Ernst Hubacher

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Ernst Hubacher.jpg
Ernst Hubacher
* 7. August 1888 in Biel
† 1. Mai1963 in Bern
Pfarrer und Schriftsteller


Lebenslauf[Bearbeiten]

Hubacher wurde am 7. August 1888 in Biel geboren, durchlief dort die Schulen bis zur Maturität. Er studierte Theologie in Genf, Bern, Heidelberg, Berlin und Zürich. Seine erste Pfarrstelle trat er 1912 in Grenchen an, wo er mit den sozialen Kämpfen dieser Zeit hart konfrontiert wurde und sich vehement für die Benachteiligten einsetzte. Nach dem Generalstreik trat Pfarrer Ernst Hubacher 1919 der Sozialdemokratischen Partei bei. Dieser Entschluss brauchte in jenen Jahren für einen Mann seines Berufsstandes etlichen Mut. Hubacher sympathisierte mit der religiös-sozialistischen Bewegung rund um Leonhard Ragaz, dessen Schüler er war. Walter Lüthi schreibt im Nachruf auf Hubacher: "Angeregt durch Leonhard Ragaz, gehörte er zu denen, die früher als die meisten Zeitgenossen die Verpflichtung der christlichen Kirche dem damaligen Industrieproletariat gegenüber erkannten." In den Jahren 1916/ 17 gründete Hubacher die "Literarische Gesellschaft Grenchen". Es gelang ihm, Autoren wie Hermann Hesse und Jakob Bosshart für Lesungen nach Grenchen einzuladen. Ebenfalls im Jahre 1916 fand die Heirat mit Marie-Louise Tscherter aus Biel statt. 1918 erregte die Grabrede für Hermann Lanz grosses Aufsehen. Als reformierter Pfarrer amtete er von 19121922 in Grenchen.

Im Jahre 1922 wurde er, portiert von der sozialdemokratischen Richtung, ehrenvoll als Pfarrer an die Friedenskirche in Bern gewählt. Hubacher entfaltete eine reiche schriftstellerische Tätigkeit im Bereich Kirche, Kunst und Literatur. Er war sehr erfolgreich aktiv in der Jugendarbeit (Jugendgruppe PAX) wie auch als Religionslehrer. 1952 trat Hubacher in den Ruhestand, war jedoch weiter seiner Schriftstellerei verpflichtet. Während Jahren stellte er sich der Arbeiterbildungszentrale als Referent zur Verfügung. Pfarrer Hubacher litt an einer Augenkrankheit, die schliesslich zur Erblindung führte. Hubacher starb unerwartet am 1. Mai 1963, am Tag der Arbeit, im Alter von 75 Jahren.

Der bekannte Schweizer Bildhauer Hermann Hubacher (1885-1976) war Ernst Hubachers Bruder.

Aus Anlass der Enthüllung der Gedenktafel am 14. November 2008 für die Opfer des Generalstreiks 1918 in Grenchen entstanden folgende Texte im Gedenken an Pfarrer Ernst Hubacher:

  • Ansprache von Pfarrer Donald Hasler, Grenchen, anlässlich der Einweihung der Gedenktafel (14. Nov. 2008) für die Grenchner Opfer des Generalstreiks1918 ( PDF)
  • Rätus Luck: Pfarrer Ernst Hubacher und der Landesstreik 1918 ( PDF)

Nachruf[Bearbeiten]

Von Walter Lüthi

Am Mittwoch, 1. Mai, am Tag der Arbeit, ist Pfarrer Ernst Hubacher, von 1922 bis 1952 Seelsorger in der Friedenskirchgemeinde, zur ewigen Ruhe eingegangen. Beim Versuch, sein Wesen und Wirken darzustellen, drängt sich einem vorab die Erkenntnis auf, dass der Entschlafene den Rahmen des Gewöhnlichen in mehr als einer Hinsicht sprengte. Der Schlüssel zum Verstehen liegt hier in der grossen schlichten Tatsache der Menschwerdung Christi. Ernst Hubachers Sein und Tun ist undenkbar ohne den Erlöser, der bis zum Opfer am Kreuz die Welt liebt. Das erlösende Ja Gottes zu dieser Welt ist das Geheimnis der Freudigkeit, ja, Leidenschaft, mit der dieser reformierte Pfarrer das Humane liebte und die Welt bejahte. Bewusst in seiner Eigenschaft als Christ war Ernst Hubacher 'Weltmensch' vom Scheitel bis zur Sohle. Er verkörperte den Christenglauben, der nie weit genug draussen, nie tief genug drinnen in der Welt, nie 'weltlich' genug sein kann. Für Kultur im weitesten Sinn, für Fragen der Wirtschaft und Politik, aber auch für die Belange der Kunst, sei es Architektur, Bildhauerei, Malerei oder Literatur, es gibt überhaupt nichts Menschliches, wofür er sich nicht liebend und verstehend interessiert hätte. Und das wohlverstanden nicht im Sinne jener kulturprotestantischen Anbiederung an die Welt, sondern durchdrungen und gehalten vom Geheimnis der Person und des Werkes Christi.

Schon in der Industriegemeinde Grenchen, wo Ernst Hubacher vor, während und nach dem Krieg 1914/ 18 Pfarrer war, trat diese gute Weltlichkeit kraftvoll in Erscheinung. Dort tat er, inmitten schwerer sozialer Auseinandersetzungen (der Generalstreik forderte in Grenchen Todesopfer!) den Dienst am Wort. Ernst Hubacher auf der Kanzel – das war stets ein Ereignis, nie Leerlauf. Seine Predigten waren gedanklich befrachtet, sorgfältig in der Form und belebt durch das verhaltene 'feu sacré' des Beauftragten. Gerade so wurde er nie nur ein allgemein beliebter Kanzelredner, sondern erfuhr die Gnade des Widerspruchs und der notwendigen Anfechtung. Es war kein Abbruch am Pfarramt, sondern ein Ausdruck der die Welt einschliessenden Christusliebe, wenn der Prediger während seiner Grenchener Zeit die 'Literarische Gesellschaft' ins Leben rief, wo das Volk der 'Herren und Arbeiter' Gelegenheit hatte, neben Emil Schibli, Jakob Bosshart, Josef Reinhart auch Hermann Hesse zu hören. Und wenn sonst erfahrungsgemäss der Mensch von Kultur und Bildung gesellschaftlich eher nach oben neigt, dann war es bei Ernst Hubacher umgekehrt: Das Evangelium der Armen und Entrechteten gab seiner Verkündigung das Gefälle der Parteinahme nach unten. Im gleichen Sinn war er im Anfang seiner Berner Zeit an der Gründung des Bundes sozialistischer Kirchgenossen massgeblich beteiligt. Angeregt durch Leonhard Ragaz[1], gehörte er zu denen, die früher als die meisten Zeitgenossen die Verpflichtung der christlichen Kirche dem damaligen Industrieproletariat gegenüber erkannten.

In jungen Jahren war Ernst Hubacher stark beeindruckt von den Ideen Leo Tolstojs und Mahatma Gandhis. Gandhi begegnete er bei Anlass seines Schweizer Aufenthaltes persönlich; den Privatsekretär Tolstojs beherbergte er einmal vorübergehend im Pfarrhaus. Diese weltweiten Ideen führten bei Ernst Hubacher zuletzt immer auf Christus hin; stets war ihm Christus und sein Reich das erstrebenswerte und richtungsgebende Endziel. Die eingehende Beschäftigung mit der Christusbotschaft, wie sie Karl Barth geschenkt ist, brachte hier bei ihm und manch anderem von uns eine bedeutsame Wendung. Von dieser Zeit an wurde ihm Christus zum A und zum O. Wenn in jungen Jahren sein Denken und Handeln von der Welt her zu Christus hin strebte, dann fing von jetzt an sein Tun und Lassen mit Christus an, um dann von Christus her bis an die Enden der Welt sich auszuwirken. Einst ging die Bewegung von der Peripherie zum Zentrum hin, jetzt vom Zentrum bis hinaus an die Peripherie. Der Glaube an Christus, der beides ist, Anfänger und Vollender, Start und Ziel, machte den alten Hubacher nicht bequemer, wohl aber getroster und geduldiger.

Bei alledem trug der Verstorbene einen Pfahl im Fleisch: Seine frühe Erblindung. Was er diesem Leiden abrang, stellte man staunend fest, wenn man ihn, den Sehbehinderten, über die Werke Michelangelos, Holbeins, Rembrandts, Breughels oder van Goghs referieren hörte. Ueberhaupt ist zu sagen, dass die Erfahrung der eigenen Hilfsbedürftigkeit seiner Arbeit, besonders auch als Seelsorger, in keiner Weise abträglich war, im Gegenteil: Der selber auf Hilfe Angewiesene durfte helfen, helfen oft schon dadurch, dass er zu Hause anzutreffen war. Die Gabe des Zuhörens und der Einfühlung in fremdes Geschick war ihm in hohem Masse geschenkt. Auch den Zugang zur Jugend vermochte sein Gebrechen nicht zu beeinträchtigen. Die Ehemaligen der Jugendgruppe 'Pax' sind ihrem langjährigen Leiter dauernd in dankbarem Gedenken verbunden. Bis in die Letzten Lebenstage hinein schöpfte der Unermüdliche aus dem Schatz seines Wissens die Artikel für die Evangelische Wochenschrift 'Leben und Glauben'. Die 'Theologische Arbeitsgemeinschaft des Kantons Bern' verliert in ihm ein gesinnungstreues Mitglied.

Am letzten Mittwoch nun, um 11 Uhr vormittags, schenkte der Herr über Leben und Tod dem Fünfundsiebzigjährigen, der an der Schreibmaschine arbeitete, durch eine Herzschwäche den gnädig raschen Abschied von der Welt, die er mit seinem leiblichen Auge schon viele Jahre nicht mehr sah, aber mit seinem Herzen liebte. Seiner Weggefährtin, die ihn in beispielloser Hingabe auf Schritt und Tritt begleitete, und seinen Kindern spricht sein Freundeskreis und eine mittrauernde Gemeinde ihr aufrichtiges Beileid aus. Er aber, der hier ganz besonders schmerzlich nur stückweise sah, wird nun, nach unserer begründeten Hoffnung, 'schauen von Angesicht zu Angesicht'.

Quellen[Bearbeiten]

  • Keller, Willy, O.E. Strassser und Alfred Wirz: Friedenskirchgemeinde Bern. Chronik. 3 Bde. Bern, ca. 1953 - 1984. (Typoskript)
  • Keller, Willy: Bibliographie Ernst Hubacher, 1888-1963. - Bern, 1973. [Erscheint zum 10. Todestag am 1. Mai 1973]
  • Küffer, Georg: Ernst Hubacher [Nachruf]. Berner Schulblatt v. 29. Juni 1963. - Bern, 1963. S. 246-247.
  • Lüthi, Walter: Ernst Hubacher. Mensch, Prediger, Seelsorger. [Nachruf]. 'Der Bund' vom 5. Mai 1963, Sonntagsausgabe.
  • Berner Tagwacht vom 3. Mai 1963 [Nachruf Hubacher]

Einzelnachweis[Bearbeiten]