um 11.00 Uhr  
 +
schwärmten sie aus der Fabrik, erledigten in aller Eile zwei drei Einkäufe und rannten  
 +
nach Hause. Bis 12.00 Uhr richteten sie zu Hause das Mittagessen für die ganze  
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Familie. Teile der Mahlzeit hatten sie schon am Vorabend vorgekocht, um mittags  
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etwas Zeit zu gewinnen. Schon gegen 13.00 Uhr eilten sie wieder in die Fabrik zur  
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Arbeit. Dass er Ehemann im Haushalt mithalf, war unüblich. Er wollte von seiner Frau  
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bedient werden. Der Dauerstress, dem diese Frauen und Mütter ausgesetzt waren,  
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zerrte an ihrer Gesundheit. Nicht selten hielten sie dieser Belastung nur stand unter  
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der täglichen Einnahme von Medikamenten, Aufpeitschungsmitteln. In Grenchen  
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nannte man diese Fabrikarbeiterinnen „d’Öufi-Fraue“, die Elf Uhr Frauen. Viele von  
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ihnen opferten die Gesundheit für etwas mehr Familienwohlstand oder um monatlich  
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ein paar Franken mehr auf die Bank zu tragen.  
  
Gerade für die berufstätige Frau waren die neuen Apparate eine Hilfe und Entlastung im Haushaltsalltag. Vorausgesetzt, der Ehemann gönnte ihr diese Erleichterungen. Das Familienbild der 50er Jahre war hierarchisch, bestimmt durch die dominierende Rolle des Ehemanns. Diese Tatsache manifestierte sich nachhaltig im Jahre [[1959]] bei der eidgenössischen Abstimmung über das Frauenstimmrecht: Ablehnung im  
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Gerade für die berufstätige Frau waren die neuen Apparate eine Hilfe und Entlastung  
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im Haushaltsalltag. Vorausgesetzt, der Ehemann gönnte ihr diese Erleichterungen.  
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Das Familienbild der 50er Jahre war hierarchisch, bestimmt durch die dominierende  
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Rolle des Ehemanns. Diese Tatsache manifestierte sich nachhaltig im Jahre 1959  
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bei der eidgenössischen Abstimmung über das Frauenstimmrecht: Ablehnung im  
 
Verhältnis 2:1.  
 
Verhältnis 2:1.  
  
== Ferien und Freizeit ==
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Ferien und Freizeit  
  
=== Uhrenmacherferien ===
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Uhrenmacherferien  
  
In den 50er Jahren hatten fast alle Arbeiter und Angestellten der Uhrenindustrie ein Anrecht auf 2 Wochen Ferien pro Jahr. Die Uhrenindustrie legte jeden Sommer zum festgeschriebenen Termin (zweite uli-Hälfte bis anfangs August) die Arbeit nieder, die Produktion stand still – Uhrenmacherferien!
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In den 50er Jahren hatten fast alle Arbeiter und Angestellten der Uhrenindustrie ein  
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Anrecht auf 2 Wochen Ferien pro Jahr. Die Uhrenindustrie legte jeden Sommer zum  
  
Die politische Situation in Europa war so weit stabilisiert, dass schon viele Grenchner Uhrenmacher preiswerte Ferien im Ausland verbrachten. Die Sehnsucht nach dem Süden, nach Italien war weit verbreitet als Kontrast zum rauen Arbeitsalltag in den Fabriken. Beliebte Ferienziele waren die Umgebung von Venedig und die Adriatische Küste. Die äusserst preiswerten Ferienangebote dieser Region lockten
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viele Schweizer Touristen. Reisen ins Ausland hatten noch etwas Abenteuerliches an sich, ob mit dem Zug, seltener mit dem Reisecar unternommen oder, noch ganz selten, schon mit eigenen Automobil spielte keine Rolle.
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festgeschriebenen Termin (zweite Juli-Hälfte bis anfangs August) die Arbeit nieder,  
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die Produktion stand still – Uhrenmacherferien!
  
Für seine Grenchner Arbeiterkollegen organisierte [[Libero Belloni]] während Jahren Italienferien. Seine Reiseziele waren Jesolo und Chioggia / Sottomarina. [[Libero Belloni]] stammte selber aus Norditalien und beherrschte die italienische Sprache. Eine Tatsache, die ihm die Organisation der Ferien erheblich erleichterte. Gereist wurde mit der Eisenbahn. Bellonis Sohn erinnert sich heute, wie er jeweils am  
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Die politische Situation in Europa war so weit stabilisiert, dass schon viele Grenchner
Reisemorgen mit dem Zug von Grenchen-Nord nach Moutier fuhr, um dort schon in den Schnellzug nach Brig einzusteigen und den reservierten Wagen mit den nötigen Anschriften zu versehen. So erkannte die in Grenchen wartende Reisegruppe sofort, wo sie einzusteigen hatte und wo sich die reservierten Plätze befanden. [[Libero Belloni]] organisierte die Reisen in den Süden völlig uneigennützig. Für sich verlangte  
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Uhrenmacher preiswerte Ferien im Ausland verbrachten. Die Sehnsucht nach dem
er weder Kommissionsprozente noch irgendwelche Aufschläge oder Honorare. Eine vorbildliche Leistung, die von hoher sozialer Gesinnung zeugte! Viele Grenchner Uhrenarbeiter durften dank Libero Belloni Jahr für Jahr mit ihren Familien unvergessliche und erst noch günstige Ferien in der Sonne Italiens verbringen. Von den Erinnerungen an diese herrlichen Tage zehren heute noch etliche  
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Süden, nach Italien war weit verbreitet als Kontrast zum rauen Arbeitsalltag in den
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Fabriken. Beliebte Ferienziele waren die Umgebung von Venedig und die
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Adriatische Küste. Die äusserst preiswerten Ferienangebote dieser Region lockten
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viele Schweizer Touristen. Reisen ins Ausland hatten noch etwas Abenteuerliches an
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sich, ob mit dem Zug, seltener mit dem Reisecar unternommen oder, noch ganz
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selten, schon mit eigenen Automobil spielte keine Rolle.
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Für seine Grenchner Arbeiterkollegen organisierte Libero Belloni während Jahren  
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Italienferien. Seine Reiseziele waren Jesolo und Chioggia / Sottomarina. Libero  
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Belloni stammte selber aus Norditalien und beherrschte die italienische Sprache.  
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Eine Tatsache, die ihm die Organisation der Ferien erheblich erleichterte. Gereist  
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wurde mit der Eisenbahn. Bellonis Sohn erinnert sich heute, wie er jeweils am  
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Reisemorgen mit dem Zug von Grenchen-Nord nach Moutier fuhr, um dort schon in  
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den Schnellzug nach Brig einzusteigen und den reservierten Wagen mit den nötigen  
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Anschriften zu versehen. So erkannte die in Grenchen wartende Reisegruppe sofort,  
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wo sie einzusteigen hatte und wo sich die reservierten Plätze befanden. Libero  
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Belloni organisierte die Reisen in den Süden völlig uneigennützig. Für sich verlangte  
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er weder Kommissionsprozente noch irgendwelche Aufschläge oder Honorare. Eine  
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vorbildliche Leistung, die von hoher sozialer Gesinnung zeugte! Viele Grenchner  
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Uhrenarbeiter durften dank Libero Belloni Jahr für Jahr mit ihren Familien  
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unvergessliche und erst noch günstige Ferien in der Sonne Italiens verbringen. Von  
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den Erinnerungen an diese herrlichen Tage zehren heute noch etliche  
 
Grenchnerinnen und Grenchner.  
 
Grenchnerinnen und Grenchner.  
  
Selbstverständlich verbrachten die Uhrenmacher ihre Ferien auch in der Schweiz. Das war sogar das Uebliche. Die klassischen Destinationen in den Alpen, an den Seen und im Tessin waren schon damals sehr beliebt. Man mietete eine Ferienwohnung zusammen mit einer befreundeten Familie oder leistete sich einen Ferienaufenthalt in einer einfachen Familienpension. So konnte auch die Mutter die Ferien mitgeniessen.
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Selbstverständlich verbrachten die Uhrenmacher ihre Ferien auch in der Schweiz.  
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Das war sogar das Uebliche. Die klassischen Destinationen in den Alpen, an den  
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Seen und im Tessin waren schon damals sehr beliebt. Man mietete eine  
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Ferienwohnung zusammen mit einer befreundeten Familie oder leistete sich einen  
  
Grossen Zuspruch fanden die Ferienangebote der Verbände und Gewerkschaften. Die als Genossenschaft im Jahre 1939 gegründete Schweizer Reisekasse (REKA) war in den 50er Jahren mit ihrem attraktiven Angebot schon lange und landesweit ein Begriff.  
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Ferienaufenthalt in einer einfachen Familienpension. So konnte auch die Mutter die
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Ferien mitgeniessen.  
  
Ende der 50er Jahre schon galt es als schick, mit dem Flugzeug der Swissair nach Mallorca oder nach den Kanarischen Inseln zu fliegen. Ein Luxus zwar, den sich Alleinstehende und Paare mit gutem Einkommen aber schon leisten konnten.  
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Grossen Zuspruch fanden die Ferienangebote der Verbände und Gewerkschaften.
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Die als Genossenschaft im Jahre 1939 gegründete Schweizer Reisekasse (REKA)
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war in den 50er Jahren mit ihrem attraktiven Angebot schon lange und landesweit ein
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Begriff.  
  
Und in Grenchen, wer blieb zu Hause? Schon in den 50er Jahren war Grenchen während den Uhrenmacherferien eine fast ausgestorbene Stadt. Wer arbeitete, traf auf dem frühmorgendlichen Gang zur Arbeit oft keinen Menschen. Erst zwischen 9 Uhr und 10 Uhr begegnete man den ersten Daheimgebliebenen in den Strassen der Stadt. Seit [[1956]] gibt es in Grenchen ein [[Schwimmbad]], der geeignete Ort um Ferien
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Ende der 50er Jahre schon galt es als schick, mit dem Flugzeug der Swissair nach
zu Hause zu verbringen. Nördlich der Stadt erhebt sich der Jura, „dr Bärg“, ein Wander-und Erholungsgebiet erster Güte auch heute noch.  
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Mallorca oder nach den Kanarischen Inseln zu fliegen. Ein Luxus zwar, den sich  
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Alleinstehende und Paare mit gutem Einkommen aber schon leisten konnten.  
  
Das Angebot des Carunternehmens H. Vollenweider AG enthielt für Daheimgebliebene tolle Ausflugsziele zu günstigen Preisen. Die beiden Bahnhöfe Grenchens luden ein, Tagesausflüge mit der Eisenbahn zu unternehmen. Sehr beliebt waren die Car-oder Bahnreisen unter dem Motto „Fahrt ins Blaue“. Die Reiseteilnehmer kannten das Reiseziel nicht, die „Fahrt ins Blaue“ war voller Ueberraschungen. Garantiert war die gute, reichhaltige Verpflegung irgendwo in einem bekannten Gasthof.  
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Und in Grenchen, wer blieb zu Hause? Schon in den 50er Jahren war Grenchen
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während den Uhrenmacherferien eine fast ausgestorbene Stadt. Wer arbeitete, traf
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auf dem frühmorgendlichen Gang zur Arbeit oft keinen Menschen. Erst zwischen 9
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Uhr und 10 Uhr begegnete man den ersten Daheimgebliebenen in den Strassen der
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Stadt. Seit 1956 gibt es in Grenchen ein Schwimmbad, der geeignete Ort um Ferien
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zu Hause zu verbringen. Nördlich der Stadt erhebt sich der Jura, „dr Bärg“, ein
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Wander-und Erholungsgebiet erster Güte auch heute noch.  
  
=== Vereinsleben, Geselligkeit, Sport ===
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Das Angebot des Carunternehmens H. Vollenweider AG enthielt für
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Daheimgebliebene tolle Ausflugsziele zu günstigen Preisen. Die beiden Bahnhöfe
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Grenchens luden ein, Tagesausflüge mit der Eisenbahn zu unternehmen. Sehr
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beliebt waren die Car-oder Bahnreisen unter dem Motto „Fahrt ins Blaue“. Die
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Reiseteilnehmer kannten das Reiseziel nicht, die „Fahrt ins Blaue“ war voller
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Ueberraschungen. Garantiert war die gute, reichhaltige Verpflegung irgendwo in
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einem bekannten Gasthof.
  
In den 50er Jahren blühte das Vereinsleben. Chorgesang und Blasmusik, Klassische Musik und Kirchenmusik hatten in Grenchen grosse Bedeutung und bewegten sich auf erstaunlichem Niveau. Da waren der Orchesterverein Grenchen, verschiedene Gesangsvereine ([[Unionschor]], [[Männerchor Liederkranz]], [[Gemischter Chor]], [[Cäcilienverein]], [[Reformierter Kirchenchor]]) und drei Metallharmonien: die [[Helvetia]], die [[Eintracht]] und die [[Musikgesellschaft Konkordia]]. Grenchen war seit je her eine Stadt des Sports. Den Sport erkannten die Grenchner schon früh als wichtigsten Ausgleich zur Konzentrationsarbeit in den Uhrenfabriken. Die Sportvereine hatten denn auch grossen Zulauf. Allen voran der Fussballclub Grenchen und der Turnverein Grenchen. Sorgen um die Existenz der Vereine und Mitgliederschwund kannte man
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Vereinsleben, Geselligkeit, Sport  
tatsächlich noch nicht. Die vielen Vereine entfalteten übers Jahr eine rege Aktivität, in Form von Veranstaltungen, Wettkämpfen, Festen, Theater- und Operettenaufführungen. Geselligkeit, Fest und Freude gehörten zur Vereinskultur.
 
  
Grenchen eröffnete das Jahrzehnt der 50er Jahre mit einem eidgenössischen Grossanlass, dem Eidgenössischen Schwing-und Aelplerfest am 22. und 23. Juli [[1950]]. Der Fest-und Wettkampfbetrieb spielte sich im weiteren Umfeld des Fussball- und Turnerstadions im Brühl ab. Die Organisation des Festes war eine grosse Herausforderung für Grenchen, die das über 80 Mitglieder zählende Organisationskomitee mit Oberst Fritz Grimm an der Spitze annahm und mit Bravour bewältigte. Die PTT gab einen Sonderstempel aus, der in einem als Postbüro eingerichteten Postauto zu beziehen war. Zwei Pro Patria Marken des Jahres 1950
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In den 50er Jahren blühte das Vereinsleben. Chorgesang und Blasmusik, Klassische
passten ausgezeichnet zum Sonderstempel und zum Schwing-und Aelplerfest: Schwingkampf und Steinstossen mit dem Unspunnenstein.
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Musik und Kirchenmusik hatten in Grenchen grosse Bedeutung und bewegten sich  
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auf erstaunlichem Niveau. Da waren der Orchesterverein Grenchen, verschiedene
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Gesangsvereine (Unionschor, Männerchor Liederkranz, Gemischter Chor,  
  
Das Grenchner Jahrzehnt der 50er Jahre klingt aus wieder mit einem ganz grossen Ereignis: Der [[FC Grenchen]] gewinnt [[1959]] gegen den FC Servette Genf den Cup-
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Final und wird Sieger des Schweizer Cups.
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Cäcilienverein, Reformierter Kirchenchor) und drei Metallharmonien: die Helvetia, die
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Eintracht und die Konkordia. Grenchen war seit je her eine Stadt des Sports. Den
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Sport erkannten die Grenchner schon früh als wichtigsten Ausgleich zur
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Konzentrationsarbeit in den Uhrenfabriken. Die Sportvereine hatten denn auch
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grossen Zulauf. Allen voran der Fussballclub Grenchen und der Turnverein
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Grenchen. Sorgen um die Existenz der Vereine und Mitgliederschwund kannte man
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tatsächlich noch nicht. Die vielen Vereine entfalteten übers Jahr eine rege Aktivität, in
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Form von Veranstaltungen, Wettkämpfen, Festen, Theater-und
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Operettenaufführungen. Geselligkeit, Fest und Freude gehörten zur Vereinskultur.  
  
=== Rollerkult  ===
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Grenchen eröffnete das Jahrzehnt der 50er Jahre mit einem eidgenössischen
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Grossanlass, dem Eidgenössischen Schwing-und Aelplerfest am 22. und 23. Juli
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1950. Der Fest-und Wettkampfbetrieb spielte sich im weiteren Umfeld des Fussball-
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und Turnerstadions im Brühl ab. Die Organisation des Festes war eine grosse
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Herausforderung für Grenchen, die das über 80 Mitglieder zählende
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Organisationskomitee mit Oberst Fritz Grimm an der Spitze annahm und mit Bravour
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bewältigte. Die PTT gab einen Sonderstempel aus, der in einem als Postbüro
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eingerichteten Postauto zu beziehen war. Zwei Pro Patria Marken des Jahres 1950
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passten ausgezeichnet zum Sonderstempel und zum Schwing-und Aelplerfest:
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Schwingkampf und Steinstossen mit dem Unspunnenstein.
  
Junge und Junggebliebene setzten sich auf ihre Vespa oder Lambretta und sausten los ins Grüne, unternahmen Schweizerreisen, ganz Wagemutige rollten sogar über die Landesgrenzen. Die Roller-Kultur war ein Bestandteil der 50er Jahre. Die junge Generation erlebte mit der Vespa oder Lambretta das, was sie Freiheit nannte. Die Anschaffung eines Rollers lag für viele im Bereich des Möglichen und, wie es die
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Das Grenchner Jahrzehnt der 50er Jahre klingt aus wieder mit einem ganz grossen
Statistik belegt, machte man regen Gebrauch von dieser Möglichkeit. Gleichgesinnte gründeten Rollerclubs, die neben der technischen Selbsthilfe auch Ausflüge, Reisen und gesellige Anlässe organisierten.  
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Ereignis: Der FC Grenchen gewinnt 1959 gegen den FC Servette Genf den Cup-
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Final und wird Sieger des Schweizer Cups.  
  
Im Kanton Solothurn waren [[1960]] über 3'000 Roller im Verkehr, schweizweit waren es sage und schreibe 96'000, ein statistischer Höhepunkt!
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Rollerkult
  
== Parktheater  ==
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Junge und Junggebliebene setzten sich auf ihre Vespa oder Lambretta und sausten
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los ins Grüne, unternahmen Schweizerreisen, ganz Wagemutige rollten sogar über
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die Landesgrenzen. Die Roller-Kultur war ein Bestandteil der 50er Jahre. Die junge
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Generation erlebte mit der Vespa oder Lambretta das, was sie Freiheit nannte. Die
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Anschaffung eines Rollers lag für viele im Bereich des Möglichen und, wie es die
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Statistik belegt, machte man regen Gebrauch von dieser Möglichkeit. Gleichgesinnte
  
Im September [[1956]] eröffnete Grenchen sein neustes Wahrzeichen, das [[Parktheater]], mit verschiedenen Anlässen. Ein Bau von klarer Schönheit war entstanden. Kubische Formen gebrochen durch Diagonalen im Verbund mit warmen Baumaterialen: Backstein, Kupfer und im Innenraum Holz, viel Holz. Anfänglich oft verspottet als „Blöchlischopf“, zeigen sich heute, nach einem halben Jahrhundert, die Merkmale
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des klassischen Bauwerks: in der Proportion ruhende Dynamik, augenfällige Harmonie und Ausgewogenheit, Funktion und Aesthetik verschmelzen zur Einheit. Das [[Parktheater]] ist Grenchens Jahrhundertbauwerk!
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gründeten Rollerclubs, die neben der technischen Selbsthilfe auch Ausflüge, Reisen
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und gesellige Anlässe organisierten.  
  
Den Höhepunkt des Einweihungsprogramms bildete ganz eindeutig die Aufführung von Mozarts Zauberflöte am 19. September [[1956]], dargeboten vom Ensemble des Stadttheaters Bern. Mit dem [[Parktheater]] bietet Grenchen eine Plattform für Konzert-, Opern-und Theaterkultur auf hohem Niveau.
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Im Kanton Solothurn waren 1960 über 3000 Roller im Verkehr, schweizweit waren es
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sage und schreibe 96000, ein statistischer Höhepunkt!
  
Als Mehrzweckbau dient das [[Parktheater]] nicht nur der hohen Kultur, sondern auch den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Lebens der Uhrenstadt. Von Gemeinderatssitzungen, Vereinsanlässen, Modeschauen, Maskenbällen bis hin zum Kongress und zur internationalen Ausstellung reicht die Palette der Anlässe in seinen Räumen.
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Parktheater  
  
Der dauernd geöffnete Restaurantbetrieb des Parktheaters ist in Grenchen einer der beliebtesten Treffpunkte für breite Kreise der Bevölkerung.  
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Im September 1956 eröffnete Grenchen sein neustes Wahrzeichen, das Parktheater,
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mit verschiedenen Anlässen. Ein Bau von klarer Schönheit war entstanden. Kubische
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Formen gebrochen durch Diagonalen im Verbund mit warmen Baumaterialen:
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Backstein, Kupfer und im Innenraum Holz, viel Holz. Anfänglich oft verspottet als
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„Blöchlischopf“, zeigen sich heute, nach einem halben Jahrhundert, die Merkmale
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des klassischen Bauwerks: in der Proportion ruhende Dynamik, augenfällige
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Harmonie und Ausgewogenheit, Funktion und Aesthetik verschmelzen zur Einheit.  
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Das Parktheater ist Grenchens Jahrhundertbauwerk!
  
== Kinos  ==
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Den Höhepunkt des Einweihungsprogramms bildete ganz eindeutig die Aufführung
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von Mozarts Zauberflöte am 19. September 1956, dargeboten vom Ensemble des
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Stadttheaters Bern. Mit dem Parktheater bietet Grenchen eine Plattform für Konzert-,
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Opern-und Theaterkultur auf hohem Niveau.
  
Am Anfang des Jahrzehnts waren in Grenchen zwei Kinos in Betrieb: [[Kino Sirius | Sirius]] und [[Kino Palace | Palace]]. Popularität des Films, zunehmende Verfeinerung der Film-und Tontechnik in Verbindung mit der wachsenden Filmproduktion in den USA und im Nachkriegseuropa. waren wohl der Anlass, dass die Familie [[Erwin Ballabio]]-Baumann sich entschloss, in Grenchen ein weiteres Filmtheater zu eröffnen. Die gute Wirtschaftslage der Uhrenindustrie und der Bevölkerungszuwachs in Grenchen erleichterten den Entscheid zusätzlich. Mit dem Film „Don Camillo und Peppone“ eröffnet [[Erwin Ballabio]] im April [[1953]] das Kino-Theater [[Kino Scala | Scala ]] im [[Sorag]]-Gebäude  am Marktplatz in Grenchen. Der neue, ganz im Stil der 50er Jahre dekorierte Saalbau bot 479 Personen Platz, davon fanden 149 auf der leicht erhöhten Estrade
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Als Mehrzweckbau dient das Parktheater nicht nur der hohen Kultur, sondern auch
einen freien Blick auf Bühne und Leinwand. Im [[Kino Scala | Scala]] flimmerten nicht nur Hollywoods neuste Produkte über die Leinwand. Das Kino-Theater [[Kino Scala | Scala ]] verfügte über eine komplette Bühneneinrichtung und es fanden in den ersten Jahren nach der Eröffnung tatsächlich einige Theateraufführungen statt. So traten im [[Kino Scala | Scala ]] u.a. Fredi Schein und Rudolf Bernhard auf. Später jedoch, als ab [[1955]] in Grenchen der moderne Theatersaal des Parktheaters zur Verfügung stand, diente der [[Kino Scala | Scala ]]-Saal ausschliesslich für Filmvorführungen.  
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den Bedürfnissen des gesellschaftlichen Lebens der Uhrenstadt. Von
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Gemeinderatssitzungen, Vereinsanlässen, Modeschauen, Maskenbällen bis hin zum
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Kongress und zur internationalen Ausstellung reicht die Palette der Anlässe in seinen
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Räumen.  
  
Etwa fünf Jahre später, am 11. Dezember [[1958]], öffnet das vierte Kino in Grenchen, das [[Kino Rex | Cinéma Rex]], seine Pforten. Der grosse Saalbau neigt mit seinem geometrisch-
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Der dauernd geöffnete Restaurantbetrieb des Parktheaters ist in Grenchen einer der
geradlinigen Einrichtungsstil schon deutlich in Phase des Neofunktionalismus der späten 50er Jahre. Zur Eröffnung lief der Streifen „Duell im Atlantik“ mit Robert Mitchum und Curd Jürgens.
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beliebtesten Treffpunkte für breite Kreise der Bevölkerung.  
  
== Rock’n’Roll, Halbstarke, Spielsalon und Schlager  ==
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Kinos
  
Die Jugendlichen hatten Probleme im Ungang mit den tradierten Verhaltensmustern und Werten, die Elternhaus, Kirche und Schule vermittelten. In einer Realität zu leben, zu der diese Vorstellungen voll im Widerspruch standen, löste zum grossen Teil die Jugendrebellion aus. Halbstarkenkrawalle und ein Halbstarkenproblem gab es nicht in Grenchen. Jugendliche, die im Rock’n’Roll den Ausdruck ihrer Rebellion
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Am Anfang des Jahrzehnts waren in Grenchen zwei Kinos in Betireb: Sirius und
fanden, die sich entsprechend kleideten und benahmen allerdings schon. Die Grenchner Bevölkerung sprach sie auch als Halbstarke an.  
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Palace. Popularität des Films, zunehmende Verfeinerung der Film-und Tontechnik in
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Verbindung mit der wachsenden Filmproduktion in den USA und im
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Nachkriegseuropa. waren wohl der Anlass, dass die Familie Erwin Ballabio-Baumann
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sich entschloss, in Grenchen ein weiteres Filmtheater zu eröffnen. Die gute
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Wirtschaftslage der Uhrenindustrie und der Bevölkerungszuwachs in Grenchen
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erleichterten den Entscheid zusätzlich. Mit dem Film „Don Camillo und Peppone“
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eröffnet Erwin Ballabio im April 1953 das Kino-Theater SCALA im Sorag-Gebäude
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am Marktplatz in Grenchen. Der neue, ganz im Stil der 50er Jahre dekorierte
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Saalbau bot 479 Personen Platz, davon fanden 149 auf der leicht erhöhten Estrade
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einen freien Blick auf Bühne und Leinwand. Im SCALA flimmerten nicht nur
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Hollywoods neuste Produkte über die Leinwand. Das Kino-Theater SCALA verfügte
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über eine komplette Bühneneinrichtung und es fanden in den ersten Jahren nach der
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Eröffnung tatsächlich einige Theateraufführungen statt. So traten im SCALA u.a.
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Fredi Schein und Rudolf Bernhard auf. Später jedoch, als ab 1956 in Grenchen der
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moderne Theatersaal des Parktheaters zur Verfügung stand, diente der SCALA-Saal
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ausschliesslich für Filmvorführungen.  
  
Die neue Musik der Jungen, der Rock’n’Roll, galt als unzivilisiert und als „Negermusik“. Eine Musik, die von Moralisten und Bildungsbürgern unermüdlich mit Kriminalität und Gewalt in Verbindung gebracht wurde. Man war überzeugt, dass sich in den Spielsalons und in Lokalen, wo diese Musik zu hören war, nur lichtscheue Gestalten und Kriminelle herumtrieben. Attribute der Kleidung wie Blue Jeans,  
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Etwa fünf Jahre später, am 11. Dezember 1958, öffnet das vierte Kino in Grenchen,
Cowboy Stiefel und Lederjacke reichten, um sehr negativ eingestuft zu werden. Eine Schweizer Tageszeitung titelte: „Der Spielsalon ist das beste Lehrwerkzeug für zukünftige Verbrecher.“ Die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung liess sich unter dem Eindruck der Halbstarkenkrawalle in Deutschland ([[1956]]) sogar zu folgendem Satz verleiten: „Die Gefahr durch die Halbstarken ist schlimmer als die  
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das Cinéma REX, seine Pforten. Der grosse Saalbau neigt mit seinem geometrisch-
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geradlinigen Einrichtungsstil schon deutlich in Phase des Neofunktionalismus der
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späten 50er Jahre. Zur Eröffnung lief der Streifen „Duell im Atlantik“ mit Robert
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Mitchum und Curd Jürgens.
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Rock’n’Roll, Halbstarke, Spielsalon und Schlager
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Die Jugendlichen hatten Probleme im Ungang mit den tradierten Verhaltensmustern
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und Werten, die Elternhaus, Kirche und Schule vermittelten. In einer Realität zu
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leben, zu der diese Vorstellungen voll im Widerspruch standen, löste zum grossen
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Teil die Jugendrebellion aus. Halbstarkenkrawalle und ein Halbstarkenproblem gab
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es nicht in Grenchen. Jugendliche, die im Rock’n’Roll den Ausdruck ihrer Rebellion
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fanden, die sich entsprechend kleideten und benahmen allerdings schon. Die
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Grenchner Bevölkerung sprach sie auch als Halbstarke an.
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Die neue Musik der Jungen, der Rock’n’Roll, galt als unzivilisiert und als  
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„Negermusik“. Eine Musik, die von Moralisten und Bildungsbürgern unermüdlich mit  
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Kriminalität und Gewalt in Verbindung gebracht wurde. Man war überzeugt, dass sich  
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in den Spielsalons und in Lokalen, wo diese Musik zu hören war, nur lichtscheue  
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Gestalten und Kriminelle herumtrieben. Attribute der Kleidung wie Blue Jeans,  
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Cowboy Stiefel und Lederjacke reichten, um sehr negativ eingestuft zu werden. Eine  
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Schweizer Tageszeitung titelte: „Der Spielsalon ist das beste Lehrwerkzeug für  
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zukünftige Verbrecher.“ Die renommierte Frankfurter Allgemeine Zeitung liess sich  
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unter dem Eindruck der Halbstarkenkrawalle in Deutschland (1956) sogar zu  
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folgendem Satz verleiten: „Die Gefahr durch die Halbstarken ist schlimmer als die  
 
Atombombe.“  
 
Atombombe.“  
  
Im [[Sorag]]-Haus, links neben dem Kino [[Kino Scala | Scala ]] , befand sich der Eingang in den Spielsalon. Den gab es in Grenchen, eine kurze Zeit nur. Das Lokal besuchten die eben erwähnten „Typen“ und auch „normale“ Bürger, die Freude hatten an der modernen Musik der Jungen und Spass fanden an den paar Spielautomaten und der Jukebox die dort herumstanden. Die Schaufenster des Spielsalons waren aus  
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Im Sorag-Haus, links neben dem Kino SCALA, befand sich der Eingang in den  
Milchglas, um den Anblick dieser „Lasterhöhle“ nicht freizugeben. Schulbuben und Neugierige erhaschten dennoch ab und zu einen Blick durch die Türe, wenn ein Kunde ein-oder austrat.  
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Spielsalon. Den gab es in Grenchen, eine kurze Zeit nur. Das Lokal besuchten die  
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eben erwähnten „Typen“ und auch „normale“ Bürger, die Freude hatten an der  
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modernen Musik der Jungen und Spass fanden an den paar Spielautomaten und der  
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Jukebox die dort herumstanden. Die Schaufenster des Spielsalons waren aus  
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Milchglas, um den Anblick dieser „Lasterhöhle“ nicht freizugeben. Schulbuben und  
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Neugierige erhaschten dennoch ab und zu einen Blick durch die Türe, wenn ein  
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Kunde ein-oder austrat.
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Neben der Rock’n’Roll Musik, die sich in der Schweiz erst spät in den 50er Jahren
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durchsetzte, dröhnten die neusten deutschen Schlager aus dem Koffer-
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Plattenspieler. Die Jugend hörte Radio Luxemburg. Dort informierten sich die Teens
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über das neuste aus dem Show Business. Namen und Titel wie Freddy Quinn,
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Cornelia Froboess, Silver Moon, Sugar Baby, Peter Kraus, Rex Gildo sausten durch
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den Aether.  
  
Neben der Rock’n’Roll Musik, die sich in der Schweiz erst spät in den 50er Jahren durchsetzte, dröhnten die neusten deutschen Schlager aus dem Koffer-Plattenspieler. Die Jugend hörte Radio Luxemburg. Dort informierten sich die Teens über das neuste aus dem Show Business. Namen und Titel wie Freddy Quinn, Cornelia Froboess, Silver Moon, Sugar Baby, Peter Kraus, Rex Gildo sausten durch den Aether.
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Die seit 1956 erscheinende Zeitschrift für die Jungen hiess „Bravo“, ein ganz
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typisches Produkt der 50er Jahre. Die Marktforschung entdeckt die Teenager als
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potente Käuferklasse. „Bravo“ empfiehlt, welche Produkte in Mode sind und der
  
Die seit [[1956]] erscheinende Zeitschrift für die Jungen hiess „Bravo“, ein ganz typisches Produkt der 50er Jahre. Die Marktforschung entdeckt die Teenager als potente Käuferklasse. „Bravo“ empfiehlt, welche Produkte in Mode sind und der Schönheit dienen. Neben den Themen Film, Schlager, Musik, Kosmetik, Liebe und Flirten bringt „Bravo“ ganz langsam, vorsichtig auch Sexualität und Aufklärung in  
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Schönheit dienen. Neben den Themen Film, Schlager, Musik, Kosmetik, Liebe und  
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Flirten bringt „Bravo“ ganz langsam, vorsichtig auch Sexualität und Aufklärung in  
 
seine Inhaltsverzeichnisse.  
 
seine Inhaltsverzeichnisse.  
  
Neben der Freude an Stars und Schlager war die Grenchner Jugend gut integriert und motiviert, sich auszubilden in Beruf und Studium. Die aktive Mitgliedschaft in Vereinen und Jugendorganisationen war in den 50er Jahren eine Selbstverständlichkeit.  
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Neben der Freude an Stars und Schlager war die Grenchner Jugend gut integriert  
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und motiviert, sich auszubilden in Beruf und Studium. Die aktive Mitgliedschaft in  
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Vereinen und Jugendorganisationen war in den 50er Jahren eine  
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Selbstverständlichkeit.  
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== Einzelnachweis ==
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<references />
  
 
== Quellen ==
 
== Quellen ==
 
{{Quelle.FredFasnacht}}
 
{{Quelle.FredFasnacht}}
 
{{Einzelnachweis}}
 
 
[[Kategorie:Gesellschaftliches Leben]]
 

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