Erinnerungen eines Eta-Arbeiters

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Bemerkungen zum Text

Gschwinds Sprache wohnt gestalterische Kraft inne. Eindrücklich sind seine treffenden, klaren Beschreibungen und seine Erklärungen komplexer Abläufe und Zusammenhänge aus der Arbeitswelt der Uhrmacherei. Zwei Beispiele:

Das Manövrieren der Züge nahm uns gefangen. So eine Lokomotive mit Dampfbetrieb wurde von uns mit grossem Interesse bestaunt und wir gingen neben der manövrierenden Maschine einher um das Räderwerk, welches sich in Bewegung befand, gründlich zu studieren. Wenn der Kondukteur pfiff, so setzte der Lokomotivführer, nachdem er auch mit einem schrillen Pfiff geantwortet hatte, die Maschine durch Ziehen eines Hebels in Bewegung. Zuerst zischte und ächzte es, dann ging ein mächtiger Schnauf durchs Kamin, die Kolbenstangen setzten sich in Bewegung, zuerst langsam, dann immer schneller bis der Kondukteur mit Pfeiffen das Haltsignal gab. Wieder zischte und ächzte es und allmählich ging die Maschine langsamer bis sie ganz stillstand. Dies wiederholte sich etliche Male bis das für Grenchen bestimmte Transportmaterial ausgeladen war.

Diese Ausstanzerei war eine ziemlich gefährliche Arbeit. Es fehlte jegliche Schutzvorrichtung und der betreffende Arbeiter musste während der Arbeit die Sinne beisammenhalten. Wie schnell war ein Finger weg! Auch war noch keine Schaltvorrichtung und er musste den Streifen von Hand auf die entsprechende Distanz nachziehen, nicht zu wenig, sonst gibt es unganze Stücke, aber auch nicht zu viel, um nicht unnötig Messing zu verschwenden.

Während der elektronischen Texterfassung stieg meine Achtung vor Gschwinds Texten zusehends. Es ist mir deshalb ein Anliegen, den Text möglichst unverändert zu lassen in Rechtschreibung, Grammatik und Interpunktion. Die Eigenheiten des Textes unterstützen dessen Aussagekraft, Gschwinds Persönlichkeit als Erzähler tritt plastischer in Erscheinung.

Textkorrekturen nahm ich nur an verständniskritischen Stellen vor und setzte die Änderungen in eckige Klammern [ ]. So bleibt der ursprüngliche Wortlaut ersichtlich. Direkt angepasst habe ich einige Eigennamen aus der Weltgeschichte.

Alfred Fasnacht, 2005.

Erinnerungen eines ETA-Arbeiters

Jugendjahre

Einleitung

Es war schon längst meine Absicht, etwas über meine Vergangenheit, das heisst über die sogenannte gute alte Zeit zu schreiben. Mein 40 jähriges Dienstjubiläum in der Eta, wo ich von meinem verehrten Patron, Herr Dr. R. Schild, sowie von den Vorgesetzten und von meinen Kollegen und Kolleginnen in so reichem Masse geehrt, beschenkt und beglückwünscht wurde, gaben den endgültigen Anstoss dazu, sodass ich mich aus Dankbarkeit entschloss, mein schon längst geplantes Vorhaben in die Tat umzusetzen. Es ist aber durchaus nicht meine Absicht, meine Wenigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Der Zweck besteht darin, der Gegenwart in schlicht einfacher Form möglichst wahrheitsgetreu ein Bild der Vergangenheit aus meinen Jugendjahren und als Arbeiter in der Fabrik vor das geistige Auge zu halten.

Jugendjahre

Man zählte den 9. April 1886, als ich als einzig Kind in denkbar einfachsten Verhältnissen lebender Eltern das Licht der Welt erblickte. In der "Schmelze" droben, etwas unterhalb des "Bellevue", ein Holzhäuschen zum Wohnen äusserst primitiv eingerichtet, war mein Geburtsort. Die Beschäftigung meiner Mutter war zur selben Zeit das Uhrensteinbohren. Im Jahre 1889 trat die Mutter in die Fabrik U. Schild ein wo sie das Schraubenspalten erlernte. Damals war es Brauch, dass sämtliche Arbeiter und Arbeiterinnen eine bestimmte Lehrzeit, welche sich nach der Schwierigkeit der Partie richtete, absolvieren mussten. Die Lehrzeit meiner Mutter betrug 3 Wochen. Mein Vater war Gemeindeangestellter, seine Amtstätigkeit war das Anzünden und Löschen der Petrollaternen der öffentlichen Strassenbeleuchtung. Nebstdem musste er wöchentlich zwei Mal die Lampen putzen und nachfüllen. Diese Arbeit war an und für sich nicht gerade überaus anstrengend, musste aber bei jeder Witterung ausgeführt werden. Er erzählte mir viel interessantes aus Alt-Grenchen, wo es fast ausschliesslich nur Bauernhäuser mit Strohdächern gab, und von der Zeit, als noch kein Aarberg-Bielersee und Bielersee-Bürenkanal existierte (Juragewässer-Korrektion). Damals kam es öfters vor, so erzählte mein Vater, dass im Frühjahr wenn die Schneeschmelze infolge starken Föhnwind rapid zunahm, sodass das Aarebett die daherflutenden Wassermassen nicht zu fassen vermochte und das Wasser bis zur "Garnbuche" hinaufreichte, sodass somit die Einwohner von Staad gezwungen waren, mit dem Weidling nach Grenchen zu kommen.

Mag mich noch gut an Grenchen zu meiner Jugendzeit erinnern. Die Strohhütten waren bis auf zwei schon längst verschwunden. Dafür standen etliche Wohnhäuser mit Scheunen und Stallanbau, wo nebst der Fabrikarbeit die Landwirtschaft allerdings nur in beschränktem Masse betrieben wurde. Wenn die Eltern ihrer Arbeit nachgehen mussten, so war ich während dieser Zeit bei meinen Grosseltern an der Bachstrasse oder auch alte Bahnhofstrasse genannt. Der Grosseltern Wohnort war ein altes Bauernhaus mit einer alten gewölbten Rauchküche. Das Kamin fehlte, der Rauch musste sich seinen Weg selber suchen. Im pechschwarzen Gewölbe hängten die Bauern von ihrer Metzg Speckseiten, Hammen und Laffli auf zum Beräuchern. Alle Gegenstände wie Küchenschaft, Tisch, Kaffeemühle nahmen allmählich einen tiefschwarzen Farbton an. Am Abend, wenn die Grossmutter mit dem Zubereiten des Nachtessens beschäftigt war, wurde die Umgebung des Feuerherdes durch ein winzigkleines Oellämpchen notdürftig erhellt.

Wenn der Rauchqualm sich nicht verziehen wollte, musste die Grossmutter öfters ins Freie fliehen und die Augen abtrocknen. "Es wird wieder anderes Wetter geben, dass der Rauch nirgends hin will", sagte sie. Auf der andern Seite der Küche wohnte eine Familie Vinzens Schild aus Staad, welche vorher auf dem Berg eine Sennhütte gepachtet hatte. Die Familie bestand aus Vater, Mutter, 3 Töchtern und einem Sohn. Zwei ältere Söhne waren schon vor etlichen Jahren nach Amerika ausgewandert, wo sie sich als Käser anwarben. Durch ihre Tüchtigkeit und strebsamen Fleiss hatten sie mit der Zeit so viel Geld erübrigt, dass sie eine Farm kaufen konnten. Es ging gar nicht lange, so bereiteten sich die Eltern, von ihren Töchtern unterstützt, auf die bevorstehende Reise übers Meer vor. Der Vater zeigte auf einer Karte den Kurs den das Schiff einschlagen werde und so merkte ich 5jähriger Knirps, dass da etwas wichtiges gespielt wurde. Kisten und Kasten wurden vollgestopft und die Mutter wollte es einfach nicht anders, alles musste mitgenommen werden, denn an jedem Stück klebte eine liebe Erinnerung an die Heimat. Schliesslich war alles so weit gediehen, dass der gesamte verpackte Hausrat in den bereitstehenden Bahnwagen verladen werden konnte. Am Vorabend gab es noch eine Abschiedsfeier im "Ochsen", wo es noch so recht nach Grenchnerart gemütlich zuging. Am folgenden Tag begleitete eine grosse Menge Leute die Amerika Auswanderer nach dem Bahnhof. Auf allen Gesichtern war Traurigkeit und Wehmut abzulesen. Als der Zug sich dem Bahnhof näherte, stimmten die Mädchen der scheidenden Familie das bekannte Lied von Silcher an: "Morgen muss ich fort von hier und muss Abschied nehmen...". Aller Augen füllten sich mit Tränen. Indessen war der Zug schon lange abfahrtsbereit und wartete nur noch auf die Amerikafahrer. Als das Lied zu Ende war wurde eingestiegen. Ein Pfiff der Lokomotive und der Zug setzte sich in Bewegung; noch ein letztes Winken und eine liebe Familie war uns für immer den Augen entrissen. Da ich noch ziemlich jung war, konnte ich die Sache noch gar nicht recht begreifen. Erst als ich die öde leere Wohnung sah wurde ich so recht gewahr, was ich verloren hatte. War ich doch stets in ihrer Wohnung drüben, denn sie war mir so vertraut und es war heimelig, die Mädchen konnten so schön singen und wo gesungen wird, da war ich einfach daheim. Nebstdem war der Bruder ein guter Kamerad zu mir. Der Sebisli und der Fredi - übrigens später auch ein langjähriger Eterna Arbeiter sowie ich - der Dolfi waren so ein rechtes Trio und wir haben manches Bubenstücklein verübt. Jetzt waren halt nur noch der Alfredi und der Dolfi. Was macht jetzt wohl der Sebisli? war die Frage, die wir uns gegenseitig stellten. Nach einem halben Jahre bekamen die Grosseltern einen Brief aus Amerika worin stand, dass sie die grosse Reise gut überstanden hatten und dass alles gesund sei. Dass sie eine grosse Hühnerfarm mit 800 Hühnern hatten. Die Eier wurden allwöchentlich nach der Stadt befördert, die Stadt sei so weit abgelegen wie z.B. von Grenchen nach Zürich. Die Brüder seien fast immer auf den Pferden im Sattel, auch Sebisli unser Kamarad habe ein Pferd und könne schon ziemlich gut reiten. Zu Fuss komme man überhaupt nirgends hin, denn das Land sei fast so gross wie die Grenchner Witi. Unter den Knechten habe es auch Indianer. Die Mutter habe nichts zu tun als das Brot zu backen. Alles andere wird von der Angestellten besorgt. Dieser Bericht gab uns Buben reichlich Nahrung in der Fantasie. Quellwasser gab es keines, war im Brief angegeben, das Wasser musste mittels Windrad zum Boden herausgepumpt werden. Dorthin wollen wir auch einmal, war unser Losungswort. So weit ist es aber nie gekommen.

Schuljahre

Schulzeugnis von Adolf Gschwind

Langsam aber stetig rückte die Zeit heran, wo ich in die Schule gehen musste. Einesteils ging ich ja gern in die Schule, zum andern Teil aber wieder ungern, musste doch ein schönes Stück der goldenen Freiheit geopfert werden. Aber so schlimm war es nicht wie ich es vorstellte, lernte ich doch auf der Schiefertafel schreiben und in einem interessanten Büchlein lesen wo zum besseren Verständnis die Gegenstände bildlich festgehalten waren. Mit dem Rechnen liess man uns vorläufig noch in Ruhe. Die Lehrerin namens Marie Amiet war eine herzensgute Person und von allen Schülern geliebt und geachtet. Was aber eminent wichtig war für uns, wir lernten uns gegenseitig als Schulkameraden kennen. Grenchen zählte zu jener Zeit zirka 5'000 Einwohner. Im Schulhause Nr. 1 waren folgende Klassen Untergebracht: im Erdgeschoss Primarschule 1. Schuljahr, Abteilung A & B und das Naturalien Kabinett. Im ersten Stock das 2. Schuljahr, ebenfalls Abteilung A & B, ferner das Arbeitsschulzimmer. Im 2. Stock die Bezirksschule und das Zimmer für das 7. und 8. Schuljahr. Das Lehrpersonal bestand aus 4 Primarlehrerinnen, 1 Arbeitslehrerin, 9 Primarlehrern und 3 Bezirkslehrern.

Zwischen den Schulhäusern etwas nordwärts befand sich die sog. Pfarrmatte mit zahlreichen Apfelbäumen bepflanzt. In der Pause setzte es jeweils ein wildes Lärmen und Toben ab, wobei sich die Buben ab der Schmelze und von der Studen als wahre Wildlinge auszeichneten. Die Staader waren schon etwas zahmer. Im Frühling war während der Pause das sog. "Boleispiel" (Marmelspiel) tonangebend für die Buben. Die Mädchen übten sich im "Seilgumpen" (Seilspringen). Allzubald war die Viertelstunde vorüber. Die Glocke mahnte uns eindringlich an die Schularbeiten. Natürlich waren die Wildlinge immer die letzten, welche keuchend und ausser Atem die Schulbank aufsuchten. Im Sommer hörten Boleispiel (Marmeln) und Seilspringen auf und an deren Stelle traten die Fangspiele. Die Stilleren, zu welchen auch ich gehörte, machten kleinere Spaziergänge in der nächsten Umgebung. Im Herbst litten wir Tantalusqualen wegen der schönen zur Reife gehender Aepfel der Pfarrmatte. Es gab natürlich unter den Buben auch solche, welche dem Drange einfach nicht wiederstehen konnten und sich mit einem Steinwurf einen dieser prächtigen Aepfel herunterholten. Aber wehe dem, der dabei erwischt wurde. Dem wurde neben einer Tracht Prügel Gelegenheit geboten, im einsamen Keller einen halben Tag über den erbeuteten Apfel nachzudenken. Im Winter wenn Schnee gefallen war, kamen in der Pause die Schneeballschlachten; die Schüler vom alten Schulhause gegen diejenigen vom neuen. Die Kriegsparteien waren einander an Stärke fast ebenbürdig. Dem 3., 4., 5. & 6. Klässler vom neuen Schulhaus Nr. 2 standen die älteren Jahrgänge, das heisst die Bezirksschüler und die der 7. & 8. Klasse vom alten Schulhaus gegenüber. Der Kampf wogte hin und her, wurde aber jedesmal gegen Ende der Pause zur Entscheidung gebracht. Als ich in die zweite Schulklasse ging wurde im Sommer auch ein Jugendfest abgehalten. Den Auftakt hiezu gab ein Festumzug. Sämtliche Schulklassen waren daran beteiligt. Ein jeder Schüler und jede Schülerin hatten als Festzeichen ein schönes Blumensträusschen an der linken Seite der Brust. Der Festzug bewegte sich durchs Dorf und endigte in der Kirche, wo von allen Klassen je ein Lied gesungen wurde. Alsdann bestieg der Schulpräsident, Ammann Robert Luterbacher, die Kanzel und hielt eine schöne Festrede, in welcher er uns insbesondere eindringlich ermahnte, stets den Eltern zu gehorchen, damit es uns wohl ergehe und dass wir zu braven rechtschaffenen Menschen heranwachsen. Nach dieser eindrucksvollen Rede sangen sämtliche Schulklassen mit Orgelbegleitung das Lied "Mit dem Herrn fang alles an". Als dieser erste Teil vorüber war, zogen wir zu den Schulhäusern in die schattenspendende Pfarrmatte, allwo wir uns mit allerhand Spielen unterhielten. Zum Schluss gab es im Schulzimmer noch einen Imbiss bestehend aus Zuckerwasser, Brot und Wurst. Was aber der Gipfel der Freude war kam erst zuletzt, als die Lehrerin sagte: "So jetzt wäre also das Jugendfest zu Ende. Seid also recht brav, ihr habt ja gehört was der Herr Präsident in der Kirche gesagt hatte und jetzt geht ruhig heim und obendrein habt ihr noch 4 Wochen Ferien." Bei diesem Bericht wollte der Jubel, fast kein Ende nehmen.

O du goldene Ferienzeit

Die Schmiede in Grenchen.
Artillerie in Grenchen, ca. 1905.

Jetzt wo wir während Wochen und Monate an die Schulbank gefesselt waren, konnten wir die freie Zeit und insbesondere die Schulferien nicht hoch genug einschätzen. Für uns Buben gab es im Dorf immer etwas Neues zu entdecken. Da war zum Beispiel die alte Kiesgrube mit Schuttablagerungsplatz ausserhalb des Dorfes unweit vom Schulhause entfernt. Da gab es allerhand Interessantes zu tun. Die steilen haushohen Böschungen der Grube luden uns zu Rutschpartien ein, natürlich auf Kosten der Hosen. Am Abend, wenn wir mit zerrissenen Hosen heimkamen, gab es tüchtige Portionen "langer Käse" als Denkzettel. Dessen ungeachtet wurde natürlich mit der Rutschpartie am andern Tage weitergefahren. Irgendeiner begann und dann wollten wir andere natürlich nicht zurückstehen. Im Nu war dieser Sport im besten Gange. Dann gab es noch den Abfall, welcher aus ausrangierten Pfannen, Kesseln, Ofenrohre und sonst noch aus allerhand Geräten bestand, zu erlesen. Natürlich stopften wir unsere Hosentaschen mit all. diesen Kleinigkeiten voll. Nichts ist beständig auf der Welt, am allerwenigsten konnte uns Buben die Kiesgrube auf die Dauer interessieren.

Die alte Dorfschmiede, wo gerade das glühende Eisen geschmiedet wurde auf dem Amboss, lenkte bei unseren Dorfstreifzügen die Aufmerksamkeit auf uns. Hei, wie da glühende Funken beim Hammerschlag nach allen Seiten sprühten und dazu das melodische im Takt auf den klingenden Amboss Hämmern und den geeigneten Moment abpassen, um dann wieder wuchtig auf das Eisen loszuschlagen. Die Funken konnten dem Schmied nicht viel an haben. Er hatte zum Schutze seiner Kleider einen Schurz aus Leder umgebunden, ohne den wir uns keinen Schmied vorstellen konnten, denn er gab ihm die eigentliche Würde und das Ansehen seines Berufsstandes. Nicht minder interessant und romantisch war der alte Blasebalg, welcher von Hand gezogen werden musste. Er diente dazu, um das Feuer in der Esse zu schüren. Dann kam zuweilen ein Bauer mit einem Pferd, um dessen Hufe frisch beschlagen zu lassen. Natürlich musste der ganze Arbeitsgang von Anfang bis zum Ende von uns mit Spannung verfolgt werden. Gierig zogen wir den Rauch vom Horn des Hufes durch die Nase, wenn der Schmied dem Pferd das warme Eisen aufbrannte.

War dann auch diese "Gwunderkratte" gefüllt zogen wir zur Bahn hinunter. Da war wieder etwas zu bewundern. Das Manövrieren der Züge nahm uns gefangen. So eine Lokomotive mit Dampfbetrieb wurde von uns mit grossem Interesse bestaunt und wir gingen neben der manövrierenden Maschine einher um das Räderwerk, welches sich in Bewegung befand, gründlich zu studieren. Wenn der Kondukteur pfiff, so setzte der Lokomotivführer, nachdem er auch mit einem schrillen Pfiff geantwortet hatte, die Maschine durch Ziehen eines Hebels in Bewegung. Zuerst zischte und ächzte es, dann ging ein mächtiger Schnauf durchs Kamin, die Kolbenstangen setzten sich in Bewegung, zuerst langsam, dann immer schneller bis der Kondukteur mit Pfeiffen das Haltsignal gab. Wieder zischte und ächzte es und allmählich ging die Maschine langsamer bis sie ganz stillstand. Dies wiederholte sich etliche Male bis das für Grenchen bestimmte Transportmaterial ausgeladen war.

Nun machten wir uns hinter den Güterschuppen, indem wir uns helfend ins Zeug legten, denn es gab da manchmal etwas zu naschen. Besonders waren abgebrochene Spitzen von Zuckerstöcken sehr willkommen. Kamen wir in den Besitz einer solchen Beute, da war uns der Schuppen Nebensache. Wir verzogen uns auf das Eichli gegenüber der Bahnlinie, wo wir die Beute teilten und aus Indianerbüchlein Geschichten erzählten. Ein anderes Mal streiften wir durch den Wald um Holz zu sammeln. Ein Jeder nahm ein Seil mit. Wenn wir das Holz zusammen hatten, machten wir eine Bürde und banden sie mit dem Seil fest zusammen. Dann nahmen wir den Vorderteil der Bürde auf den Rücken und schleiften es heim. Natürlich hatten wir grosse Freude, wenn es so recht Staub aufwirbelte.

In den Herbstferien war vielfach in Grenchen Militär-Einquartierung. Um diese Zeit absolvierte die Artillerie ihre Scharfschussübungen. Die Feldbatterie hier in Grenchen war gewöhnlich auf dem Platze oberhalb des Schlachthauses der Bahnlinie entlang parkiert. Die Soldaten hatten ihr Kantonnement in den Schulhäusern. Die Schiessübungen wurden auf dem Eichholzhügel abgehalten mit Zielrichtung gegen die Lengnauerwitti oder gegen den Büttenberg. Damals gab es noch keine Rohrrücklauf-Geschütze. Jede Batterie war mit 6 Kanonen bestückt. Beim Abfeuern der Kanonen wurden dieselben ziemlich unsanft aus ihren Stellungen gehoben und mussten wieder gegen das Ziel eingestellt werden.

Es ist selbstverständlich, dass wir Buben die Gwundernase zu vorderst haben mussten, um den Schiessvorgang genau zu beobachten. Ein anderes mal bei der Schiessübung machten wir uns so nahe an das Ziel als nur möglich und warteten auf das Signal "Endefeuer", das durch Hin- und Herschwenken einer weissen Fahne gegeben wurde. Dann gings im Laufschritt über Stock und Stein gegen das Ziel. Dasselbe war markiert durch Soldaten aus Karton, welche in den Boden gesteckt wurden. Uns waren vorläufig die Soldaten ziemlich gleichgültig. Vorerst wollten wir in den Besitz einer leeren Schrapnellhülse gelangen, dann erst prüften wir die Wirkung des Schiessens. Die platzenden Geschosse hatten die Erde aufgewühlt, die Zielscheiben waren durchlöchert wie ein Sieb. Die krepierten Geschosse lagen teils auf dem Boden, teils tief in der Erde. Siegesstolz kehrten wir mit den leeren Hülsen heim, wurden aber nicht gerade freudig empfangen, denn unsere Kleider trugen allzudeutlich die Spuren unseres Ausfluges. Im Herbst war auch die Zeit des Viehhütens. Am Nachmittag zogen wir mit den Kühen mit Glockenklang und Peitschengeknall auf die Weide. Zur Verhütung der Langeweile gab es da für uns immer etwas zu tun. Bekanntlich schmecken die verbotenen Früchte am besten. Eine dieser Früchte war für uns das Rauchen. Dazu im benachbarten Kartoffelacker einige Stauden ausreissen und die so gewonnenen Kartoffeln im Feuer schmorren zu lassen, war zur Abwechslung gar nicht so übel. Weiden ohne Feuer ist furchtbar langweilig. So trachteten wir stets ein Feuer zu unterhalten. Ein weiteres Betätigungsfeld war der Nachahmungstrieb, er spielt bei den Jungen immer eine grosse Rolle. War es da zu verwundern, dass wir kleine Kanönchen zusammenbastelten? Sie bestand aus einem Stück Holz und einer leeren Gewehrpatrone, welche wir kunstgerecht abfeilten und mit einem Zündloch versahen. Das nötige Pulver wurde auch zur Stelle geschafft. Wir waren vollständig zufrieden, wenn es beim Losfeuern krachte und nach Pulverdampf roch. Allzurasch ging die schöne Ferienzeit vorüber. Das schöne melodische Geläute der weidenden Kühe, der mahnende Herbst, das langsame Verwelken der Natur liess uns mit Wehmut an die vergangenen Zeiten zurückdenken.

Winterfreuden

In meiner Jugendzeit gab es noch Winter, die ihrem Namen alle Ehre machten. Der November fing mit Kälte an. Dann fing es an zu schneien, bis der Schnee eine Höhe von einem halben Meter erreichte. Der Schnee blieb volle 4 Monate liegen und wir konnten uns nach Herzenslust im Schnee tummeln und schlitteln, dass es eine Freude war. Von den Ski wussten wir so viel als nichts; dafür hatten wir Schlitten von allen Gattungen, vom kleinsten bis zum grossen Holzschlitten. Am Tage oblag die Jungmannschaft diesem gesunden Sport und wurde nach Feierabend von den Erwachsenen abgelöst. Bis um Mitternacht wurde diesem Treiben gehuldigt und oft musste die Polizei einschreiten, damit es endlich einmal Ruhe gab. Ende Februar, wenn der Föhn zu blasen anfing, machte er auch dem Schnee den Garaus.

Schneeglöcklein

Kaum ist der Schnee einigermassen durch den Föhnwind und die wärmenden Sonnenstrahlen gewichen, so streckte in dem heimeligen Staad in den Hofstätten das erste Blümchen "Schneeglöcklein" sein Köpfchen neugierig aus der Erde hervor. Wir entschlossen uns also einen Gang nach Staad zu unternehmen und das liebliche Blümlein zu pflücken und den Eltern als erster Frühlingsgruss zu überbringen. Der Weg nach Staad war zur selben Zeit von der Garnbuche weg auf der rechten Seite mit Pappeln bepflanzt, welcher dadurch der eintönigen Witiebene eine belebende, angenehme landschaftliche Abwechslung bot.

Die grosse Eiche

Staader Eiche.

In der Aare lag etwas oberhalb des Dörfchens gegen Reiben eine Rieseneiche im Wasser. Dieselbe hatte vor etwa 150 Jahren durch Unterspülung ihren Boden verloren. Bei niedrigem Wasserstand war sie gut sicht bar. In den 60er Jahren, so erzählte mir mein Vater, wurde von einer Unternehmung alles Mögliche angewendet, um die Eiche zu heben und ans Trockene zu fördern. Alles war aber umsonst. Neptun wollte um keinen Preis diesen Schatz hergeben. Dank moderner technischer Hilfsmittel ist nach 70 Jahren das Hebewerk doch gelungen und zwar von zwei Männern, welche als Arbeitslose damit eine Summe Geld einstecken wollten. Der Handel kam aber nicht so recht in Fluss und dieselben waren finanziell enttäuscht, sodass dieselben sich besser besinnen werden, bevor sie eine weitere Eiche aus der Aare ziehen. Diese Eiche, das heisst die dickste Stelle des Stammes wurde beim Kirchli auf einen Zementsockel gelegt und auf diese Weise der Besichtigung ausgestellt. Im Wasser hat sich das Holz sehr gut erhalten. Ob es an der Luft auch so bleiben wird, ist eine Frage der Zeit. Auf diese Weise ist Staad zu einer Sehenswürdigkeit gekommen.

Fürio es brennt

Es war im Jahre 1894, als mich mein Vater in der Nacht aus dem Schlaf weckte, denn es brenne. Ein Blick durch das Fenster und ich brauchte nicht lange zu fragen. Der Himmel schien in dunkelrote Glut getaucht, hin und wieder kamen Funken bis vor das Fenster. Es war ein schaurig schöner Anblick. Die Sturmglocken klagten und das Feuerhorn heulte unaufhörlich. Wo mag denn der Brandort sein? war die bange Frage. Es war gar nicht weit von uns, es war die Parquetterie, welche in Brand geraten war. Dieses Gebäude diente ursprünglich als Uhrenfabrik, welche später einging und einer andern Industrie Platz machte, nämlich dem Anfertigen von Holz für Parquettböden. Das Gebäude hatte zwei Stockwerke und ein Glockentürmchen. An dem grossen Holzlager, welches meist aus Hartholz bestand, hatte das Feuer ausgiebige Nahrung gefunden. Am Morgen war von dem Gebäude ausser dem Kamin, welches der grossen Hitze Stand gehalten hatte, nichts mehr übrig als ein rauchender Trümmerhaufen. Wunderbarerweise war das dicht anstossende Nebengebäude mit der Dampfmaschine und dem Kesselraum fast unversehrt. Die Fabrik wurde dann wieder aufgebaut und diente noch etliche Jahre der Holzindustrie, wurde dann in eine Zementbetonfabrik umgewandelt. Heute noch steht das alte Kamin aufrecht da als stummer Zeuge eines grossen Brandes.

Die alte und die neue Post

Die (ganz) alte Post an der Bachstrasse (1876).
Ebauchesfabrik Euseb Girard, Vorgängerbau (abgerissen 1894) der Alten Post. Die von den Buben eingschlagenen Fensterscheiben sind gut sichtbar.

Die alte Post stand unweit von der Bachstrasse. Ihre Räumlichkeit war so gross wie eine Stube. Oft habe ich meinen Gang dorthin gemacht, um einen Brief abzugeben oder Marken zu kaufen. War ein Zug fällig, so ging der Briefträger mit dem Karren die Bachstrasse hinab der Bahnstation zu, um die Briefe und Pakete der Bahnpost zu übergeben und um solche, welche für Grenchen bestimmt waren, in Empfang zu nehmen. Für die an der Bachstrasse wohnenden Leute war dieser karrenstossende Briefträger ein Merkzeichen: Der Postkarren kommt schon, es ist höchste Zeit für auf den Zug!

Nach und nach wurde diese Post zu klein und es musste für grössere Räumlichkeiten umgesehen werden. Die Wahl war schwer, denn die neue Post musste vor allem zentral gelegen sein. Schliesslich wurde das schwierige Problem der Platzfrage doch noch glänzend gelöst. Ein hiesiger gewerblicher Verein kaufte den Platz da wo sich Kirchstrasse und Centralstrasse trennen hinter dem Löwen. Früher stand dort die Zehntenscheune welche niedergerissen wurde und an dessen Stelle kam eine Uhrenfabrik, an welche ich mich noch ganz gut erinnern kann. Dieser Platz mit der darauf stehenden Fabrik wurde also von dem erwähnten Verein erworben. Die Fabrik wurde abgetragen. Als diese von den Mobilien und Maschinen geräumt war, konnten wir Buben nicht mehr gehalten werden. Sämtliche Fenster wurden mit Steinen eingeschlagen, die kleineren hatten ihre Ziele bei den Parterrefenstern, die grösseren bei dem ersten und zweiten Stock. Im Nu war keine ganze Scheibe mehr vorhanden.

Wurfmaterial gab es damals genug, wurden zur selben Zeit die Steine noch nicht von der Dampfwalze in den Boden gedrückt. Alsbald kamen Männer um eine Gleitbahn zum Herunterlassen der Ziegel zu erstellen und nun konnten die Abbrucharbeiten beginnen. Nach etlichen Tagen war nicht mehr viel von der Fabrik zu sehen. Der Boden, auf dem das Fundament erstellt werden sollte, erwies sich als zuwenig widerstandsfähig infolge Grundwasser. Es mussten Pfähle in den weichen Boden gerammt werden. Das ging zur selben Zeit noch folgendermassen zu: Es wurde ein Gerüst von 3 Stangen pyramidenförmig aufgestellt. In diesem Gerüst war ein massiver schwerer Holzklotz, welcher durch zehn Männer in die Höhe gezogen wurde, um dann mit voller Wucht auf den Pfahl fallen zu lassen. Dieser Arbeitsgang wurde so lange wiederholt, bis sich der Pfahl nicht mehr weiter in den Boden treiben liess. Der Vorarbeiter gab das Kommando mit einer tiefen Basstimme Achtung! Dann folgt ein Schlag, dann zwei bis zwanzig, dann gab es wieder eine kleine Ruhepause, um dann wieder von neuem zu beginnen. Das war für uns Buben eine Augenweide wo wir uns so recht ergötzen konnten. Diese Arbeit dauerte zirka 14 Tage, dann erwies sich der Boden als fest genug, um das Fundament zu erstellen. Langsam aber sicher wuchs der schöne Bau unter den Händen der braunen Söhne des sonnigen Südens in die Höhe. Damals gab es noch keine Baumaschinen wie z.B. Aufzüge, Hebekräne, Mörtelzubereitungsmaschinen. Alles musste von Hand getan werden. Die Pflasterbuben mussten dafür besorgt sein, dass der Maurer immer genügend Material in seiner Multe und genügend Steine zum Bauen am Arbeitsplatze hatte. Ging der Mörtel zur Neige, so wurde vor dem Bauplatz auf einem mit Holzlatten erstellten Podium ein Haufen Sand zurecht gemacht, mit einer Schaufel wurde ein Krater in den Haufen gestochen, Zement hineingeleert und dann mit Wasser bespritzt. Jetzt kam Leben in die Männer, die den Haufen tüchtig mit Schaufeln untereinandermengten, bis der Brei die richtige Dicke hatte. Der Aufstieg zur Baustelle wurde durch schräg gestellte Latten hergerichtet. Um das Ausrutschen zu verhindern wurden in regelmässigen Abständen Leisten angenagelt.

Zur selben Zeit wurde als Baumaterial der Jura-Kalkstein verwendet. 'Nur die Zwischenwände wurden aus gebranntem Ton, bestehend aus regelmässigen mit Löchern versehen, wie man selbe jetzt zu sehen bekommt, gemauert. Die Kalksteine mussten durch Arbeiten (Steinhauer) auf der Bau stelle in eine einigermassen regelmässige Form geklopft werden. War das Gebäude unter Dach, so wurde noch mit dem Aussenverputz zirka 1/2 Jahr zugewartet, damit sich die Mauer genügend austrocknen konnte. Die neue Post hatte auf der Südseite als Zierte kunstvoll gehauene Sandsteine und es musste mit deren Platzierung äusserst vorsichtig umgegangen werden. Endlich war das Gebäude vollendet und es gab der Umgebung ein schönes Gepräge. Vom Türmchen aus gingen die Telephonleitungen nach allen Himmelsrichtungen, da im gleichen Gebäude das Telephon- und Telegraphenamt untergebracht waren.

Fahrendes Volk

Zu meiner Jugendzeit kamen von Zeit zu Zeit auf ihrer Wanderung viel fahrendes Volk in unser Dorf, um durch ihre Kunststücke ihr Auskommen zu finden, indem sie für ihre geleistete Arbeit um entsprechende Almosen baten. Mag mich noch gut an sog. Dudelsackpfeiffer, etwas wilde Gesellen, erinnern. Ihre Füsse waren mit Tüchern umbunden. Ihre Musik, die sie dem aufgeblasenen Dudelsack entlockten, war so eine Art Schalmeimusik (Hirtenmusik genannt). Vor dem Spiel bliesen sie den Sack voll Luft und nun konnte die Musik losgehen. Durch eine angebrachte Flöte wurden verschiedene fremdartige Melodien ausgelöst. Es wurde aber viel mehr die Eigenart des Instrumentes bewundert als die Musik selbst. Ab und zu berührte auf ihrer Wanderung eine Truppe mit ihren Kamelen und Affen sowie einer Ziege unsere Ortschaft, um ihre Kunst auszuüben. Auf, verschiedenen Plätzen fanden die Vorführungen statt. Der Führer, eine Trommel wirbelnschlagend, erklärte, indem er das Kamel im Kreise herum führte, das Tier und dessen Verwendung. in der Wüste. Dann befahl er dem Tier, sich auf den Boden zu legen um so einen abenteuerlustigen Buben auf den Rücken zu nehmen. Dann kam die Ziege an die Reihe. Sie musste als Kunststück auf ein Gestell klettern, wo sie auf einer kleinen Fläche kaum ihre Füsse platzieren konnte. Zur Kunstentfaltung musste die Ziege abwechslungsweise ein Bein und zuletzt die beiden Vorderbeine in die Höhe heben. Die Schlussnummer hatte dann das Aeffchen. Auf einem Pony reitend musste es mit einem Sabel exerzieren, Butter schlagen, Oergeli spielen. Ein Mann dieser Truppe war dann immer inzwischen besorgt, dass reichlich Geld einging, was eigentlich für die Truppe die Hauptsache war. Dann kam wieder ein Spielmann. Vorn hatte er eine Handorgel, auf dem Rücken eine Pauke, auf dem Kopf ein Glockenspiel, hinten an der Pauke ein Triangel, sodass Arme, Beine und Kopf musikalisch in Anspruch genommen wurden. Der Mann vereinigt in sich ein kleines Orchester. Wenn das Spiel begann, so war dieses sehr interessant. Bald musste die Pauke einsetzen, dann kam das Glockenspiel daran, dann der Triangel. Dieser Mann wurde von uns Buben sehr bewundert und bestaunt.

Ein anderes Mal kam eine Truppe welche, sich am Trapez und auf dem Seil künstlerisch produzierte. Vater Ludwig Knie mit seinen Buben sind mir noch in sehr guter Erinnerung. Das hohe Seil bestieg Vater Knie wegen des vorgerückten Alters nicht mehr. Diese Kunst besorgte der ältere Sohn Friedrich und sein Cousin in höchster Vollendung. Auch der Humor kam auf dem grossen Seil zur Geltung in den Nummern. So bereitete der Koch auf dem hohen Seil eine Omelette zu oder eine 90 jährige Grossmutter trägt den Knie über das hohe Seil. Dieses Kunstwerk wurde nur von einer Person ausgeführt. Im Sack über das hohe Seil war auch eine Zugnummer. Der Künstler wurde in einen Sack gesteckt, oben zugebunden, die Arme wurden frei gemacht. zum Halten der Balancierstange. Mitten auf dem Seil machte er dann einen Trick, indem er strauchelte, natürlich absichtlich. Ein Schauer der Angst ging dann durch die Menge. Des Nachts bildete dann eine Besteigung des hohen Seils mit Abbrennen eines Brillantfeuerwerks den Abschluss. Das kleine Seil war nicht minder interessant. Im Takte wurde da auf dem Seil getanzt nach allen Regeln der Kunst. Daher stammt der Name Seiltänzer. Papa Knie wagte sich noch auf das kleine Seil um eine Nummer auszuführen. Er exerzierte mit geladenem Gewehr und machte damit verschiedene Übungen, brachte dasselbe schliesslich zum Anschlag. Wenn der Schuss krachte, war das Kunststück zu Ende.

In der freien Zeit weilte ich öfters bei der Familie Knie und spielte Lotto mit den Brüdern, welche so ziemlich in meinem Alter waren. Da bekam ich einen Einblick in ihr Familienleben. Alle waren so nett mit mir. In ihren Wohnräumen herrschte die peinlichste Ordnung. Der Vater war streng mit den Buben und die Mutter war sehr besorgt um ihre Kinder. Dies alles hat einen unauslöschlichen Eindruck auf mich gemacht. Die Romantik der fahrenden Künstler gehört jetzt so ziemlich der Vergangenheit an. Den Gebrüdern Knie ist es aber gelungen, durch Übernahme eines grösseren Zirkusunternehmens die noch bestehenden Überreste der Romantik in die neue Zeit hinüberzuretten.

Das Institut

Frau Breidenstein, Leiterin des Instituts Breidenstein im Bachtelen.

Im Frühsommer, wenn die Erdbeeren im Walde der Reife entgegengingen, zog es mich mit aller Macht in den Wald. Der Weg führte mich bei dem einstigen Institut vorbei. Schüler, Zöglinge genannt, aus allen Herren Ländern wurden hier ausgebildet. Dieses Institut Bredenstein war sehr schön gelegen. Ein Bach hatte das Gelände in hunderten von Jahren in ein liebliches kleines stilles Tal mit üppig grünen Wiesen zurechtgeformt.

Am Ausgang dieses reizenden Tälchens lag das Institut hinter Tannen versteckt. Was auffiel war die musterhafte Ordnung in den Anlagen rund um die Gebäulichkeiten. So bin ich auch einmal vom Walde zurückkehrend dort still gestanden und schaute zu, wie sich die Zöglinge über einen frühreifen Kirschbaum hermachten. Auf einmal spürte ich, wie mir von hinten die Schnur zu meinem Erdbeerkrättli gelockert wurde. Im Nu war mein zwar ohnehin spärlich mit Erdbeeren gefüllter Kratten verschwunden, um aber in kürzester Zeit gefüllt von den schönsten Kirschen wieder umgebunden zu werden. Na, es gibt unter den Zöglingen auch gute Menschen, mögen wohl meine Gedanken gewesen sein. Die Leiterin des Institutes, Frau Breidenstein, war körperlich ein altes Mütterchen, aber geistig war sie eine hochgebildete Dame. Mit ihrer Tochter, ihrem Sohn und ihrem Schwiegersohn leitete sie mit Hilfe von Lehrpersonal nach dem Tode ihres Mannes noch viele Jahre das Unternehmen. Nichts entging ihren scharfen Augen. Wenn man sie weit weg glaubte, war sie plötzlich halt doch da. Frau Breitenstein wurde von den Zöglingen hoch verehrt. Der Geburtstag der Leiterin war immer ein grosser Festtag.

Als die Petrollaternen noch brannten

Geissweg, heute Bettlachstrasse, im Vordergrund eine Petrollaterne.

Wie schon eingangs erwähnt, war mein Vater Laternenanzünder von anno dazumal. Nun will ich auch noch etwas von diesem alten, jetzt schon längst dahingegangenen Beruf berichten. Damals waren die Laternen weitaus spärlicher gesetzt als heute. Nur wo es dringend nötig war, wurde so eine nächtliche Lichtspenderin aufgepflanzt wie z.B. bei Strassenkreuzungen, Wegabzweigungen und scharfen Kurven und namentlich beim Dorfbach. So waren z.B. von der Kirche bis zu oberst in der Schmelzi nur 10 Laternen anzutreffen. Diese Laternen waren auf zirka 2 m hohen gusseisernen Stöcken aufgeschraubt. Oben war ein Stab durch den Stock geschoben, um die Leiter daran anlehnen zu können. Wenn ich keine Schule hatte, bin ich am Tage mit dem Vater gegangen, um ihm beim Lampenputzen behilflich zu sein. Zum Gang an diese Arbeit legte mein Vater nicht gerade die schönsten Kleider an. Er band sich einen Schurz um, welcher eine grosse Tasche hatte, um darin die Putzlumpen zu versorgen; ausserdem nahm er noch 1 - 2 Reservegläser mit. Auf die rechte Schulter nahm er das unentbehrliche Leiterli und in die linke Hand die zirka 10 I fassende Petrolkanne. So ausgerüstet ging es an die Arbeit. Bei einer Laterne angekommen, holte er die Lampe herunter, füllte sie mit Brennstoff nach, reinigte sie mit einem Putzlappen, ebenso das Glas und den Docht; dann wurden die Scheiben der Laterne noch einer Reinigung unterzogen, die Lampe wieder hineingestellt und die Arbeit war getan. So ging es von Laterne zu Laterne bis die letzte in Ordnung gebracht war. Das war die Tagesarbeit als Laternenanzünder.

Die Nachtarbeit war schon anders. Sobald es dunkelte, machte sich mein Vater bereit. An Stelle des Schurzes wurde ein Lederriemen umgeschnallt, ein kleines Laternchen an den Gurt gehängt; an diesem Laternchen war ein kleiner runder Behälter angelötet mit etwas Benzin darin. Das ganze war eine sinnvolle, praktische Vorrichtung zum Anzünden der Laternen. Wurde eine Laterne angezündet, so ging das folgendermassen zu: Nachdem die Leiter bestiegen und die Laterne geöffnet war, so wurde der Behälterdeckel, an welchem ein kleines Schwämmchen befestigt war, abgenommen und zum Entzünden gebracht. Auf diese Weise war im Nu eine Laterne angezündet; mit Zündhölzer wäre es viel mühsamer und umständlicher gewesen, besonders wenn der Wind einem so recht um die Ohren pfiff. Nebst den Laternen mit Stöcken gab es noch einige, welche an gusseisernen Armen an Häuserecken angebracht waren. Den Standort der Laternen weiss ich nicht mehr genau und möchte deshalb nur noch solche erwähnen, welche mir im Sinn geblieben sind. Ich fange also damit beim Unterdorf an. Die unterste war an der Bahnhofstrasse etwas unterhalb des "Bad" und hatte die Aufgabe, durch das Fusswegli, jetzt Freie Strasse, zu zünden. Eine andere war oberhalb des Bad und beleuchtete die Einmündung der Schlachthausstrasse. Zirka 50 Meter weiter oben erhellte eine Laterne die Storchengasse und dann kam eine weitere Lampe, welche den Weg zur Breitengasse zeigte. An der Breitengasse war wieder eine Laterne, damit man nicht das Durchgangswegli nach der Bielstrasse fehlgehen konnte. Übrigens war auch das Fusswegli in der Mitte der Storchengasse mit einer Lampe versehen. An der Mauerecke des Bauernhauses Alfons Güggi war ein Arm mit Lampe angebracht welcher die Aufgabe hatte, die Strasse mit dem Bach zu beleuchten. Bei der Solothurnerstrasse war an dem Geschäftshause Girard ebenfalls eine Lampe auf einem Arm montiert. Um diese Lampe zu bedienen, musste man schon ziemlich schwindelfrei sein, denn tief unten rauschte der Bach. Im Mitteldorf waren folgende Laternen: Beim Löwen an der südwestlichen Ecke und eine hinter dem Löwen. Weiter westlich wurde die Strasse beim Rössli durch einen Armleuchter erhellt. Dann stand eine Laterne bei der alten Schmiede, hart am Bach, vor der Fabrik Eterna, wo jetzt der Werkhof steht, hinter der Fabrik Eterna beim Ökonomiegebäude, am alten Gemeindehaus, bei der alten Linde, beim Kirchenbrunnen, im sog. Eggen, beim Rislifritzenhaus (jetzt Bürgerhaus), bei Tschuy-Sperisen Regini, im Neuquartier, bei der Wirtschaft Binz (Traube) am Eckhaus der Däderizstrasse, beim Bierkeller zu oberst an der Mühlestrasse, zwischen den Mauern, beim Holzmagazin (jetzt Feuerwehrmagazin) bei der Fabrik Obrecht, bei der Einmündung der Bergstrasse und als Oberste die Laterne bei der Fabrik Baumgartner (früher Fabriggli genannt). Ferner waren noch Laternen an der oberen Mühle, südlich der Oele nordwärts gegen die Studen, oberhalb des Hauses Stüdi angebracht. Das waren so ziemlich alle Laternen. Diese haben ein ganz anderes Bild beleuchtet als die jetzigen. Da gab es hoch kein Trottoir. Noch ziemlich armselig an Gebäuden stand die Kirchstrasse da. So waren an der östlichen Seite aufwärts nach der Kirche nur 4 Häuser anzutreffen und auf der westlichen Seite etwa 10 Häuser ziemlich weit auseinander gelegen. Die Däderizstrasse war noch unbebaut. Mit dem Stand der Strassen war es noch einfach, nur die Dorfstrassen waren etwas gepflegt, das heisst sie wurden alle Jahre mit Grien beschottert. Das Indenbodendrücken wurde von den Fuhrwerken besorgt. Die Nebenwege wie z.B. das Däderiz waren Feldwege mit tiefen Geleisefurchen. So bin ich oftmals mit meinem Vater den Laternen nachgegangen und habe das alte Dorfbild noch in sehr guter Erinnerung.

Mit der Entwicklung der Industrie veränderte sich das Bild. Aus dem Dorf wurde eine Stadt mit Asphaltstrassen und Trottoirs. Die Strassenlampen sind schon längst verschwunden und an deren Stelle sind die elektrischen Lampen getreten und beträchtlich an Zahl vermehrt worden. Auch braucht es keinen Anzünder mehr. Fast ein Vierteljahrhurndert hat mein Vater und mein Grossvater die alten Laternen angezündet und gelöscht. Der Vater hatte immer die Tour die Kirchstrasse hinauf bis in die Schmelzi. Das Mitteldorf wurde vom Grossvater besorgt.

Das neue Kirchengeläute

Im Jahre 1890 erhielt die katholische Kirche, welche zur selben Zeit die einzige Kirche von Grenchen war, ein neues Kirchengeläute. Die alten Glocken, drei an der Zahl, waren mit Inschriften verziert und es waren dabei Namen von alten Grenchnern genannt, welche an der Spitze der Gemeinde gestanden hatten. Die grosse Glocke war gespalten und tönte nur noch wie ein altes Kessi. Das war der Hauptanlass, wieso die Anschaffung eines neuen Glockenspiels beschlossen worden war. Die alten Glocken waren in Langenthal gegossen worden. Sie hatten manchen Sturm erlebt wie der Einfall der Franzosen im Jahre 1798 etc. Im Jahre 1807 wurden sie in die neuerbaute Kirche platziert und versahen ihren Dienst bis die grosse Glocke einen Sprung bekam und ersetzt werden musste. Das neue Geläute bestand nun aus 4 Glocken. Auch diese Glocken waren mit Inschriften verziert. Auf der grossen Glocke stand: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen, die eines guten Willens sind. Auf der zweitgrössten, der sog. Betglocke: Gegrüsst seist du Maria, der Herr ist mit dir! Auf der dritten: Der gerechten Seelen sind in Gotteshand, nicht trifft sie der Todesstachel und endlich auf der kleinsten: Heilig, heilig ist Gott der Herrscharen. Auf allen vieren unten am Rande: Gegossen von Hermann Rüetschi in Aarau 1890. Seitdem ist ein halbes Jahrhundert verflossen. Zu den 4 Glocken sind noch 3 dazugekommen, sodass das Geläute nun aus 7 Glocken besteht. Im Jahre 1902 wurde eine neue Kirche an der Bielstrasse gebaut und im Jahre 1924, am 6. Januar, wurde die neue reformierte Kirche eingeweiht. Auch diese beiden Kirchen sind im Jahre 1927 mit neuen Glocken versehen worden, sodass Grenchen ein Glockenspiel von insgesamt 15 Glocken sein eigen nennt, welche alle Samstage gemeinsam abends 7 Uhr den Sonntag einläuten.

Grenchner Festleben

Die Freiheitsfahne, getragen von Adolf Gschwinds Grossvater. Die Fahne ist heute im Kultur-Historischen Museum Grenchen ausgestellt.

Zu meiner Jugendzeit liess Grenchen keine Festgelegenheit unbenützt vorüberziehen. Neben dem schon erwähnten Jugendfest gab es die Schützenfeste, die Sänger- und Musikfeste sowie die Turnfeste, die einander abwechselten. 1890 war ein sehr grosses Schützenfest. Der Festplatz befand sich damals zu äusserst an der Schützengasse. Um die Festgäste wirtschaftlich verpflegen zu können wurde eine geräumige Festhütte gebaut. In dieser fehlte das Podium nicht, von wo aus die feurigen und patriotischen Reden auf die zahlreichen Festteilnehmer losgelassen wurden. Der Festzug gestaltete sich in bunter Abwechslung, Turner in ihren Kostümen, die Gesangvereine voran und die Musik. Mein Grossätti musste mit einem Zeitgenosse aktiv mitwirken. Im Programm hiess seine Nummer: "Die Dorfältesten mit ihren Freiheitsfahnen." So trug mein Grossvater eine Fahne, auf der die Inschrift stand: "Vo Gränchä bi Gott". Die Fahne des Kollegen Joh. Tschui hatte die Inschrift "Balsthal 1830". So schritten die beiden alten Männer, die Fahne im Winde flatternd, stramm im Festzuge mit. Jeder hatte einen Strohhut an, geziert mit einem rotweissen Federbusch und Band.

Nach dem Festzuge, der auf dem Festplatze sein Ende nahm, wurde in die geräumige Festhütte Einzug gehalten. Die Kellnerinnen hatten jetzt eine riesige Arbeit, um die durstigen Teilnehmer durch Servieren zufriedenzustellen. Jeder Tisch war angeschrieben für den betreffenden Verein. Teller und Essgeschirr waren bereitgestellt. Nachdem sich der Lärm ein wenig gelegt hatte und die Leute einigermassen ihren Platz eingenommen hatten, begann das Auftragen des Mittagsbankettes. Auf jeden Tisch wurden 2 - 3 Schüsseln dampfende Suppe gestellt. Alsbald füllten sich die Teller und es begann ein Löffeln und ein Gesundheitanstossen mit den mit Festwein gefüllten Gläsern. Die Musik spielte einen flotten Marsch und die Feststimmung begann höher zu schlagen. Als der Marsch zu Ende war, gab es einen fast nicht enden wollenden Applaus. Ein Redner bestieg die Tribüne, hielt die patriotische Festrede und schloss dieselbe mit einem Hoch auf unser Vaterland. Die Feststimmung war inzwischen aufs Höchste gestiegen. Dem Weine wurde natürlich tapfer zugesprochen, indem unter den Schützenbrüdern neue Freundschaften geschlossen wurden. Nach und nach kam nebst der Suppe auch das übrige Essen, welches aus. Fleisch, Kartoffelstock und Salat bestand, auf den Tisch. Die Musik spielte wieder ein Stück, dann kam ein zweiter Redner dran und so ging es bis das Bankett zu Ende war. Auf dem Festplatz war auch noch eine Budenstadt aufgerichtet, Rösslispiel, Schiessbude, Wachsfigurenkabinett mit einer getrennten Abteilung „Nur für Erwachsene“. Auch ein Zirkus fehlte nicht. Dieser Zirkus machte auf originelle Art Reklame, indem er in der freien Zeit sämtliches Personal, Künstler, Clown, in ihren Trachten und Kostümen auf einem prächtigen Wagen durchs Dorf führte, auf verschiedenen Plätzen Halt machte, wo die Zirkusmusik spielte und dann der Direktor selber, so ein Zirkusoriginal mit Backenbart à la Jos. Strauss, eine kurze Propagandaansprache hielt.

Nach dem Bankett in der Festhütte begaben sich die Schützen in den nahen Schiesstand, um sich der ernsten Arbeit, der Schiesskunst, zu widmen. Das übrige Volk tummelte sich auf dem Festplatz herum und belustigte sich auf dem Budenplatz. Nichts ist beständig und wenn es auch ein hoch wogendes Fest ist, auch das nimmt ein Ende und macht dem grauen Alltag wieder Platz.

Am nächsten Morgen kamen die Zimmerleute mit Axt und Hammer, machten sich an die Festhütte heran, die Tische wurden wieder auseinandergeschlagen, das Rednerpodium, von wo aus vor etlichen Stunden noch so feurige patriotische Reden an die Festteilnehmer gehalten wurden, abgerissen und so verschwand eins ums andere, bis schliesslich nur noch ein grosser Haufen Holz und Latten von der ganzen Herrlichkeit zu sehen waren. Auch die Budenbesitzer legten Hand an zum Abbau ihrer Buden, welche wieder in ihre Wagen kunstgerecht verpackt wurden. Heute ist von dem Platz überhaupt nicht mehr viel zu sehen. An dessen Stelle sind nebst Häuser auch der Lagerhausplatz des Nordbahnhofes. Der Schiesstand ist abgerissen worden. Das Verbindungswegli vom Schiess- zum Scheibenstand ist verschwunden und hat einer breiten Strasse mit Trottoir Platz machen müssen. So ist alles dem ständigen Wechsel unterworfen und das mächtige Rad der Zeit dreht sich immerfort und steht nicht still.

Berufswahl

Auch meine schönen Schuljahre nähern sich dem Ende. Die zwei letzten Schuljahre bei meinem Lehrer Osk. Fluri sind mir sehr gut in Erinnerung. Nun kommt die grosse Frage an mich: Was soll eigentlich aus dir werden? Eigentlich fühlte ich mich noch gar nicht so geistig fortgeschritten um eine Lehre anzutreten sei es als Uhrmacher oder auch eine andere Beschäftigung. Die goldene Freiheit steckte mir noch allzusehr in den Gliedern. Mein Vater war der Meinung, eine Bürostelle wäre geeignet für mich. Mein Wunsch wäre dermaleinst ein richtiger Uhrmacher zu werden. Meine Mutter war aber nicht der gleichen Meinung. Kurz entschlossen liess sie mich in der Fabrik als Kommissionär einschreiben und da musste ich mich eines Tages beim Prinzipal vorstellen. So nahm ich also mein zaghaftes Herz in beide Hände und steuerte gegen das Büro der Fabrik. Beim Wächter, der die Türe zu öffnen hatte, bat ich um Einlass. Was ich denn eigentlich wolle, fragte mich derselbe. Als ich ihm meine Begründung mitteilte, hatte dieser nur so ein spöttisches Lächeln und tat mir die Türe auf. Ich trat hinein. Mein Mut und meine Hoffnung waren inzwischen um etliche Grade gesunken, als ich die Treppe hinaufstieg. Schüchtern klopfte ich an die Bürotüre. Ein kurzes "Herein!" ertönte aus dem Innern. Zögernd drückte ich auf die Türfalle und trat hinein. "Was ist Gutes?" sprach mich der Prinzipal Herr Hans Schild, der an einem kleinen Tischchen sass an. Als ich endlich unter ängstlichem Stottern mein Anliegen heraushatte, schaute er mich von unten bis oben an, schüttelte langsam und bedächtig den Kopf, indem er sagte: "Es tut mir sehr leid, aber du bist noch zu gering und schwach als Kommissionär." Er liess meine Mutter rufen und erklärte ihr ausführlich, dass ich halt doch noch zu klein sei dazu. Ich solle brav essen und turnen und dann wollen wir in einem Jahr sehen. Die Mutter war durch diesen Bericht sehr enttäuscht. Bald schaute sie den Prinzipal mit einem flehenden Blick an, bald traf ihr Blick voll Mitleid mich. Der Prinzipal sagte zu meiner Mutter: „Ja gute Frau, die Sache ist nicht so schlimm. Ihr Sohn wird gewiss den Knopf auftun. Also auf Wiederluege im nächsten Jahr“ und damit war die Sache abgetan. Für mich war dieser Misserfolg doch noch mit einem Hoffnungsschimmer durchleuchtet. Nun konnte ich mich noch für ein Jahr der goldenen Freiheit erfreuen. Es kam aber anders. Zu derselben Zeit erschien in der Zeitung ein Inserat wo ein Polissages-Atelier einen Kommissionär suchte und da war halt natürlich meine Mutter, die der Sache nachging und meine Anstellung bewirkte. Dieses Atelier befand sich an der Schützengasse in der gewesenen Pendentfabrik. Meine Tätigkeit bestand darin, in verschiedene, Fabriken fertige, das heisst polierte Arbeit zu bringen und zugleich wieder zum Verarbeiten in Empfang zu nehmen. So musste ich alle Tage einmal, öfters sogar zweimal nach Bettlach in die Uhrenfabrik Kummer. In der Zwischenzeit musste ich polierte Arbeit dutzendweise in Seidenpapier einpacken, mit dem Krug Wasser holen sowie dafür sorgen, dass sauberes Wasser vorhanden war zum Waschen der Hände und Arme und Arbeit waschen, wischen und aufräumen. Die Arbeit begann um 7 Uhr morgens bis 12 und nachmittags von 1 bis 7 Uhr und betrug also 11 Stunden. Dieselbe bestand aus Polissage Colimaçon (Fläche) und Gouche [Gouge] sowie Schraubenpolissages, welche Partie von der Meisterin gehandhabt wurde. Für diese Partie musste ich Schrauben in Plachen einstellen. Die Maschinen boten kein einwandfreies Aussehen mehr dar, an etlichen fehlten Schrauben und lotterten. Aber was tuts, wenn es nur ging. Auch die Arbeiter gehörten nicht der Elitegarde an und waren grösstenteils solche, welche in anderen Fabriken nicht mehr geduldet wurden. So kam es öfters vor, dass mehr getrunken als gearbeitet wurde. So batte ich auch öfters die zweifelhafte Ehre meinem Meister Branntwein zu holen. Dass derselbe nicht zu industriellen Zwecken verwendet wurde, leuchtete mir sofort ein. Eines Tages, es war schwül und heiss, liess der Meister ein Fass Bier auf den Estrich befördern und ich musste da den Boten spielen und die Arbeiter einer um den andern beten, sich auf den Estrich zu begeben. Dies alles geschah, ohne dass die Frau Meisterin etwas davon merkte. Nach einem Zahltag - er fand nur alle Monate statt - waren die Arbeiter sehr unzuverlässig. Entweder kamen sie gar nicht oder dann in betrunkenem Zustande. So musste ich auch nicht erschienene Arbeiter zu Hause holen. Die Meisterin hatte alle erdenklichen Schimpfnamen, so zum Beispiel "der Liebel, der faule Süffelhund kommt auch nicht und die Arbeit pressiert doch so". Hatte ich diesen zur Stelle gebracht, so flattierte sie ihm mit den Worten: “Es ist doch schön, dass du kommst, Gottlieb!" Ein anderer, den ich holen musste, nahm sich die Sache nicht so zu Herzen. Als ich an dessen Wohntüre vergeblich anklopfte, machte ich schliesslich die Türe auf, lief durch die Stube und traf denselben auf dem Balkon nur mit Hemd und Hose bekleidet gemütlich an der Sonne sitzend und eine Pfeife rauchend an. Als ich ihm die Botschaft mitteilte, er solle sofort ins Atelier kommen, denn die Arbeit sei pressant, erwiderte er ganz gelassen "nein, jetzt kann ich nicht kommen. Habe Rheumatismus, muss daher ein Sonnenbad nehmen. Vielleicht komme ich am Nachmittag." Ob sich der Arbeiter auch am Nachmittag dem Sonnenbade widmete? Kurz und gut, derselbe ist aber am Nachmittag auch nicht erschienen.

Wieder war ein Zahltag, da begab sich ein Arbeiter vor Feierabend wegen einer wichtigen Angelegenheit fort, wie er sagte. Als derselbe nicht mehr erschien, da wetterte und schimpfte die Meisterin nach Noten. Da sagte ein anderer Arbeiter, er wisse schon, wo sich dieser aufhalte. Er wolle ihm schon Beine machen und ihn holen und flugs war auch dieser verschwunden. Dass jetzt die Meisterin fest glaubte, der erste Arbeiter werde vom andern sofort zur Stelle gebracht, so hatte sie die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Auch der zweite Arbeiter blieb verschwunden. Da riss dem Vorarbeiter, der nebst der besseren Arbeit, wo man einigermassen nicht im Schmutz stand und die Büroarbeiten besorgte, die Geduld. Diesen zweien will ich den Meister zeigen, zog die Blouse über den Kopf und ging auf und davon. Nun atmete die Meisterin erleichtert auf und wartete und wartete. Es vergingen Stunden und kein Vorarbeiter mitsamt den weggelaufenen Arbeitern liessen sich blicken. Endlich, kurz vor Feierabend kam der Vorarbeiter, aber ohne die andern zwei und in welcher Verfassung: total betrunken! Diese Angelegenheit nahm ein jähes Ende, indem der Vorarbeiter sofort entlassen wurde. Dieser Vorarbeiter war sonst ein solider, stiller Mann und ich konnte gar nicht begreifen, dass dieser sich so plötzlich der Trunksucht ergeben konnte. Zum Besorgen der Büroarbeiten wurde ein Fräulein angestellt, doch die Büroarbeiten nahmen nicht so viel Zeit in Anspruch und nun musste sie auch die Kommissionen machen, denn an einer Maschine zu arbeiten schickte sich nicht für so ein Fräulein und so musste ich in den sauren Apfel beissen und auf einen Stuhl sitzen von 7 Uhr mogens bis 7 Uhr abends mit einer Stunde Unterbruch um die Mittagszeit. Diese Sache passte mir gar nicht in den Kram, erstens war das sehr langweilig und dazu wurde man dreckig wie ein Kaminfeger und obendrein noch der spärliche Lohn von 1 Franken im Tag. Meine Mutter jammerte, ich brauche ja mehr Seife um die Kleider rein zu waschen als ich verdiene. Am Samstag abend nach 7 Uhr musste ich zudem noch die Maschine des Meisters putzen und wurde erst gegen 9 Uhr damit fertig. “Das kann nicht mehr so weitergehen“, jammerte die Mutter „und jetzt gehe ich zum Prinzipal wegen einem Platz, und wenn es zuletzt nur das Schraubenspalten ist.“ Eines Tages sagte plötzlich die Mutter zu mir: „ So, jetzt kannst künden. Kannst neben mir schaffen vorläufig. Bin jetzt etliche Male auf dem Büro gewesen deswegen, bis der Herr Prinzipal ärgerlich sagte: Ja nun meinetwegen, so hört endlich mal das Gestürm auf.“ Am darauffolgenden Samstag habe ich also meinen Platz gekündet. Darauf gab mir der Meister zur Antwort, es sei schon recht, dass ich künde, sonst hätte er mir gekündet. Ob dieser Antwort erschrak ich nicht sonderlich, da er dies auch schon andern gesagt hatte. Er wollte sich mit diesem Ausspruch einfach nur einigermassen revanchieren. Jetzt sollte ich also noch 14 Tage dort bleiben laut Fabrikgesetz. 8 Tage darauf war gerade der monatliche Zahltag fällig und so konnte ich es einrichten, dass ich auf diesen Zeitpunkt diesem Geschäft endgültig den Rücken kehren konnte, worüber ich sehr froh war.

Erinnerungen eines ETA-Arbeiters

Der Eintritt in die Fabrik

Es war am 10. September 1901, als ich meinen ersten Gang zur Fabrik antrat. An der Seite meiner Mutter marschierte ich östlich der alten Schmiede das idyllische Bachwegli hinauf der Fabrik zu. Es war ein wunderbarer Herbstmorgen. Die Sonne hatte ihr stechend heisses Temperament abgetan und schien mit milder Wärme auf die Erdbewohner nieder. Dieses schöne Herbstwetter deutete für meinen ersten Gang auf einen guten Anfang. Bei der Fabrik angekommen wurden wir vom Portier durch Öffnen der Türe in die Fabrik eingelassen und so liefen wir durch den Gang in den Hof, dann die steinerne Treppe der hintern Fabrik hinauf. Im Gang hatte es neben jeder Zimmertüre auch noch ein Fenster, welches einen freien Blick in das Innere gewährte, wo man die Arbeiter an ihren Maschinen arbeiten sehen konnte. Meine Gwundrigkeit liess es natürlich nicht nehmen, bei diesen Fenstern stille zu stehen und die Arbeiter in ihrer Tätigkeit zu beobachten. Die Mutter rief mir zu ich solle doch jetzt kommen, denn ich könne den Betrieb noch genug sehen. Endlich war ich im oberen Zimmer angelangt, wo meine frische Tätigkeit als Schraubenspalter beginnen sollte. Bei meinem Eintritt drehte sich alles um, um mich frischen Ankömmling zu bestaunen und so musste ich manchem Gwunderblick spiessrutenlaufen. Einige nahmen mein Erscheinen von der komischen Seite andere, meist ältere lebenserfahrene Frauen hatten Mitleid mit einem so kleinen Knirps. An meinem neuen Platze angelangt sagte die Mutter zu mir: „So jetzt bist du wenigstens in einer rechten Fabrik. Du musst dich halt vorläufig neben mir gedulden, das weitere wird sich mit der Zeit machen.“ Sie schraubte mir den schon für mich bestimmten Stuhl in die entsprechende Höhe, ein kleines Stühli diente als Fussunterlage. Nachdem die Maschinen gerichtet und alles in Ordnung war, konnte die neue Arbeit beginnen. Es gab ein grosses Hallo und Gelächter unter den Arbeitern, als ich zum ersten Mal den hochgeschraubten Stuhl bestieg, denn es war für mich doch etwas ungewohntes, so hoch zu sitzen, aber mit der Zeit ging es ganz gut und niemand achtete sich mehr darnach. So eine Hexerei war die neue Partie gar nicht. Die zu spaltende Schraube war in das Formstück zu tun, welches sich in einem Hebel befand und dann den Hebel behutsam an die Fräse drücken, dann den Hebel wieder zurückziehen das war die ganze Kunst. Am Anfang war mir die Sache recht komisch vorgekommen. Den ganzen lieben langen Tag diese Arbeit verrichten war doch für einen jungen Kerl, wie ich einer war, einen harten Prüfstein. Nach und nach lebte ich mich in dieser neuen Partie ein und es gefiel mir wenigstens weitaus besser als das Polieren. Erstens war man da nicht so dem Schmutzigwerden ausgesetzt, zweitens wurden in der Fabrik täglich nur 10 Stunden gearbeitet und wenn ich einigermassen Fleiss hatte, so kam ich doch auch höher im Lohn. In der ersten Zeit haperte es aber mit dem Fleiss, denn es war da gar viel interessantes, welches mich von der Arbeit ablenkte. So waren es die Mitarbeiter und ihre Beschäftigung, bald stand ich hinter diesem, bald hinter jenem und schaute aufmerksam zu und es kam vor, dass mich die Mutter von meiner Neugierde wegholen musste, indem sie mich an meine Arbeit mahnte. Nach und nach war mein Gwunderkratten gefüllt und der Fleiss bei meiner Arbeit nahm allmählich zu.

Der Zimmerabteil, wo mein Arbeitsplatz war, war noch ziemlich leer und unbesetzt und erst allmählich wurde er von Arbeitern besetzt. Vorher war die Pignons-Abteilung hier untergebracht und von Arteitern dicht angefüllt, bis diese in einen Neubau an der Westseite umziehen konnten. Ursprünglich war dort ein Laden- Holz- und Kohlenschuppen mit anschliessender Schreinerwerkstatt und dieser wurde zur Aufnahme der Arbeiter der Pignonsbranche umgebaut. Die Schreinerwerkstatt wurde verlegt und hat heute noch den gleichen Standort an der Stützmauer des angrenzenden Gebäudes.

Es währte also gar nicht lange, so bekamen wir als vis à vis eine Serie Schneidemaschinen, ganz nagelneu. Mit einer Ölleitung wurden diese Maschinen gespiesen, damit die Stücke, welche darauf verarbeitet wurden, mit der Fräse einen schönen Schnitt und das heisslaufen derselben vermieden wurde. Nach und nach füllte sich das Abteil mit Maschinen und Arbeitern, so dass ein weiterer Neubau nicht mehr zu umgehen war. Dieser geplante zweite Neubau wurde also im Jahre 1902 Tatsache. Nun will ich zurück an meinen Arbeitsplatz, um von diesem noch verschiedenes zu plaudern.

Die Beleuchtung[1]

Nach einer kurzen Zeit meines Antritts fingen die Tage an Helle rapid abzunehmen. Der Spätherbst war vor der Türe. Mit Anschlag wurde bekanntgegeben, dass man die Petrol-Quinquets in Ordnung bringen solle. Diese Quinquets waren auf hoch oder niedrig verstellbar mit Brenner, Docht und Glas, über welches zum Abblenden ein grüner papierner Schirm gestülpt war. Es kam die Zeit, wo wir die Petrolgänggi anzündeten, um beim Arbeiten genügend Licht zu haben. Die Zeit wurde verschoben, das heisst am Morgen statt um 7 Uhr erst um halb acht Uhr, dafür aber erst 6 3/4 Uhr abends Feierabend. Vom Dezember bis Februar nochmals eine halbe Stunde von morgens 8 Uhr bis abends 7 1/4 Uhr, natürlich mit einem Unterbruch am Mittag von 12 bis 1 1/4 Uhr. Wegen Feuergefahr war es streng verboten, während der Lichtdauer nachzufüllen. Solche Arbeit musste am Tage vorgenommen werden. Ebenso war es streng untersagt, mit dem brennenden Gänggi ins Benzingemach zu gehen um Arbeit zu waschen. Wenn so gegen die hundert Gänggi brannten, so entstand nach und nach eine grosse Hitze im Arbeitszimmer. Sämtliche Oberlichter mussten geöffnet werden, um es einigermassen erträglich zu machen und man war froh, wenn es wieder gegen den Frühling ging.

Die Arbeitszeit

Die Uhrenfabrik Gebr. Schild war eine der ersten, welche die 10 stündige Arbeitszeit einführte. Im Sommer wurde um 7 Uhr mit Arbeiten angefangen. Eine Viertelstunde vorher wurde mit der Fabrikglocke das erste Zeichen geläutet. Die in der Nähe wohnenden Arbeiter konnten also noch ganz gemütlich in die Hosen schlüpfen, ein Tasseli Kaffee hinunter schütten und dann den alltäglichen Gang zur Fabrik antreten. Punkt 7 Uhr wurde mit ein paar Schlägen das zweite Zeichen gegeben. Fünf Minuten nach dem zweiten Zeichen wurde das Fabriktor endgültig geschlossen. Die Hausfrauen hatten das Recht, eine halbe Stunde später anzutreten und es war ihnen möglich, auf diese Weise ihre Hausgeschäfte zu erledigen. Es kam aber öfters an einem Montag vor, dass mehr Männer auf das Öffnen der Türe warteten als Frauen und das kam davon, dass sie vom vorangegangenen Sonntag zu viel Blei im Rücken hatten, welches das rechtzeitige Aufstehen sehr erschwerte. Diese wurden vom Portier aufgeschrieben und mussten Busse bezahlen. Die ganz Schlauen liessen sich nicht blicken, sondern warteten auf der Strasse bis die Türe aufging, um dann schnell durchzuschlüpfen und auf diese Weise der Busse zu entgehen. Der freie Samstagnachmittag war noch nicht eingeführt und war ein Arbeitstag wie ein anderer nur mit dem Unterschied, dass mit dem Arbeiten etwas früher Schluss gemacht wurde wegen Reinigung der Maschine und des Arbeitsplatzes. Im Winter blieb die Arbeitszeit die Nämliche nur mit dem Unterschied, wie schon einmal erwähnt, durch Späterverlegung des Arbeitsbeginnes am Morgen.

Der Antrieb der Maschinen

Zu dieser Zeit war es noch gar nicht lange her, dass der elektrische Betrieb eingeführt wurde. Wie bei allen Neuerungen, so hafteten auch bei der Elektrizität noch etwelche Mängel an. So kam es vor, dass in der Woche mindestens 3 Mal die Triebkraft versagte und die Transmissionsräder, wenn nicht gerade still, denn das Wasserrad versagte nicht, so doch so langsam liefen, dass ein Arbeiten. in diesem Schneckentempo einfach unmöglich war. Das Übel nahm gewöhnlich so um die Mittagszeit um halb elf Uhr seinen Anfang. Was war da zu tun? Das beste war halt einfach zu warten, bis in Hagneck droben der Strom wieder freigegeben wurde oder bis Bericht kam, wir sollen heimgehen und am Nachmittag wieder kommen.

Einmal trat das Übel am Nachmittag auf und es kam Bericht, dass eine grössere Reparatur vorzunehmen sei in Hagneck und infolgedessen die Kraft auf längere Zeit aussetzen müsse. So blieb uns nichts anderes übrig als wieder heimzugehen. Am nächsten Morgen wurde wieder mit Dampf gearbeitet. Die Dampfmaschine wurde in aktionsfähigen Stand gesetzt. Ich war natürlich sehr neugierig, wie das gehen werde am nächsten Morgen und mochte deshalb den nächsten Tag fast gar nicht erwarten. Der Tag brach an, der Dampfkessel wurde vom Heizer auf den nötigen Druck gestellt. Nach dem zweiten Einläuten fingen sich die Räder zuerst ganz langsam zu drehen dann immer schneller bis sie ein Höllentempo angenommen hatten. Ja, es machte einfach gerade den Anschein, als ob die Dampfmaschine sagen wollte "Na Elektrizität, ich will dir jetzt einmal zeigen, dass ich auch noch was leisten kann!" Nach 50 Minuten standen die Räder auf einmal stille um nach 10 Minuten Unterbruch wieder in Bewegung zu setzen. Dieses wiederholte sich stündlich bis zum Feierabend. Am nächsten Morgen trat ihre Rivalin wieder in Aktion, nämlich die mit der weissen Kohle. Jetzt erst wurde uns inne, wie schön ruhig und gleichmässig die elektrische Triebkraft war und wir mochten die auftretenden Störungen nicht mehr mit der Dampfmaschine tauschen. Mit der Zeit hörten die Störungen auf und die Dampfmaschine war endgültig erledigt.

Die alte Mechanik

Als ich so an der Maschine arbeitete, zerriss plötzlich der Treibriemen. Um denselben wieder zu flicken, musste ich ins Parterre hinunter, den Mechanikerlehrling holen und da bot sich mir Gelegenheit, dieses Abteil kennen zu lernen. Dieser Arbeitsraum, die Mechanik genannt, wurde von 6 niedern Fenstern spärlich erhellt und war düster. An jedem Fenster war eine kleine Drehbank, also auf der Ost- und Südseite. In der Mitte war eine grosse Drehbank, eine grosse Vertikal-Bohrmaschine und ein grosses Découpoir, auf der Westseite war die Esse und davor war der Amboss. Ferner waren noch die Schraubstöcke, Schleifstein und andere Hilfsmaschinen im gleichen Raum untergebracht. Dort arbeiteten 6 Mechaniker und 2 Lehrbuben. Die letzteren mussten alles mögliche machen, so z. B. auch die zerrissenen Riemen mit einem schmalen Riemlein wieder zusammennähen. Die Mechaniker waren in jeder Branche tüchtig und gewandt, sei es auf der Drehbank, an der Schmiedeesse oder am Schraubstock. Damals gab es noch keine Spezialarbeiter wie z.B. Fräser, Hobler oder Dreher. Ein jeder machte die Arbeit die ihm zugewiesen wurde von A bis Z fertig. Als sehr tüchtiger Mechaniker ist mir Vater B. Mauerhofer dauernd in Erinnerung, aus dessen Meisterhand so manche Maschine hervorgegangen ist. Er hat insbesondere durch Konstruktion und Verbesserung von automatischen Maschinen hervorragendes geleistet. Hauptsächlich hat er durch seine ruhige und schlichte Wesensart und seine friedfertige Gesinnung auf alle, die ihn kannten einen tiefen Eindruck hinterlassen. Von Vater Mauerhofer konnte man wirklich mit Recht sagen: "Ein Mann, ein Wort".

Der Zahltag

Zahltagscarnet der Eterna AG.

Regelmässig alle 14 Tage und zwar an einem Donnerstag wurden die Lohnauszahlungen vorgenommen und das auf folgende Art: Zuerst wurden vom Kommissionär die Zahltagscarnets ausgeteilt. Jedermann bekam sein Carnet, worin der Lohn der geleisteten Arbeit eingetragen war, sowie die Abzüge für Fournitüren, Bussen, etc. Ausserdem enthielt jedes Carnet einen Lohngutschein. So gegen 4 Uhr brachte ein Büroangestellter ein kleines Tischchen und stellte dasselbe mitten im Zimmer auf. Dann kam Herr Hans Schild mit 2 Säckchen Fünfliber, welche damals noch ein grösseres Format aufwiesen, stellte diese auf den Tisch und nun war der Moment gekommen, wo man gegen Abgabe des Lohngutscheins seinen Zahltag erhalten konnte. Erträge über 50 Franken wurden mit 50 Franken-Noten bezahlt. Fünfer- und 20er Noten gab es damals noch nicht. Es kam auch etliche Male vor, dass mit Gold, 10 und 20 Franken-Stücke, ausbezahlt wurde. Die Fünfliber waren nicht immer eidgenössischer Herkunft, aber was tuts, die Hauptsache war, dass sie ihren Wert hatten. Es gab z.B. italienische mit dem Bildnis Viktor Emanuel I., französische mit der Prägung Napoleon der Dritte, griechische mit ihrem Landeswappen sowie belgische mit König Leopold der Erste. Obgenannte Staaten hatten zu derselben Zeit mit der Schweiz ein Abkommen getroffen, die „lateinische Münzunion“ und es konnte dadurch dieses Geld als Zahlung in allen obgenannten Staaten verwendet werden. Das Geld hatte einen viel grösseren Wert als heute. So konnte man für 18 Rappen 1 l Milch kaufen, 1 Dutzend Eier kostete im Sommer bloss 70 Rappen, 1 l Wein 40 - 50 Rappen, 1/2 kg Kuhfleisch 50 Rappen. Auch das Fahren mit der Bahn war billiger. Ein Billet nach Solothurn retour kostete 75 Rappen, nach Biel 95 Rappen.

Die Verträglichkeit der Arbeiterschaft

Die Arbeiter und Arbeiterinnen verstanden sich gut untereinander. Natürlich gab es auch Meinungsverschiedenheiten, aber zu ernsten Streitigkeiten kam es fast nie. Jedermann hatte das heimelige Gefühl des Geborgenseins. Kam aber zur Abwechslung so ein Streit vor und es wurde deswegen im Büro darüber Klage erhoben, so kam man nicht gut an. Statt dass sich die Direktion dareinmischte, wurde beiden Parteien gehörig die Meinung gesagt, dass man als Arbeitskameraden miteinander friedlich auskommen soll und wenn das wieder vorkommen sollte, so würden beide Parteien empfindlich gebüsst. Das half. Aber wie erwähnt, kamen Zankereien ganz selten vor. Gewöhnlich am Nachmittag vor Arbeitsbeginn standen die Frauen in einem Kreis zusammen und besprachen die allerneusten Neuigkeiten und schon öfters ist es vorgekommen, dass die Uhrenzeiger schon ein Beträchtliches über die Zeit des Arbeitsbeginnes hinweggeschritten waren und die Neuigkeiten noch nicht erschöpft und deshalb die Frauen noch immer im Kreise dastanden. Insbesondere nach dem grossen Wochenmarkt wurden sie fast nicht fertig mit dem gegenseitigen Bestaunen und Bewundern der gekauften Sachen. Eine hatte ein schönes Blusli, eine andere ein neues Hemd, eine dritte hatte einen Rock, welches alles spottbillig auf dem Markt gekauft werden konnte und bis dann diese Artikel gründlich angesehen und betastet und nach dem Preise beurteilt waren, war ein gutes Stück Arbeitszeit verflossen. Aber es zeugte davon, dass die Leute ein gutes verträgliches Verhältnis untereinander hatten.

1902 Fabrikneubau und elektrisches Licht[1]

Nach und nach wurde das Abteil wo ich arbeitete von Arbeitern angefüllt. An den Fenstern hatten sich Acheveur und Acheveuse angesiedelt, alles kunterbunt durcheinander. So waren im oberen Zimmer Stahldreher, Dareauteur [Taraudeur], Finissagesbohrer, Grandmoyenbohrer, Sertisseur, wieder eine Abteilung Acheveur, Pivoteur, ferner Préparage, Polisseuse, Echap[p]ement, Plantages Taillages Schraubenspalterei. Alles wurde mit der Zeit gänzlich besetzt und so wurde es zur unumgänglichen Notwendigkeit, dass zu einem Neubau geschritten werden musste. So entstand das Gebäude an der Ostseite, welches die vordere mit der hinteren Fabrik miteinander verband. Diese waren bis anhin mit einer grossen hölzernen Brücke verbunden. Das neue Gebäude ist zweistöckig, im Parterre bekam die Mechanik ihr neues Heim. Im ersten Stock war der Remonteursaal. Im zweiten Stock war der Platz für das technische Büro vorgesehen. Die Mechanik wurde dadurch bedeutend erweitert. Neue Maschinen, Hobel- und Fräsmaschinen sowie Drehbänke wurden gesetzt. Nur die Schmiede blieb noch am alten Platz. Die Remonteure bekamen durch den Neubau mehr Ellenbogenfreiheit. Das geplante technische Büro ist Wirklichkeit geworden. Die alte Brücke wurde wegen Entzug der Helle abgesägt und diente lange Zeit als Ladenschuppen hinter der Fabrikanlage. An deren Stelle kam eine eiserne mit Blechdach, welche dem Licht weniger Hinderlich war. Um mit der Zeit Schritt zu halten, wurde das elektrische Licht eingeführt. Die hiezu benötigende Kraft wurde durch einen Gasmotor erzeugt, welcher an der Stelle der alten Dampfmaschine ihren Standort hatte. Es verging gar nicht lange Zeit, so wurde das sog. Pignon um einen Stock erhöht, um daselbst die Automaten für Pignons unterzubringen. Mit diesem Bau ist nun in dieser Beziehung etwas Stillstand eingetreten, das heisst es war vorläufig genügend Platz vorhanden.

Es wird mir eine andere Beschäftigung zugewiesen[1]

Es mochten so ungefähr 1 1/2 Jahre her sein, dass ich auf der Schraubenspalterei tätig war. Ganz plötzlich, von einer Minute auf die andere, wurde ich vom neu eingetretenen Visiteur Viktor Vogt weggeholt und in das alte Schraubenzimmer geführt, allwo ich mich vor ein kleines Découpoir setzen musste. Diese Maschine war schon gerichtet. Der Visiteur zeigte mir den Hergang, was ich da nun zu tun hatte, nämlich die Marke auf die Coqs zu schlagen und nun musste ich ein Probestück machen. Dasselbe kam gut heraus. Ich musste nur immer schön die Finger wegnehmen und aufpassen dass das Stück immer gut in der Form blieb und hie und da ein Stück anschauen und zum Zeigen bringen. Ich schaute mich an meinem neuen Platz ein bisschen um. Neben mir auf der rechten Seite waren noch 3 Découpoirs, wo auf zwei Stahlstücke wie Rochets, Raquettes u.s.w. ausgestanzt wurden. Auf einer weiteren wurden Messingräder ausgestanzt. Den Blick durchs Fenster sah man eine schöne Hofstatt mit schönen Apfelbäumen jenseits des Baches. Auf dem Etabli war eine beträchtliche Anzahl Päckli aufgeschichtet, welche auf meine Verarbeitung warteten und so hatte ich vorderhand Arbeit genug. „Wenn die Päckli fertig sind, so komm nur zu mir!“ sagte mir der Visiteur, „ich habe dir dann schon andere Arbeit.“ Nun legte ich mich tüchtig ins Zeug, da ich neugierig war, was ich dann nachher zu machen habe. Kaum war ich mit den Päckli fertig, so kam ein Arbeiter vom Drehzimmer mit einer Schachtel voll Ober-Mince-Platinen, ich solle da die "Prot-Marke" draufschlagen. Nun, da musste ich meinen Nebenarbeiter um Rat fragen deswegen. Er gab mir bereitwillig Auskunft und half mir beim Richten der Maschine. Nun machte ich das erste Musterstück, um es dem Visiteur zu zeigen. Er hatte das Stück gutgeheissen und so erledigte ich auch diese Arbeit. Jetzt endlich war der Platz leer und ich musste eine andere Arbeit suchen. Der Visiteur führte mich im mittleren Zimmer zu einem Arbeiter Gottfr. Haeni, der 4 Maschinen hatte. Dort musste ich aushilfsweise arbeiten, zuerst an einer Fräsmaschine Brides fräsen, an Oberplatinen dann wieder Poussette fräsen auf einer andern Maschine. So hatte ich für einige Tage wieder eine Beschäftigung. Inzwischen sammelte sich wieder Arbeit an zum Marken schlagen. Auf diese Weise lernte ich mit Maschinen umgehen und den Werdegang einer Uhr kennen. So habe ich Dutzende von kleineren Partien praktisch kennengelernt. Allerdings blieb der finanzielle Erfolg zurück. Entweder arbeitete ich am Taglohn oder dann musste ich auf Maschinen arbeiten, wo überhaupt nicht viel Lohn herauszuholen war. Aber immerhin sammelte ich Erfahrungen, welche ich später gut und praktisch verwerten konnte. Auch kam ich mit vielen Leuten in Berührung und lernte den Umgang mit ihnen. Zur selben Zeit war man noch weit entfernt, die Bestandteile der Uhr planmässig herzustellen. Die erforderlichen Masse wurden in ein Carnet eingetragen. War ein Arbeiter nicht ganz sicher damit, so wurde das Probestück vom Remonteur eingestellt und dann für gut geheissen, falls es klappte.

Das mittlere Zimmer[1]

Im sogenannten mittleren Zimmer waren am meisten Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt. So zählte ich über hundert Personen. Im östlichen Teil waren die Automaten, deren Gang ein grosser Lärm und Getöse verursachten, dann kamen die Platinen-Bohrerinnen, das Graisage des Ponts, die Füsslerinnen, Arberpolissages, Carréfräser, ArberpivotagesIm sogenannten mittleren Zimmer waren am meisten Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt. So zählte ich über hundert Personen. Im östlichen Teil waren die Automaten, deren Gang ein grosser Lärm und Getöse verursachten, dann kamen die Platinen-BohrerinnenIm sogenannten mittleren Zimmer waren am meisten Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt. So zählte ich über hundert Personen. Im östlichen Teil waren die Automaten, deren Gang ein grosser Lärm und Getöse verursachten, dann kamen die Platinen-Bohrerinnen, das Graisage des Ponts, die Füsslerinnen, Arberpolissages, Carréfräser, Arberpivotages, auf der Nordseite die Tarauteuses [Taraudeuses], Entrefraiser [Entréefräser?], Poussettefraiser und Tigesbohrer, die Dreherei für Brücken, Flachpolissages für Schrauben, Masse etc. Die Staubentwicklung war sehr enorm, zumal das Getriebe der Transmission die sich zur Ruhe setzenden Staubteilchen immer wieder von neuem aufwirbelte. Bei schönem Wetter, wann die Sonne ihre Strahlen durch die Fenster in das Innere sandte, konnte man sehen, in welches Staublabyrinth die Luft gehüllt war. Aber es war gar nicht zu verwundern, da war neben den vielen andern Maschinen hauptsächlich die Adouciermaschine, welche viel Messingstaub aufwirbelte. Staubfänger waren noch keine vorhanden. Dazu kam das feine Gerucharoma, welches von den Automaten herkam, das heisst vom Oel. Aber man hatte sich an all diese Dinge gewöhnt und wusste nichts anderes. Garderobe gab es keine, d.h. in der Zimmermitte waren Kleiderhaken angebracht, wo man seine Kleider aufhängen konnte. Selbstverständlich nahmen die Kleider den Staub und Geruch des Zimmers an, sodass man nicht lange nach der Herkunft zu fragen brauchte. "Es fabrigelet!" In jedem Zimmer befand sich auch ein grosser Schleifstein, welcher mittels Riemen mit der Transmission verbunden war. Dieser Schleifstein bestand aus rotem Sandstein. Unter keinen Umständen war dieser Stein als Zierte des Arbeitszimmers, sondern diente lediglich dazu damit die Arbeiter ihre Werkzeuge darauf schärfen konnten. Über dem Stein war ein Holzgestell angebracht, um den Wasserbehälter welcher mit einem Hahnen versehen war, als Standort aufzunehmen. Es kam dann öfters vor, dass dieser Wasserbehälter unter grossem Gepolter auf den Boden fiel, insbesondere wenn kein Wasser mehr drinnen war und durch das immerwährende Rütteln das Gleichgewicht verlor und auf diese Weis plötzlich herunterkam. Mit diesem Schleifstein könnte man heutzutage nicht mehr viel anfangen, höchstens könnte noch ein Holzast darauf geschliffen werden. So wurden diese Steine durch moderne Schleifapparate ersetzt. Hier in diesem Zimmer hatte ich zu jener Zeit zwei Arbeitgeber wo ich abwechslungsweise in Arbeit stand. Der erstere kam aus dem benachbarten Bernbiet jenseits der Aare, namens Haeni. Der letztere hatte sein Heim in Grenchen dicht am Waldesrand gelegen, namens Edmund Ingold, kurzweg Ingold Mutti genannt. Dieser hatte von der Welt schon viel gesehen, war er doch als Musikant auf einem Passagierschiff bei der Schiffsmusik engagiert und machte auf diese Weise etliche Fahrten zwischen Amerika und Europa mit. Derselbe war ein Musikanten-Original sondergleichen, dem es gar nichts ausmachte, auf einen Baum zu klettern und droben mit den Vögeln um die Wette zu musizieren. Um sich den Unbilden der Witterung widerstandsfähig zu machen, war es am Morgen das Erste, schnurstracks auf den Brunnen zu gehen, um in dessen Trog ein kühlendes Bad zu nehmen und wenn auch gerade Eiszapfen daran hingen. Auf diese Weise erhielt er sich eine eiserne, robuste Gesundheit. Mit seinen Untergebenen war er streng aber gerecht. Wenn einer etwas nicht recht gemacht hatte, so sagte er ihm seine Meinung frisch von der Leber weg und dann war der Fall erledigt und es wurde nicht weiter gemurrt. Neben der Fabrikarbeit machte er an Samstagen abends und an Sonntagen mit seiner Kapelle Tanzmusik und es kam des öftern vor, dass mit der Tanzmusik erst Schluss gemacht wurde, wenn schon der Morgen zu dämmern begann. Aber am Montag morgen war er trotz alldem immer rechtzeitig auf seinem Posten in der Fabrik und nichts verriet ihm die durchspielte Nacht als etwa seinen Kopf, der dadurch etwas dunkelrot nuanziert war., das Graisage des Ponts, die Füsslerinnen, Arberpolissages, Carréfräser, Arberpivotages, auf der Nordseite die Tarauteuses [Taraudeuses], Entrefraiser [Entréefräser?], Poussettefraiser und Tigesbohrer, die Dreherei für Brücken, Flachpolissages für Schrauben, Masse etc. Die Staubentwicklung war sehr enorm, zumal das Getriebe der Transmission die sich zur Ruhe setzenden Staubteilchen immer wieder von neuem aufwirbelte. Bei schönem Wetter, wann die Sonne ihre Strahlen durch die Fenster in das Innere sandte, konnte man sehen, in welches Staublabyrinth die Luft gehüllt war. Aber es war gar nicht zu verwundern, da war neben den vielen andern Maschinen hauptsächlich die AdouciermaschineIm sogenannten mittleren Zimmer waren am meisten Arbeiter und Arbeiterinnen beschäftigt. So zählte ich über hundert Personen. Im östlichen Teil waren die Automaten, deren Gang ein grosser Lärm und Getöse verursachten, dann kamen die Platinen-Bohrerinnen, das Graisage des Ponts, die Füsslerinnen, Arberpolissages, Carréfräser, Arberpivotages, auf der Nordseite die Tarauteuses [Taraudeuses], Entrefraiser [Entréefräser?], Poussettefraiser und Tigesbohrer, die Dreherei für Brücken, Flachpolissages für Schrauben, Masse etc. Die Staubentwicklung war sehr enorm, zumal das Getriebe der Transmission die sich zur Ruhe setzenden Staubteilchen immer wieder von neuem aufwirbelte. Bei schönem Wetter, wann die Sonne ihre Strahlen durch die Fenster in das Innere sandte, konnte man sehen, in welches Staublabyrinth die Luft gehüllt war. Aber es war gar nicht zu verwundern, da war neben den vielen andern Maschinen hauptsächlich die Adouciermaschine, welche viel Messingstaub aufwirbelte. Staubfänger waren noch keine vorhanden. Dazu kam das feine Gerucharoma, welches von den Automaten herkam, das heisst vom Oel. Aber man hatte sich an all diese Dinge gewöhnt und wusste nichts anderes. Garderobe gab es keine, d.h. in der Zimmermitte waren Kleiderhaken angebracht, wo man seine Kleider aufhängen konnte. Selbstverständlich nahmen die Kleider den Staub und Geruch des Zimmers an, sodass man nicht lange nach der Herkunft zu fragen brauchte. "Es fabrigelet!" In jedem Zimmer befand sich auch ein grosser Schleifstein, welcher mittels Riemen mit der Transmission verbunden war. Dieser Schleifstein bestand aus rotem Sandstein. Unter keinen Umständen war dieser Stein als Zierte des Arbeitszimmers, sondern diente lediglich dazu damit die Arbeiter ihre Werkzeuge darauf schärfen konnten. Über dem Stein war ein Holzgestell angebracht, um den Wasserbehälter welcher mit einem Hahnen versehen war, als Standort aufzunehmen. Es kam dann öfters vor, dass dieser Wasserbehälter unter grossem Gepolter auf den Boden fiel, insbesondere wenn kein Wasser mehr drinnen war und durch das immerwährende Rütteln das Gleichgewicht verlor und auf diese Weis plötzlich herunterkam. Mit diesem Schleifstein könnte man heutzutage nicht mehr viel anfangen, höchstens könnte noch ein Holzast darauf geschliffen werden. So wurden diese Steine durch moderne Schleifapparate ersetzt. Hier in diesem Zimmer hatte ich zu jener Zeit zwei Arbeitgeber wo ich abwechslungsweise in Arbeit stand. Der erstere kam aus dem benachbarten Bernbiet jenseits der Aare, namens Haeni. Der letztere hatte sein Heim in Grenchen dicht am Waldesrand gelegen, namens Edmund Ingold, kurzweg Ingold Mutti genannt. Dieser hatte von der Welt schon viel gesehen, war er doch als Musikant auf einem Passagierschiff bei der Schiffsmusik engagiert und machte auf diese Weise etliche Fahrten zwischen Amerika und Europa mit. Derselbe war ein Musikanten-Original sondergleichen, dem es gar nichts ausmachte, auf einen Baum zu klettern und droben mit den Vögeln um die Wette zu musizieren. Um sich den Unbilden der Witterung widerstandsfähig zu machen, war es am Morgen das Erste, schnurstracks auf den Brunnen zu gehen, um in dessen Trog ein kühlendes Bad zu nehmen und wenn auch gerade Eiszapfen daran hingen. Auf diese Weise erhielt er sich eine eiserne, robuste Gesundheit. Mit seinen Untergebenen war er streng aber gerecht. Wenn einer etwas nicht recht gemacht hatte, so sagte er ihm seine Meinung frisch von der Leber weg und dann war der Fall erledigt und es wurde nicht weiter gemurrt. Neben der Fabrikarbeit machte er an Samstagen abends und an Sonntagen mit seiner Kapelle Tanzmusik und es kam des öftern vor, dass mit der Tanzmusik erst Schluss gemacht wurde, wenn schon der Morgen zu dämmern begann. Aber am Montag morgen war er trotz alldem immer rechtzeitig auf seinem Posten in der Fabrik und nichts verriet ihm die durchspielte Nacht als etwa seinen Kopf, der dadurch etwas dunkelrot nuanziert war., welche viel Messingstaub aufwirbelte. Staubfänger waren noch keine vorhanden. Dazu kam das feine Gerucharoma, welches von den Automaten herkam, das heisst vom Oel. Aber man hatte sich an all diese Dinge gewöhnt und wusste nichts anderes. Garderobe gab es keine, d.h. in der Zimmermitte waren Kleiderhaken angebracht, wo man seine Kleider aufhängen konnte. Selbstverständlich nahmen die Kleider den Staub und Geruch des Zimmers an, sodass man nicht lange nach der Herkunft zu fragen brauchte. "Es fabrigelet!" In jedem Zimmer befand sich auch ein grosser Schleifstein, welcher mittels Riemen mit der Transmission verbunden war. Dieser Schleifstein bestand aus rotem Sandstein. Unter keinen Umständen war dieser Stein als Zierte des Arbeitszimmers, sondern diente lediglich dazu damit die Arbeiter ihre Werkzeuge darauf schärfen konnten. Über dem Stein war ein Holzgestell angebracht, um den Wasserbehälter welcher mit einem Hahnen versehen war, als Standort aufzunehmen. Es kam dann öfters vor, dass dieser Wasserbehälter unter grossem Gepolter auf den Boden fiel, insbesondere wenn kein Wasser mehr drinnen war und durch das immerwährende Rütteln das Gleichgewicht verlor und auf diese Weis plötzlich herunterkam. Mit diesem Schleifstein könnte man heutzutage nicht mehr viel anfangen, höchstens könnte noch ein Holzast darauf geschliffen werden. So wurden diese Steine durch moderne Schleifapparate ersetzt. Hier in diesem Zimmer hatte ich zu jener Zeit zwei Arbeitgeber wo ich abwechslungsweise in Arbeit stand. Der erstere kam aus dem benachbarten Bernbiet jenseits der Aare, namens Haeni. Der letztere hatte sein Heim in Grenchen dicht am Waldesrand gelegen, namens Edmund Ingold, kurzweg Ingold Mutti genannt. Dieser hatte von der Welt schon viel gesehen, war er doch als Musikant auf einem Passagierschiff bei der Schiffsmusik engagiert und machte auf diese Weise etliche Fahrten zwischen Amerika und Europa mit. Derselbe war ein Musikanten-Original sondergleichen, dem es gar nichts ausmachte, auf einen Baum zu klettern und droben mit den Vögeln um die Wette zu musizieren. Um sich den Unbilden der Witterung widerstandsfähig zu machen, war es am Morgen das Erste, schnurstracks auf den Brunnen zu gehen, um in dessen Trog ein kühlendes Bad zu nehmen und wenn auch gerade Eiszapfen daran hingen. Auf diese Weise erhielt er sich eine eiserne, robuste Gesundheit. Mit seinen Untergebenen war er streng aber gerecht. Wenn einer etwas nicht recht gemacht hatte, so sagte er ihm seine Meinung frisch von der Leber weg und dann war der Fall erledigt und es wurde nicht weiter gemurrt. Neben der Fabrikarbeit machte er an Samstagen abends und an Sonntagen mit seiner Kapelle Tanzmusik und es kam des öftern vor, dass mit der Tanzmusik erst Schluss gemacht wurde, wenn schon der Morgen zu dämmern begann. Aber am Montag morgen war er trotz alldem immer rechtzeitig auf seinem Posten in der Fabrik und nichts verriet ihm die durchspielte Nacht als etwa seinen Kopf, der dadurch etwas dunkelrot nuanziert war., auf der Nordseite die Tarauteuses [Taraudeuses], Entrefraiser [Entréefräser?], Poussettefraiser und Tigesbohrer, die Dreherei für Brücken, Flachpolissages für Schrauben, Masse etc. Die Staubentwicklung war sehr enorm, zumal das Getriebe der Transmission die sich zur Ruhe setzenden Staubteilchen immer wieder von neuem aufwirbelte. Bei schönem Wetter, wann die Sonne ihre Strahlen durch die Fenster in das Innere sandte, konnte man sehen, in welches Staublabyrinth die Luft gehüllt war. Aber es war gar nicht zu verwundern, da war neben den vielen andern Maschinen hauptsächlich die Adouciermaschine, welche viel Messingstaub aufwirbelte. Staubfänger waren noch keine vorhanden. Dazu kam das feine Gerucharoma, welches von den Automaten herkam, das heisst vom Oel. Aber man hatte sich an all diese Dinge gewöhnt und wusste nichts anderes. Garderobe gab es keine, d.h. in der Zimmermitte waren Kleiderhaken angebracht, wo man seine Kleider aufhängen konnte. Selbstverständlich nahmen die Kleider den Staub und Geruch des Zimmers an, sodass man nicht lange nach der Herkunft zu fragen brauchte. "Es fabrigelet!" In jedem Zimmer befand sich auch ein grosser Schleifstein, welcher mittels Riemen mit der Transmission verbunden war. Dieser Schleifstein bestand aus rotem Sandstein. Unter keinen Umständen war dieser Stein als Zierte des Arbeitszimmers, sondern diente lediglich dazu damit die Arbeiter ihre Werkzeuge darauf schärfen konnten. Über dem Stein war ein Holzgestell angebracht, um den Wasserbehälter welcher mit einem Hahnen versehen war, als Standort aufzunehmen. Es kam dann öfters vor, dass dieser Wasserbehälter unter grossem Gepolter auf den Boden fiel, insbesondere wenn kein Wasser mehr drinnen war und durch das immerwährende Rütteln das Gleichgewicht verlor und auf diese Weis plötzlich herunterkam. Mit diesem Schleifstein könnte man heutzutage nicht mehr viel anfangen, höchstens könnte noch ein Holzast darauf geschliffen werden. So wurden diese Steine durch moderne Schleifapparate ersetzt. Hier in diesem Zimmer hatte ich zu jener Zeit zwei Arbeitgeber wo ich abwechslungsweise in Arbeit stand. Der erstere kam aus dem benachbarten Bernbiet jenseits der Aare, namens Haeni. Der letztere hatte sein Heim in Grenchen dicht am Waldesrand gelegen, namens Edmund Ingold, kurzweg Ingold Mutti genannt. Dieser hatte von der Welt schon viel gesehen, war er doch als Musikant auf einem Passagierschiff bei der Schiffsmusik engagiert und machte auf diese Weise etliche Fahrten zwischen Amerika und Europa mit. Derselbe war ein Musikanten-Original sondergleichen, dem es gar nichts ausmachte, auf einen Baum zu klettern und droben mit den Vögeln um die Wette zu musizieren. Um sich den Unbilden der Witterung widerstandsfähig zu machen, war es am Morgen das Erste, schnurstracks auf den Brunnen zu gehen, um in dessen Trog ein kühlendes Bad zu nehmen und wenn auch gerade Eiszapfen daran hingen. Auf diese Weise erhielt er sich eine eiserne, robuste Gesundheit. Mit seinen Untergebenen war er streng aber gerecht. Wenn einer etwas nicht recht gemacht hatte, so sagte er ihm seine Meinung frisch von der Leber weg und dann war der Fall erledigt und es wurde nicht weiter gemurrt. Neben der Fabrikarbeit machte er an Samstagen abends und an Sonntagen mit seiner Kapelle Tanzmusik und es kam des öftern vor, dass mit der Tanzmusik erst Schluss gemacht wurde, wenn schon der Morgen zu dämmern begann. Aber am Montag morgen war er trotz alldem immer rechtzeitig auf seinem Posten in der Fabrik und nichts verriet ihm die durchspielte Nacht als etwa seinen Kopf, der dadurch etwas dunkelrot nuanziert war.

Das Drehzimmer[1]

Das sogenannte Drehzimmer befand sich im ersten Stock gegen Westen und wurde ganz einfach so genannt, weil hier die Dreher heimisch waren. Die PlatinendreherDas sogenannte Drehzimmer befand sich im ersten Stock gegen Westen und wurde ganz einfach so genannt, weil hier die Dreher heimisch waren. Die Platinendreher waren an den südlichen Fenstern platziert. Jede Maschine bestand aus einem verschiebbaren Tisch mit 2-3 Coulissen und Coulissenstück mit eingespanntem Burin (Schneidemesser) mit einer Arber (Achse) und Tambour, sowie mit einem Renvoir, der die Betriebsverbindung zwischen Transmission und Maschine herstellte. Dieser Renvoir hatte wieder zwei Räder, eines war lose, das andere festgeschraubt, sowie ein Triebrad, welches die Maschine in Bewegung setzte. Beide Teile, d.h. die Maschine und Renvoir und Renvoir mit Transmissionsrad waren durch Lederriemen miteinander verbunden. Durch eine Leitgabel konnte mittels einer Tretvorrichtung der Transmissionsriemen vom Leerlauf auf den Vollauf geleitet werden und die Drehtour setzte sich in Bewegung. Auf diese Weise waren fast alle Maschinen konstruiert. Um jede Drehmaschine war ein Drahtgitter, um die umherfliegenden Drehabfallspähne zu sammeln. Diese Maschinen liefen mit sehr grosser Geschwindigkeit und mussten, um sie rasch zum Stillstand zu bringen, mit einem Bremsleder gebremst werden. Auf der Nordseite waren die Barillets (Uhrfedergehäuse)-Dreher, sowie die Schalendreher. In der Mitte befand sich das sog. Ebavages. Die zu ebavierenden Stücke wurden in Placken eingestellt und wenn dies getan, an einen Meuler gehalten, welcher die Bava entfernte. Es handelte sich da ausschliesslich um Stahlbestandteile wie Rochets, Renvois, etc. Das seltsame war, dass hier eine ganze Familie beisammen war, Vater, Mutter, Sohn, zwei Töchter, Jonas Schild-Baumann, um diese Partie zu besorgen. Neben dieser Partie führte eine Treppe in die Silberschmelze hinunter. Dann war an der nordöstlichen Ecke noch eine Lötkammer für die Schalenmacher. Eine Wendeltreppe stellte die Verbindung zwischen dem Parterre und dem Dreh- und Mittelzimmer her. Nach dieser Treppe war das Zimmer durch eine Holzwand unterbrochen und auf der andern Seite war die Schalenmacherei. Um dem Arbeitsgang im Drehzimmer durch etwas Ablenkung eine heitere Note zu verleihen, wurde immer etwas Schabernack getrieben. So war es der "Waldi“, Oswald Güggi, der immer voller Tücke war. Sonst ein guter, zuverlässiger Arbeiter, aber es musste immer etwas gehen, um über die Eintönigkeit hinwegzukommen. Wenn zum Beispiel so eine holde Maid ahnungslos die Wendeltreppe hinaufging, so machte sich der Waldi sprungbereit, um diese im günstigsten Moment in die Waden zu kneifen. Natürlich hatten alle übrigen die helle Freude daran.

Das Parterre[1]

Im Parterre war die Ausstanzerei (das heisst sie ist heute noch, nur mit dem Unterschied, dass die alten Stanzmaschinen durch moderne ersetzt sind). Messingtafeln wurden in entsprechend breite Streifen geschnitten, je nach Grösse der Platinen und Zubehör. Diese Streifen wurden bei weiterer Verarbeitung unter die Stanzmaschine gehalten, welche vorher für diesen Zweck eingestellt war. Zu derselben Zeit wurde noch nicht mit Block gearbeitet. Es gab einfach ein Unter- und einen Oberteil. Der letztere wurde eingeschraubt und der erstere genau passend festgeschraubt, dann der Tiefgang reguliert und nun konnte es losgehen. Diese Ausstanzerei war eine ziemlich gefährliche Arbeit. Es fehlte jegliche Schutzvorrichtung und der betreffende Arbeiter musste während der Arbeit die Sinne beisammenhalten. Wie schnell war ein Finger weg! Auch war noch keine Schaltvorrichtung und er musste den Streifen von Hand auf die entsprechende Distanz nachziehen, nicht zu wenig, sonst gibt es unganze Stücke, aber auch nicht zu viel, um nicht unnötig Messing zu verschwenden. Diese gefahrvolle Arbeit wurde von einem Manne namens A. Saner, Bettlach, besorgt der diese Stelle schon viele Jahre inne hatte. Nebstdem musste er täglich im Weiher den Rechen putzen, damit keine Stauung des Wassers eintrat, welches das Wasserrad trieb. Ferner im Winter hatte er die Dampfheizung zu überwachen und zu kontrollieren, sowie bei Fabrikschluss das Tor zu öffnen und schliesslich noch mit der Glocke ein- und ausläuten. Da dieser Mann nebst der Fabrik daheim noch Landwirtschaft betrieb, wartete ihm zu Hause eine Menge Arbeit. Sein Heim war von der Fabrik weit abgelegen und er musste Tag für Tag, ausgenommen Sonntags, diesen langen Weg zurücklegen. Aber trotzdem war er immer der Erste. Und nun ruht dieser Held des Alltags schon längst im Friedhof.

Nebst den Maschinen zum Ausstanzen waren noch Maschinen zum Walzen des Messings, Stahl und Silber. Bevor dieses Fabrikgebäude mit dem Turm stand, so erzählte mir mein Vater, war auf hiesigem Platze kein Walzwerk vorhanden und musste das Material in Gerlafingen im Eisenwerk gewalzt werden. Natürlich durfte in diesem Raum die Uhr nicht fehlen, das heisst eine gutgehende Pendeluhr mit Schlagwerk, damit rechtzeitig und pünktlich mit der Fabrikglocke ein- und ausgeläutet werden konnte. Bald hätte ich eine interessante Maschine zu erwähnen vergessen, nämlich eine Stanzmaschine mit rotierenden Scheiben. Das Schwungrad war auf der Maschine in horizontaler Lage montiert. Zwei bewegliche Scheiben, welche durch einen Hebel beliebig hin und hergeschoben werden konnten, sorgten für entsprechende Bewegung entweder aufwärts oder abwärts. Auf dieser Maschine wurde den Uhrenschalen die entsprechende Form gegeben. Die Bedienung dieser Maschine verlangte grosse Aufmerksamkeit und Geistesgegenwart. Nordwestlich in der Ecke war der Maschinenraum, wo die alte Dampfmaschine stand. Durch Öffnen einer eisernen Türe kam man in den Dampfkesselraum und daneben war die Wasserradkammer. Das ist so ungefähr das Bild der alten Fabrik.

Als ich eines Tages wieder vor meiner Maschine sass beim Markenschlagen, wurde in der Hofstatt jenseits des Baches ein junger Baum gepflanzt. Der Knecht des Landwirts machte mit einem Pickel ein rundes Loch in den Boden. Als dieses die richtige Grösse hatte, wurde Wasser in dasselbe geschüttet und nun wurde das junge Baumstämmchen sorgfältig hineingesetzt, dann das Loch wieder zugedeckt, nachdem noch ein Pfahl zugesteckt und das Bäumchen daran gebunden war. Das wird noch ein schönes Stück Zeit vergehen, bis du so gross bist wie deine Nachbarn rings um dich, das waren so meine Gedanken, die ich darüber sponn.

Wie eine Uhr entsteht[1]

Eine Uhr hat so zahlreiche Bestandteile, dass jeder Teil für sich schon für einige Arbeiter Beschäftigung gibt. Eine Schraube z.B. muss vier Operationen durchmachen, bis dieselbe fertig erstellt ist, erstens das Decoltieren [Décolletieren] (auf Automaten), zweitens das Spalten, drittens das Härten und endlich das Flächepolieren. Es gibt Teile, die bis 12 Operationen durchlaufen müssen, bis sie fertig sind. Daher ist es begreiflich, dass so viele Arbeiter auf der Uhrenbranche beschäftigt sind. Es ist deshalb sehr schwierig, den Werdegang einer Uhr zu erklären. Eine Platine, das ist die Fassung des Uhrwerkes aus Messing, muss zuerst ausgestanzt werden; dann kommt dieselbe in die Dreherei, wo sie beidseitig bis auf die entsprechende Dicke flach gedreht wird (blanchieren), dann kommt sie in die Anzeichnerei (Pointage), wo die zu bohrenden Löcher durch Punkte angezeichnet werden und jetzt kommt sie ins Percages (Bohrerei), dann wird sie adouciert, wo sie wieder flach geschliffen wird. Jetzt kommt sie wieder in die Dreherei, wo die grösseren Operationen wie z.B. Platz für das Barillet (Uhrfedergehäuse) ausgedreht wird, sowie rondiert, genau auf die Grösse gedreht. Der Dreher hängt das Stück an Spitzen, wo es einen gewissen Halt hat. Sind die Dreharbeiten fertig, so kommt die Platine in die Fräserei, wo die kleineren Passagen ausgefräst werden. Dann sind noch Löcher welche mit Gewinde versehen werden müssen (Taraudages). Eine Platine erhält noch nebst der Oberplatine Brücken ebenfalls aus Messing, welche die gleichen Partien durchgehen müssen. So kommt eine Platine durch 20 Hände. Ist die Platine fertig, so kommt sie in die Vergolderei und dann erst in die Hände, wo sie fertigerstellt und zusammengesetzt wird. Das ist ungefähr ein Bild, wie die Uhr früher entstanden ist. Und dabei habe ich noch vieles vergessen wie z.B. das Räderwerk (Finissages), das Mecanisme, das Aufzugswerk, das Balancier, die Unruhe. Jedes Ding, mag es noch so unscheinbar sein, erfordert eine geübte Hand. Es braucht nur ein Zahn eines Rädchens nicht genau zu stimmen, so leidet das ganze Uhrwerk. Es gibt Partien, wo jedes Stück unter die Lupe genommen werden muss. So gibt die Uhr viel Arbeit. Früher machte ein Arbeiter mehrere Partien, jetzt ist es aber anders geworden. Jetzt macht ein Arbeiter nur eine Operation. Damit es schneller geht. Auf diese Weise braucht es mehr Arbeiter und die Herstellung wird beschleunigt. In letzter Zeit hat sich vieles geändert in der Herstellung. Die Technik hat sehr grosse Fortschritte gemacht. Näheres darüber will ich aus gewissen Gründen nicht verraten. So bin ich etliche Jahre Lückenbüsser gewesen und schon habe ich mir gewünscht, eine selbständige Partie, wo ich von niemandem mehr abhängig wäre, auszuführen. Meine ehemaligen Schulkameraden habe ich immer beneidet, die eine richtige Partie erlernen konnten, ich dagegen nur immer Handlangerdienste verrichten musste. Endlich sollte mein Wunsch in Erfüllung gehen. Eines Tages kam ein mir schon lägst bekannter Arbeiter, der seinen Platz vis à vis der Eingangstüre hatte, zu mir und sagte, ich käme auf seine Partie, denn er wolle auf die Automaten und er könne mir die Partie zeigen die ersten 8 Tage. Die anderen 8 Tage müsse er selbst noch lernen auf den Automaten. Natürlich sagte ich ohne weiteres zu und freute mich riesig darauf, nun endlich einen dauernden Platz zu erhalten.

Mein neuer Platz[1]

Eines Tages trat ich also meinen neuen Platz an. Derselbe war wie schon erwartet bei der Türe. Mein neuer Meister namens Fritz Siegenthaler erklärte mir die Maschinen und was darauf zu machen sei. Dann eilte er zu den Automaten mit den Worten: „Wenn du etwas nicht verstehst, so komme nur fragen“. Zum Ersten beschaute ich mir meine Zukunftsmaschinen an und musste nur immer staunen, dass man überhaupt auf solchen Maschinen noch arbeiten konnte. Die erste Maschine war eine Drehtour nach uraltem System. Die dazu verwendeten Zangen waren halbteilig gespalten und mit einem Ring mit Flügelschraube versehen, um das zu bearbeitende Stück durch Anziehen der Flügelschraube festzuhalten. Das Burin (Schneidemesser) war in eine Coulisse (Führungsleiste) gespannt. Diese Coulisse war mit einem hölzernen Hebelgriff versehen. Auf dieser Maschine musste ich kleine Vertiefungen ausdrehen (Noyuren). Die andere Maschine war eine Presse, um die Prez Coul [Près goule] zu etampieren, das heisst Carréloch zu stanzen. Diese Maschine war etwas abseits aufgestellt und hinter dem Kleiderständer ziemlich gut verborgen. Eine weitere Maschine war dazu da, um die etampierten Pign[ons] auf der andern Seite zu fräsen. Die Pignons wurden ganz einfach im Laufe an ein Carré gestossen und dann mit einer zweiflügeligen Fräse, welche an eine Brosche gesteckt wurden, gefräst. Bei diesem Vorgang musste immer ein wenig Oel auf das Stück laufen, damit die Fräse nicht zu schnell abgenutzt wurde. Diese Maschine war an und für sich sehr praktisch eingerichtet. Man war darauf ziemlich selbständig (nur schade, dass diese so ausgeloffen und verlottert war). Man konnte das Carré am Platz selbst anfertigen; es war ein Nombre 4teilung und ein Fräsapparat für diesen Zweck da. Dann war noch eine Carré-Fräsmaschine, wo man die Carrés beliebig fräsen konnte, welche ich brauchte zum Etampieren. Das war mein ganzes Maschineninventar.

Zuerst musste ich auf der erstgenannten Maschine Flachpignons fräsen. Mein Meister erklärte mir den dazu erforderlichen Arbeitsgang und nun probierte ich dieses Kunststück. Aber aller Anfang ist ziemlich schwer. Das erste Stück war futsch, denn ich hatte, weil ohne Gefühl, handiert, die scharfe Schneidekante des Burins abgebrochen. Dieses musste deshalb losgeschraubt und herausgenommen werden. Bei diesem Anlass zeigte mir mein Lehrmeister, wie man das Schleifen, d.h. Wiederscharfmachen ausführt. Als der Burin wieder flott war, probierte ich das zweite Stück, passte aber diesmal besser auf und siehe! Diesmal ist es mir gelungen! „So ist es recht“ sagte der Meister und schon war er wieder verschwunden, mich meinem Schicksal überlassend.

Nun fing meine Leidenszeit als Lehrbub so recht an. Ich hielt mich nicht dafür, um wegen jeder Kleinigkeit zum Meister zu springen, sondern ich probierte dies und das, bis es einigermassen ging. Die Pignons waren schon gehärtet und es musste die Maschine auf den langsamen Gang gebracht werden. Als ich diese Arbeit fertig hatte, lieferte ich selbe meinem frischen Meister, Visiteur Hr. Gottl. Vogt, Bärenwirt, ab. Mit Bangen wartete ich das Resultat der Arbeit ab. „Jo hm, sie dörfti ziemli besser si. Aber es wird de mit der Zyt scho go. Du bisch halt no nit uf der Höchi.“ So lautete das Ergebnis meiner ersten Arbeit. Mit gemischten Gefühlen nahm ich dieses Urteil entgegen. Zugleich gab er mir ein Combe Pignons Coulantes zum Etampieren und Fräsen. Der Lehrmeister zeigte mir den Vorgang des Etampierens und gab mir die Endmasse für die Carrélöcher. Dieser Jauges bestand aus einem alten Etampiercarré. Dasselbe war mit drei anderen in ein rundes Messingstück getrieben und so waren die Jauges verschiedener Grössen immer hübsch beieinander. Das kleinste hatte eine Grösse von 0,85 mm, das grösste 1,40 mm. Die etampierten Pignons mussten an dem dafür bestimmten Jauges leicht darangehen und durften nicht Spiel haben. Um den Spielraum herzustellen, mussten die Etampes etwas grösser sein, so z.B. musste für das Loch 0,85 mm ein Etampiercarré von der Grösse von 0.87 mm genommen werden. Diese Arbeit ging besser von Stapel als die erstgenannte. Eine Knacknuss war für mich das Anfertigen von Carrés. Solche waren vorhanden, d.h. von den Automaten vorébauchiert und ich musste nun lernen, dieselben auf die vorgeschriebene Grösse herunterzufeilen. In den Schraubstock wurde eine Form gespannt, ungefähr der Grösse des Carrés. Jetzt wurde mir das Feilen des Carrés vordemonstriert und dann kam die Rolle an mich. Ich nahm also die Feile zur Hand und fing an zu feilen. Der Meister stellte aber meine Manipulationen mit einem energischen Halt ab. "Das gibt ja keine Flächen. Siehst du denn nicht, dass das Zeug flach statt rund herauskommt. Du musst bei jedem Feilenstoss die Feile heben und ja keine runde Bewegung machen, sonst gibt das nie ein schönes regelrechtes Carré!“ Nach Feierabend schraubte ich den Schraubstock ab und nahm ihn nebst den erforderlichen Utensilien zum Carréfeilen mit nach Hause und übte bis es ging. Nun war auch dieses so ziemlich überwunden. Beschwerde machte mir nur noch das richtige Härtnen derselben. Zur selben Zeit war man noch nicht so gut eingerichtet wie heute. Das Luftgebläse musst man mit der eigenen Lungenkraft herstellen. Man nahm das zu härtnende Stück auf eine Kohle, dann konzentrierte man das Feuer der Weingeistlampe mittels einem Glasröhrchen (Jalumont genannt) so lange auf das Stück, bis es schön rotglühend war. Dann wurde es schnell in ein Ölgefäss getaucht. Auch dieses Kunststück konnte ich mir aneignen. Nach dem Etampieren mussten die Pignons auf der andern Seite gefräst werden. Die Brosche hatte zu viel Spielraum und so musste ich während dem Fräsen das Ding immer hinunterdrücken, damit es stimmte. Es brauchte also einen gewissen Trick zum Fräsen. Das war mir aber doch zu bunt. Bei der erster besten Gelegenheit schraubte ich die Broschenhülse ab, ging damit in die Mechanik und liess mir eine neue Brosche, welche genau in die Hülse passte, anfertigen. Als ich die neue Brosche erhalten hatte, zentrierte ich mit Unterlagen von Stahlplättli die Hülse, sodass die Brosche ziemlich genau stimmte. Auf diese Weise konnte ich viel besser fräsen und brauchte die Brosche nicht mehr auf eine Seite zu drücken. Ein Sorgenkind war mir die erstgenannte Maschine mit der zweiteiligen Zange mit Flügelschraube zum Festhalten. Entweder kamen die Stücke nicht rund heraus oder dann gab es Zähne, welche zerdrückt waren durch das Festanziehen. Da musste auch etwas geschehen um bessere Arbeit herauszubringen! Da kam mir eine Idee: Wenn du die Flachpignons mit den geschnittenen Zähnen auf der anderen Maschine machen würdest. Zwar waren die Pignons nur einen halben Millimeter dick und es braucht eine Tiefe von 0,25 mm zum Einfräsen. Kurz entschlossen ging ich an die Verwirklichung meiner Idee, spannte vorsichtshalber einen alten Tasseau ein, machte das Carré daran, also von einer blossen Länge von 0,25 mm und die Sache gelang glänzend. So habe ich viele 100 Dutzend Päckli gemacht und nie eine Reklamation bekommen.

Nach einem halben Jahre war ich über die gefährlichsten Klippen hinweg und so hatte sich mein Fleiss und meine Ausdauer gelohnt. „Wissen und Können sind eine Macht!“ Dieses Sprichwort hat sich auch bei mir bewährt. Durch unermüdliches Üben mit Feile, Burin, hatte ich es bald zur grossen Geschicklichkeit gebracht. Nun machte ich mich an das Reinigen der Maschinen. Diese hatten sich im Laufe der Zeit mit einer dunkelgelben Öl- und Fettschicht überzogen. Reinigen mit Weingeist hatte keinen Erfolg, und so kratzte ich diesen Überzug mit einem scharfen Gegenstrand weg und ich liess keine Ruhe, bis die Maschinen wieder ihr natürliches Aussehen hatten. Die Carré-Etampier-Maschine machte mir noch viel zu schaffen. Trotz des vielen Ölens wollte dieselbe nicht recht laufen und ich musste zeitweise, d.h. wann grosse Stücke zu etampieren waren, mit der Hand am Triebrad nachhelfen. Da, eines schönen Tages blieb sie bockstill und war mit der grössten Anstrengung nicht mehr herumzudrehen. Da war nichts mehr zu machen, als den Mechaniker zu benachrichtigen. Nun wurde die Maschine in die Mechanik befördert, das Rad abmontiert und die Welle herausgenommen. Das Innere war vollständig Trocken und mit einer harzigen Kruste überzogen, welche vom schlechten Öl sowie von ganz feinem Messingstaub bestand. Als dieses Zeug gründlich entfernt war, hatte die Maschine einen überraschend leichten Gang und es war nicht mehr nötig mit der Hand nachzuhelfen. Nur schade, dass ich so im Versteck arbeiten musste! Es wurde mir gesagt, dass mein Meister oftdmals an der Maschine eingeschlafen war, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Mein Platz bei der Türe hat mich ganz nervös gemacht. Da war zum Beispiel die Türe welche alle Augenblicke aufgerissen wurde, um dann mit grossem Gepolter durch Gewicht zugeschlagen wurde. Wenn dieselbe sich öffnete, so wurde man unwillkürlich abgelenkt. Ein Konzentrieren auf die Arbeit war einfach unmöglich. Dann waren es wieder die sich in unmittelbarer Nähe befindlichen Automaten, welche einen ohrenbetäubenden Lärm verursachten. Dieser Lärm wurde zeitweise durch lauter Fluchen und Schimpfen überboten, wenn so an einer Maschine eine Störung eintrat. Diese alten Maschinen waren absolut nicht störungsfrei; entweder zerriss ein Triebriemen oder eine Saite oder dann ging der Burin in Stücke. Etwas war immer los und die Arbeiter, welche mit diesen Maschinen zu tun hatten waren wirklich nicht zu beneiden. Die „Automätler“, wie sie genannt wurden, hatte jeder ein halbes Dutzend solcher Maschinen zu überwachen und nachzuprüfen, ob die Arbeit noch ihre bestimmten Masse innehatte, frischen Stahl einsetzen, schmieren und ölen und sich fast zu Tode ärgern, wenn so ein „Karren“ nicht mehr laufen wollte. Auf dem Stühli sitzen, die Hände in den Schoss legen und abwarten, bis die Fabrikglocke Feierabend läutet, dann die automatisch laufenden Maschinen abstellen, gehört ganz entschieden ins Reich der Märchen. Alle Samstage mussten die Automaten gründlich gereinigt werden und das ging folgendermassen zu: Aus einer Flasche wurde Weingeist, Benzin oder Petrol über die Maschine gegossen, um das klebrige Oel herunterzuspülen. Dann wurde mit einem Flaschenputzerbürstli das restliche weggebürstet. Diese Prozedur entwickelte ein fast unausstehliches Geruchsaroma, sodass man froh war, wenn man schleunigst aus dem Gestank herauskam, um sich draussen an der frischen Luft wieder zu erholen.

Als ich zirka ein Jahr an diesem Platz gearbeitet hatte, kam eines schönen Tages der Mechanikerchef, schaute den Platz gründlich an und sagte zu mir: „Du musst da fort von diesem Platz. Ein Werkzeugmechaniker kommt hieher und du kommst jetzt an den Bock. Packe das Zeug zusammen, nachmittags wirst du versetzt.“ Ein Blitz aus heiterem Himmel hätte mich nicht mehr erschreckt. Momentan war ich ganz niedergeschlagen. Nach und nach kamen wieder andere Gefühle und Gedanken: Du musst dich halt fügen, es ist gewiss nicht so schlimm und du wirst sogar noch froh sein, dass du von der vermaledeiten Türe wegkommst. So wurde ich also gezügelt. Sogar die Maschine hinter dem Garderobe-Ständer wurde ans Tageslicht befördert und kam neben die andern Maschinen zu stehen. Mein Visiteur blieb bei mir stehen und sagte: „Schau, wie die Sonne es gut mit dir und deiner Maschine meint“, als ein Sonnenstrahl gerade intensiv auf meine aus dem Versteck hervorgeholte Maschine fiel. Ich hatte mich von dieser Züglerei bald erholt und es gefiel mir nach einiger Zeit noch besser als am alten Platz, trotzdem ich nicht mehr am Fenster war. Dafür war ich nicht mehr der Zugluft ausgesetzt wie vorher. Auch der Lärm hatte sich etwas verringert., weil etwas mehr abseits gelegen von den Automaten. Meine Maschine wurde durch eine andere und weitaus bessere ersetzt.

Der neue Visiteur[1]

Mein Visiteur, Herr Gottlieb Vogt, musste aus Gesundheitsrücksichten zurücktreten. Ungern sah ich ihn scheiden. Wir hatten uns gut verstanden und er war mit meiner Arbeit zufrieden. Wer wird dessen Nachfolger sein? war meine bange Frage. Es waren da in kurzer Zeit verschiedene Stellvertreter, aber nur von kurzer Dauer, weil sie sich nicht eigneten. Endlich wurde ein Remonteur an diesen Platz berufen, der das Mecanisme verstand d.h. wie es sein soll, aber von den Maschinen keine rechte Ahnung hatte, aber gleichwohl alles besser wissen wollte. Dieser Visiteur war von kleiner Figur mit abstossenden Gesichtszügen. So wie sein Äusseres, so war auch sein Inneres grob und rücksichtslos wie eine Gesslernatur. Seine Herrschaft war für mich und meine Arbeitskameraden, welche auch unter diesem standen, eine Zeit des Leidens. Dieser verstand es so recht die Leute zu plagen wie er nur konnte. So musste ich z.B. plötzlich die Maschinen verrichten und etwas anderes machen nur um zu verhindern, dass ich die angefangene Arbeit nicht einschreiben und abliefern konnte und dadurch am Lohn geschmälert wurde. Alles geht vorüber und so ging es auch mit diesem Regime, welches nach 7 Jahren plötzlich aufhörte, weil dieser Gessler es vorzog, es wäre besser für ihn, wenn er selbst zu fabrizieren anfinge. So ist er also zur grossen Freude von mir und meinen Arbeitskameraden davongezogen. Und nun ruht er schon längst auf dem Friedhof und ich habe den Groll vergessen.

Es wird gebaut [1913/14]

Der Zeiger der Tendenz zeigte stets nach aufwärts in der Uhrenindustrie. Es wurden immer mehr Leute angestellt. Schliesslich waren alle Plätze ausgefüllt und es musste wieder an das Vergrössern der Fabrik gedacht werden. Ein Neubau wurde ums Jahr 1913-14 ostwärts an die hintere Fabrik angegliedert. Dabei wurde der Bach überbrückt und die schöne Hofstatt musste daran glauben. Das erwähnte junge Apfelbäumchen, welches so ziemlich sich entwickelt hatte, wurde unbarmherzig aus dem Boden herausgerissen und anderswo versetzt. Durch diesen Neubau wurde den Automaten das Tageslicht noch viel mehr entzogen. Trotz schimpfen und wettern war aber nichts anderes zu machen, als dass sich die Automätler einstweilen noch gedulden. In diesen Neubau zu platzieren war vorgesehen: im Parterre die Stanzerei für Handbalanzier, ferner noch die Etampmacherei. Im ersten Stock war man einstweilen noch im Unklaren. Im zweiten Stock waren die Remonteurs und Démonteurs nach Norden, südwärts waren die Acheveurs und Pivoteurs. Und endlich im dritten Stock war das Sertissages.

Hurra, Hochzeitswein[1]

Die Trinksitte spielte im Fabrikleben eine grosse Rolle. So kam es vor, dass wenn ein Arbeiter oder eine Arbeiterin in den Hafen der Ehe einsegelte, der Hochzeitstrank unter keinen Umständen fehlen durfte und es wurde dabei folgendermassen vorgegangen: Es entstand eine Liste wo jeder Arbeiter, der dem Ehekandidat mehr oder weniger hold gesinnt war, einen gewissen Beitrag einzeichnete. War die Unterzeichnung genügend, so wurde der Betrag zusammengezählt und mit dem finanziellen Ergebnis wurde ein nützlicher Gegenstand für die Haushaltung wie z.B. ein Bügeleisen, Küchegeschirr und so weiter als Hochzeitsgeschenk gekauft. Es war aber auch Pflicht und Schuldigkeit, dass sich die Brautleute dafür revanchierten und die Spender zu einem Trunke einluden, wo es dann gewöhnlich hoch her zu gehen pflegte. Es gab da darunter solche, die in der Arbeit nicht so tüchtig, aber dafür im Trinken, Tanzen und Lustigsein ganz erstaunliche Leistungen vollbrachten. Der darauffolgende Tag war aber zum Arbeiten so ziemlich futsch. Wenn ein junger Arbeiter ausgelernt hatte, so musste er der Trinksitte gemäss sein Tribut bezahlen. So war es bei den Pivoteurs Mode, dass ein Ausgelernter 2 dl Schnaps und eine grosse Zwiebel vertilgen musste, ansonst er nicht als ein echter Pivoteur angesehen werden konnte. Auch wurde das heimliche Trinken sehr gepflegt, trotzdem dieses streng verboten war. Da aber die verbotenen Früchte am süssesten schmecken, so wurde sehr viel diesem Trinksporte gehuldigt und es wurde dabei sehr schlau und raffiniert vorgegangen. In der hintern Fabrik unmittelbar vor dem Estrich war die Benzinkammer, wo die betreffenden Arbeiter, die mit Arbeitwaschen zu tun hatten, die Benzinkessel in einem Schrankfach mit Schlüssel versorgten. Nicht selten war aber bei dem Kessel noch ein Fläschchen mit gebranntem Wasser. Wenn die Luft rein war, so wurde öfters dieser Ort mehr als sonst von nöten aufgesucht um schnell einen tüchtigen Schluck aus dem Fläschchen zu nehmen. Im Sommer, wenn es am Montag so recht heiss und schwül war, wurden die Mauern der Fabrik zu eng und man beschloss, saalweise mit einem Fässchen Bier in den kühlen Wald oder sonst an einen schönen Ort zu pilgern, um sich dort am köstlichen Gerstensaft und bei Tanz und Lied zu erlaben und lustig zu sein.

Am Silvestertag wurde am Morgen noch gearbeitet, aber wehe dem, der an diesem Tage zu spät kam. Dann wurde ihm ganz sicher ein Streich gespielt. So wurde mit Putzfäden ein Doggel gemacht und an seinen Platz gesetzt. Am Nachmittag war allgemeine Putzete. Die Frauen brachten von zu Hause Fegbürste, Zuber und Feglumpen. Die Männer nahmen das Zimis bestehend aus Züpfe, Wurst oder Hammen sowie Wein mit sich. Nach dem die Maschinen gründlich geputzt waren, die Tiroirs (Schubladen) von altem Gerümpel, welcher sich übers Jahr angesammelt hatte, gereinigt waren, ging es an ein Putzen und Fegen. Zuerst kamen die Schubladen an die Reihe, dann die Etablis und zuletzt den Boden. Nach einer Stunde war dieser Reinigungsprozess vollendet. Jetzt ging es hinter den Imbiss. Gruppenweise sassen sie beisammen und es wurde das scheidende Jahr noch einmal mit kritischen Betrachtungen durchgangen. Witze flogen hin und her, tüchtig angestossen und ein fröhliches Liedlein angestimmt und sogar unter den Klängen einer Mundharmonika das Tanzbein geschwungen.

Von den Uhrenkalibern[1]

Die ersten Uhrenkaliber, die in der Fabrik hergestellt wurden, waren noch keine selbstaufziehenden, wie es heutzutage so Mode wird. Nicht einmal Remontoir-Uhren gab es, sondern ganz einfach Cylindre-Uhren mit einem dazugehörenden Schlüssel zum Aufziehen und Zeigerstellen, kurzweg Schlüsselstück genannt. Der Mechanismus dieser Schlüsseluhren war denkbar einfach und so kam dieser in Wegfall, weil die Uhr zum Aufziehen und Zeigerstellen mit dem Schlüssel auf direktem Wege zu Leibe gegangen wurde. Sehr peinlich wurde aber die Sache, wenn der kleine Schlüssel verloren ging, was keine grosse Seltenheit war. Wenn nicht zufällig ein Uhrmacher auf dem Platze war, der mit Reservenschlüsseln aushelfen konnte, so musste die Uhr einfach stehen gelassen werden. In der Fabrik konnte man sich im Notfalle mit einem spitzen kleinen Mandrin aushelfen. Die Kaliberbenennung der verfertigten Schlüsselstücke heisst 18 cal. 8, 18 c 41 & 18 c 198. Auch gab es damals ein Roskopfkaliber 19 c 113.

Das Uhrensystem Remontoir (Aufzug) brachte der Fabrikation eine grosse Umwälzung. Der Mechanismus war wesentlich komplizierter und erforderte weit mehr Bestandteile als die einfache Schlüsseluhr. Der Hauptvorteil war der, dass es keinen Schlüssel mehr dazu brauchte und das Aufziehen und Zeiteinstellen auf direktem Weg vor sich ging. Auch stellte es an den Remonteur grössere Anforderungen, indem der Mechanismus dadurch komplizierter wurde. Das Werk brauchte bedeutend mehr Bestandteile. Es bestanden zwei Arten dieses Systems: Tirette & Poussette. Beim Tirettestück, welches verbessert aus dem Poussettestück hervorging, musste die Krone zum Zeigerstellen etwas herausgezogen werden, musste aber nach vollzogener Verrichtung wieder auf die ursprüngliche Lage zurück gestossen werden, ansonst die Zeiger beim nachherigen Aufziehen der Uhr in Betrieb gesetzt würden, was wieder einer Störung der Zeigerstellung gleichkäme. Das Poussettestück musste zum Richten der Zeiger ein kleines Metallzäpfchen, welches sich an der Linken Seite neben der Krone befindet, mit dem Fingernagel des Zeigefingers der linken Hand zurückgedrückt werden und dann mit dem Daumen und Zeigfinger der rechten Hand durch drehen an der Krone die Zeiger in die rechte Lage zu stellen. Es waren folgende Kaliber in Arbeit: 19 c 164 ein sehr guter und vielbegehrter Kaliber, 19c 165 die sogenannte flache Uhr, 17 c 131 die gleiche Gattung, nur etwas kleiner, 20 c 91 war eine Zylinderuhr, wurde aber später in ein Ankerstück umgearbeitet, 18 c 148, 19c 137, 19 c 138, 30 c I, 60 c 10. An Damenuhren waren folgende Kaliber: 10 c 11, 10 c I, 10 c 202, 10 c 204, 11 c 4, 11 c 5, 12 c 18, 11 c 112, 10 c 147, 13 c 140, 14 c 45, 10 c 161, 16 c 136, 11 c 42, 12 c 24, 12 c 139, 10 c 109, 11 c 92. Weckeruhren gab es mit folgender Kaliberbenennung: 20 c 50, 20 c 51, 18 c 52 und als grosse Stück Finissageskaliber: 13 & 19 c 17, 18 c 115 und 20 c 31. Nun ruhen alle noch vorhandenen unfertigen Stücke im grossen Kasten auf dem Estrich (Kaliberfriedhof genannt) und warten auf ihre dereinstige Auferstehung.

Na da habe ich mir etwas nettes eingebrockt. Es ist doch sonderbar, Ereignisse und Geschehen, welche bedeutend weiter zurückliegen, hatte ich noch besser im Gedächnis als das Näherliegende. Bekannten, denen ich dieses mitgeteilt habe, bestätigen dieses vollauf mit der Begründung, dass Geschehenes in den Jugendjahren viel besser im Gedächnis haften bleibt. Aber trotzdem will ich es versuchen, noch weiter zu schreiben. Ein neues Jahrhundert hatte die Schwelle überschritten. Die Zeit steht nie stille, ununterbrochen dreht sich das Zeitenrad, bringt neues hervor und das alte verschwindet im Tal der Vergangenheit. Wenn ich nur so an die alten vertrauten Dorfnamen denke wie z.B. Stinibändi, Stinilipp, Steisoger-Schang, so hiess früher der bekannte Tschuy-Ätti, Gast-Vik, Leni-Durs, Stüdi-Chlaus, der einstige Gemeindeweibel, Schlosser-Sebis, s'Apeloni bi der Chilche, dr Chemifäger-Viggi und dr Bändi und s'Babeli, Tschamperi Sebis, Seppi und Fried und so noch viele andere. Diese alle sind schon längst vergessen.

Da ich eigentlich für die Fabrik schreiben wollte, so kehre ich schleunigst an mein ursprüngliches Thema zurück. Also in der Fabrik ging es gut, man wusste nichts von Krisen. Es wurden meistens grosse Uhren hergestellt, besonders die Kaliber 19 c 165 - 164, Wecker 20 c 51 – 18, 50 – 52 waren so recht zügige Ware und hatten guten Absatz.

Die Fabrikglocke rief am Morgen die Leute zur Arbeit, am Mittag gab sie das Zeichen zur Mittagsruhe und um 1 1/4 Uhr zur Nachmittagsarbeit. Wie schnell vergeht die Zeit bei der Arbeit. Monate um Monate fliegen nur so dahin. Unser Patron von damals, Herr. Th. Schild, machte regelmässig die Visiten und ging von Maschine zu Maschine und fragte bisweilen die darauf beschäftigten Arbeiter über die Arbeit, ob es gut gehe und wo man eventuell Verbesserungen anbringen könnte.

Unsere Ortschaft vergrösserte sich zusehens, besonders das Jahr 1904 war im Wohnhäuserbau ein Rekordjahr. Wie Pilze wuchsen die Neubauten aus dem Boden. Dies hätte nicht geschehen können, wenn nicht kurz vorher die neue Wasserversorgung, welche so dringend nötig war, eingeführt worden wäre. Jetzt nachdem einmal genügend Wasser vorhanden war konnte ans richtige Bauen gedacht werden. Auch der Fabrik war das neue Wasser sehr erwünscht. Die alte Brunnstube ausserhalb des Wissbächli an der Jurastrasse lieferte nur noch bei Regenwetter das unentbehrliche Nass.

Nach und nach wurde es am politischen Himmel recht unruhig. Die Kriegsfurie machte von sich reden. Zuerst kam Südafrika daran, wo sich die Buren gegen die Engländer wehren mussten, aber leider der drückenden Übermacht der vordringenden Engländer schliesslcih unterlagen. Von diesem Krieg sind mir noch einige Namen im Kopfe geblieben wie z.B. Ohm Krüger, der Präsident, General De Wet, der Spionskop, der lange Dom. Kaum war dieser Krieg zu Ende, als es im fernen Osten anfing. Diesmal waren es die Japaner, die mit dem russischen Bären einen harten Zweikampf ausfochten, welcher für die zäheren Japaner siegreich entschieden wurde. Die Namen Kuropatkin, Marschall Oyama, Mukden, Port Arthur wurden für uns zungengewandt, doch konnte auch dieser Krieg uns nicht viel anhaben, da er von uns viel zu weit entfernt war. Dann wurde es auf dem Balkan unruhig, indem die kleinen Balkanstaaten einander das Leben schwer machten. In unserem Kontinent war es noch ziemlich ruhig, doch schrieben die Zeitungen von Rüstungen unserer Nachbarstaaten. Um für alle Eventualitäten gerüstet zu sein, wurde in unserem Lande die neue Militär-Organisation eingeführt, um im Ernstfall zur Defensive bereit zu sein. Die Feldbatterien bekamen neue Geschütze mit Rohrrücklauf und die Batterie wurde um zwei Geschütze reduziert. Ebenfalls kamen die 12 cm Positions-Geschütze in Wegfall und wurden durch Haubitzen ersetzt.

1914[1]

Uebersichtsplan der Landesausstellung 1914 in Bern.

Trotz alledem rüstete sich unsere Bundesstadt zum Empfang der Besucher aus allen Gauen unseres Vaterlandes, denn die Landesaustellung stand vor der Türe, welche am 15. Mai 1914 eröffnet wurde. Alles strömte Sonntag für Sonntag nach der Ausstellung; aber auch werktags gab es viele Besucher. Die Stadt Bern war so ziemlich isoliert oder es waren Besucher, die mehrere Tage dort zu verweilen gedachten wie z. B. aus entfernt gelegenen Gauen, welche die Gelegenheit ausnützten, die Stadt Bern kennen zu lernen. Für die Leute, die nur Interesse für die Ausstellung hatten, war die Sache sehr gut organisiert. Sie hatten nur dem Zuge zu entsteigen, sich ins Tram zu setzen und in wenigen Minuten waren selbe vor den Toren der Ausstellung. Essen und Trinken konnte man in der Ausstellung so viel als man wollte. Hatte man so ziemlich genug von allem, so war man mit dem Tram im Nu wieder beim Bahnhof unten, um den nächstbesten Zug zu besteigen, der uns heimbeförderte.

Inzwischen hatte sich der politische Horizont drohend verfinstert und es fehlte nur noch der Funken, der das Pulverfass zur Explosion bringen sollte. Auch das liess nicht lange auf sich warten. Mit der Ermordung des Erzherzogs Ferdinand und dessen Gemahlin in Sarajewo war das Fass zur Entzündung gebracht und der Krieg war da. Statt uns an den üblichen Höhenfeuern des 1. August 1914 zu erfreuen, riefen die Glocken mit Sturmleuten die Schweizer zu den Waffen, um die Grenzen zu beschützen. Mit Ausnahme Italien, das sich einstweilen neutral verhielt, waren unsere Nachbarstaaten miteinander in Kriegszustand getreten. In der Fabrik war von einer Stunde auf die andere keine Arbeit mehr. Viele Leute hatten dabei fast vollständig den Kopf verloren und wussten nichts weiteres zu tun, als tagelang den an die Grenzen marschierenden Truppen zuzuschauen. Andere wieder liessen sich nicht stören, machten die nötigen Hausarbeiten wie Holz zerkleinern, im Garten alles in Ordnung bringen. Wurde einmal ein Gaffer gefragt, ob er denn nichts zu tun habe, so erhielt man zur Antwort: "Jetzt macht man doch nichts mehr. Weiss man ja nicht, was alles mit einem geht und darum hat es keinen Sinn mehr zu arbeiten!“ Tatsächlich hat unsere Ortschaft noch nie so viele Soldaten vorbeimarschieren gesehen. Aus allen Gauen unserer Heimat zogen sie in endlosen Reihen Biel zu, woselbst Bahntransport für dieselben erfolgte. Leider war der seit 1911 im Bau befindliche Grenchenbergtunnel noch nicht vollendet und so musste der Zug den Umweg über Sonceboz Tavannes Moutier machen.

In der Fabrik wurde durch Plakatanschlag bekannt gegeben, dass vorläufig nicht an das Arbeiten zu denken sei. Man müsse die ersten entscheidenden Schlachten abwarten, die geschlagen werden. So mussten wir halt feiern, etwa 1/3 der Arbeiter waren als Soldaten und Beschützer an die Grenze gezogen. In Grenchen war beständig Militär einquartiert in den Schulhäusern oder in der Turnhalle. Kaum sind diese weitergezogen, so rückten schon wieder andere an. In der Fabrik war also Ruhe. Die Räder standen still, weil der Kriegsgott Mars es so will. Jetzt war es in der Tat die beste Gelegenheit, welche aber auch beim Schopfe gefasst wurde, dass die Automätler mit ihren Maschinen zu besserem Lichte kamen. Zu diesem Zwecke wurden die Maschinen in verschiedene Säle versetzt. So kamen die Tiges-Automaten in den einstigen Schalenmacher-Saal. Die Schraubenmaschinen wurden im oberen Saal auf der Südwestseite aufmontiert und die übrigen kamen an die Ostseite. So nun also waren sie hübsch getrennt. Es war aber klar, dass dieses nur als vorübergehend gedacht war, denn gleiche Maschinen gehören einfach zusammen.

Man zählte das Jahr 1918, der Krieg neigte sich seinem Ende entgegen, als Profilstangen an der östlichen Seite der Fabrikanlage Neubauten in grossem Ausmasse anzeigten, ein Teil bis stark an die Kapellstrasse und ein Flügel nach Süden.

Muss aber noch schnell um drei Jahre zurück, um etwas Wichtiges zu erwähnen. Es war also am St. Ursen Tag, 30. September [1915], als in Mümliswil im Talbezirk ein grosses Brandunglück geschah und die dortige Kammfabrik in Schutt und Asche legte, sowie 33 brave Arbeiter und Arbeiterinnen den Flammentod erlitten. Dieses Feuer entstand durch einen Funken an einer Schleifmaschine und im Nu war das Unglück geschehen, denn Celluloid ist ein sehr feuergefährlicher Artikel. Zwei Familienväter wollten sich durch das Eingangsportal retten, aber o wehe! Durch die Gewalt der Explosion hatte sich die Decke gesenkt und die Türe, welche von aussen her mit aller Gewalt zu öffnen versucht worden war, blieb geschlossen. Und so mussten die Leute zusehen, wie die beiden Männer lebend verbrannten. Wären die Türen nach aussen aufgegangen, so wären zwei Menschen gerettet worden. Um einem ähnlichen Vorkommnis vorzubeugen, wurde von der Kantonsbehörde, die sich mit dem Feuerschutz befasste, der Beschluss gefasst, dass an sämtlichen Fabriken unseres Kantons die Eingangsportale so zu ändern, dass sie nach aussen zu öffnen sind. Auch das Portal in der hintern Fabrik war mit diesem Nachteil versehen und wurde deshalb von den beiden Fabrikschreinern in die richtige Lage versetzt. Am 1. Oktober 1915 wurde die Bahn Grenchen-Münster eröffnet. Angesichts der Zeitumstände wurde bei der Eröffnung die Feier weggelassen. Der erste Zug fuhr von Münster in den Bahnhof Grenchen-Nord ein, wie wenn das schon längst der Fall gewesen wäre. Vorerst war aber an keinen grossen Personenverkehr zu denken. Militärzüge belegten die Strecke fast fortwährend. Alle Tage sah man endlose Güterzüge mit Gefangenenpost im Tunnel verschwinden. Die Strecke bot, weil nicht mehr über Sonceboz-Tavannes-Münster, eine bedeutende Abkürzung. Da sich der Kohlenmangel immer stärker fühlbar machte, war diese Abkürzung doppelt zu begrüssen.

Beim Rickentunnel, der etwas länger war, waren durch Kohlengas, welches beim Befahren des Tunnels entstand, 4 Kondukteure ums Leben gekommen. Um im Grenchenbergtunnel ähnlichem vorzubeugen, wurde ein grosser Ventilator, welcher den. Rauch in Abzug brachte, eingebaut. Seitdem die Bahn elektrifiziert ist, also mit weisser Kohle getrieben wird, ist der mächtige Ventilator, der jetzt noch besteht, ein nutzloses Ding geworden.

In der Fabrik wurde der Betrieb nach 3 Monaten Feier wieder allmählich aufgenommen. Es gab aber grosse Lücken, denn was diensttauglich war, stand zum Schutze unseres Landes an der Grenze. Hier war auch beständig Militär, ganz besonders lange war das Zürcher Stadt-Bataillon Nr. 165 in Grenchen einquartiert. Eine Begebenheit ist mir noch sehr gut in Erinnerung. Als ich an meiner Etampier-Maschine arbeitete (ich machte ausnahmsweise Pig rem. [Pignon remontoir] mit Rundloch), kam unser Patron mit militärischem Besuch und blieb auch bei meiner Maschine stehen, um mir zuzuschauen, wie ich Stück für Stück in Form legte und mit der Maschine bearbeitete. Der Herr Patron erklärte seinem Besuche den Vorgang mit den Worten: Das ist eine sehr interessante und wichtige Maschine. Mit dieser werden die Carréloch gestanzt" und zu mir gewendet: „Zeig mal ein fertiges Stück!" Bereitwillig gab ich ein solches her, doch war es mir nicht recht, dass sich mein Patron so vergaloppiert hatte mit der Erklärung. Ich tröstete mich aber damit, dass die Herren Offiziere den Irrtum übersehen haben und ein Carré mit einem gewöhnlichen Rundloch doch nicht so recht unterscheiden konnten. Es wäre aber an mir gewesen den Herren zu sagen: bitte, diesmal mache ich ausnahmsweise Rundloch. Aber das durfte ich doch nicht. Einesteils wollte ich dem Patron nicht Widerreden, andernteils war ich zu schüchtern dazu. Ich war froh, als sich die Gesellschaft wieder verzog, um weitere Maschinen zu besichtigen. Da in der Fabrik nur ganz wenig Arbeit war, so musste ich, um einigermassen vollbeschäftigt zu sein, noch andere Partien verrichten. So arbeitete ich nebst meiner Partie noch auf Halbautomaten, Renuredrehen der Pig Coul [Pignons Coulantes], ferner Raquette drehen, Renvoir ausschleifen. So hatte ich immer Arbeit. Leider bin ich nicht zu meinem Lohn gekommen, da ich mich nicht auf die Arbeit konzentrieren konnte, bald musste ich das machen, bald jenes und keinen Tag lang konnte ich an der gleichen Maschine arbeiten. Anfänglich war dieses Treiben interessant und abwechslungsreich, allmählich wurde mir die Sache doch zu bunt und ich sprach deswegen beim Patron vor. So könne es nicht mehr auf die Länge gehen, erklärte ich ihm, verdiene ja nichts und werde nur immer so herumgejagt; lieber wolle ich fort als noch länger so weitermachen. Der Patron war mit dem Fortgehen nicht so recht einverstanden und sagte: „Habe noch ein wenig Geduld! Bald wird es mehr Arbeit geben und man kann dir die zugewiesenen Arbeiten wieder abnehmen und du kannst wieder ruhig auf deiner altgewohnten Partie arbeiten.“

Es bessert mit der Arbeit[1]

Und so geschah es. Nach und Nach gab es auf meiner Partie mehr Arbeit und ich konnte die zugezogenen Partien wieder abhängen. So übernahm Vater Rüefli, in der Storchengasse wohnhaft, das Renuren-Drehen und ich war sein Lehrmeister, obschon Vater Rüefli 20 Jahre älter war als ich. Als Lehrlohn bekam ich von ihm eine Flasche selbstgebranntes Birliwasser. Natürlich war ich mit dieser Gabe zufrieden, hat der mich auch von einer Partie enthoben, die mir am meisten Kummer und Sorgen machte und das zählte mir doppelt. Ich war also sehr froh, dass ich diesen Posten hängen konnte. Und so bekam ich auf meiner Partie Arbeit in Hülle und Fülle, sodass es notwendig war, eine Hilfsarbeiterin anzustellen, welche die etampierten Pignons krösierte (feinfräste). Die grösseren Kaliber waren vollständig von der Bildfläche verschwunden und es kamen kleinere Kaliber zur Verarbeitung wie z.B. 10 c 128. Es erfolgte also eine Umwandlung in den Uhren und nach und nach trug die Armbanduhr den Sieg davon. In unseren Nachbarländern tobte der Krieg und alle Fabriken wurden auf Kriegsartikel eingestellt. Uhren waren aber gleichwohl notwendig und so kam es, dass unsere Fabriken mit Aufträgen überschwemmt wurden. Es wurden sogar Kriegsartikel geliefert von inländischen Fabriken. Jede Autogarage oder was sich sonst zu Fabrikationszwecken gut eignete, wurde in eine Kriegsartikelbude umgewandelt und so gab es Gelegenheit, sich schnell zu bereichern. Unsere Fabrik machte aber eine rühmliche Ausnahme. Die Tradition unseres verehrten Gründers wurde von den Söhnen festgehalten. Sie lautet: in unserer Fabrik werden nur gute Uhren hergestellt.

Viele Austritte gab es mit der Begründung: wir fangen ein eigenes Geschäft an und so taten sich 3-4 Arbeiter zusammen, die es einigermassen verstanden, eine Uhr handelsfertig herzustellen. So entstanden mehrere Ateliers, die es so ziemlich auf einen grünen Zweig brachten. Als sich aber der Krieg dem Ende näherte, so war es grösstenteil mit der Herrlichkeit der Kleinfabrikanten zu Ende. Mit dem Neureichtum ging es grösstenteils wieder bergab. Wie gewonnen, so zerronnen! In den Kriegsartikelbuden, wo im Hochbetrieb schwer Geld verdient wurde, wurden die Aufträge immer knapper, bis sie schliesslich gänzlich aufhörten. Auch da hatte die Herrlichkeit ein Ende. Die Maschinen, meistens ältere Sorten, die von einer Fabrik wegen Nichtgebrauch billig erstanden wurden, wanderten grösstenteils in das Reich des Alten Eisens.

Unser neuer Firmenname

Eines Tages prangte an der Fassade der alten Fabrik der Name „Eterna“. Das wird wohl die neue Firmabezeichnung sein, wurde herumgesprochen und so war es auch in der Tat. Bis jetzt arbeiteten wir in der Fabrik Gebr. Schild & Co. Auf die Dauer aber konnte dieser Name nicht bestehen und so musste nach einer neuen Benennung gesucht werden Mit “Eterna”, das von ewiglich abstammt, hatte unser Herr Patron eine wirklich gute Idee, als er unter den zahlreichen Namen diese Bezeichnung als Siegerin hervorgehen liess. Heute ist dieser Firmaname zu einem allgemeinen Begriff geworden. Nebst dieser Bezeichnung wurde der Name auch verkürzt in Eta. Eterna ist die Bezeichnung der Firma, welche die Uhren fertig erstellt, früher nur die „Fertigen“ genannt, Eta für diejenige Firma, die nur Rohwerke erstellt. Auf diese Weise ist die Doppelfirma entstanden.

Es wird gebaut [1918][1]

Tour à pivoter, Schweiz um 1920.

Es war im Juni 1918. An der Ostseite der Hofstatt mit den zahlreichen Apfelbäumen wurden Profilstangen aufgestellt, welche einen Neubau kennzeichneten, einen Flügel gegen Osten bis hart an die Kapellstrasse, es musste infolgedessen viel Erde weggegraben werden. Das Fundament wurde fertigerstellt, dann wurde der Bau nach einer längeren Unterbrechung von einer anderen Baufima fertigerstellt. Der Bau war von ganz anderer Architektur und hatte ein sehr nobles Aussehen. Mit schönen Kunststeinen wurden die Fenster eingefasst und die Fassaden in grauem Farbton gehalten. Das Treppenhaus war sehr geräumig und mit breiten, steinernen Treppen versehen. Nach anderthalb Jahren war dieser schöne Bau vollendet und machte nach aussen einen sehr schönen Eindruck. Im Flügelbau gegen Süden, der nebest Parterre noch zwei Stockwerke aufweist und mit einem Flachdach versehen ist, war der Parterreraum für die neue Mechanik bestimmt. Der erste Stock musste die zerstreuten Automaten aufnehmen und endlich der zweite Stock war für das Ebauche der Eterna-Uhren bestimmt. Im Flügel gegen Osten war das Zahltagsbüro und Konferenzzimmer und später der Essaal vorgesehen, im ersten Stock waren sämtliche Büroräume untergebracht, im zweiten Stock die Régleuses und Retouches und endlich im dritten Stock, welcher wegen seiner Höhe hell und von wo aus man eine schöne Aussicht auf die Umgebung hatte, war für die Remonteur Pivoteur und andere Partien bestimmt. Von der schönen Hofstatt ist nur ein kläglicher Rest von einigen Bäumen übriggeblieben. Mit diesem Neubau hat sich das Fabrikareal um das Doppelte vergrössert.

Leider nahm gegen Ende des Krieges die Arbeit bedenklich ab und die Gemeinde gab sich alle erdenkliche Mühe um Arbeit zu verschaffen und dieselbe zeigte sich im Dränage der Grenchner Witi. Ein beträchtliches Stück Land, welches nun mit Hilfe von Bundessubvention etappenweise in Angriff genommen wurde. Die erste Etappe war die Geradelegung des Witibaches, welcher bis jetzt in zahlreichen Krümmungen der Römerbrücke zustrebte. Zwischen den Bächen, dort wo sich der Dählenbach und der Dorfbach vereinigten, wurde ein provisorisches Bachbett erstellt, welches das Wasser auf dem kürzesten Weg der Aare zuleitete, womit der Witibach trockengelegt wurde und dadurch die Arbeiten ungestört vorgenommen werden konnten. Durch diese Arbeiten konnten zahlreiche Arbeiter, welche sonst beschäftigungslos geblieben wären, herangezogen werden. So wurde mit der Zeit die ganze Witi dräniert, was etwa 6 Jahre dauerte.

In der Fabrik wurde im Jahre 1919 ein maschinentechnisches Büro eröffnet. Der Inhaber des Büros, E.M. ein strebsamer junger Mann, hatte ein grosses Arbeitsfeld vor sich, galt es doch, nachdem er sich einigermassen eingelebt hatte, die Automaten im Neubau zu vereinigen und das war keine so leichte Aufgabe. Sie wurde aber mit Hilfe eines erfahrenen tüchtigen Arbeiters, der mit prächtigen Ratschlägen dem Techniker zur Seite stand, ausgeführt. Es wurde dabei nur auf die guten Maschinen Rücksicht genommen und die ganz alten Maschinen wurden vorläufig an ihrem Standort gelassen, um sie später gänzlich auszuschalten. Eine weitere Aufgabe des Technikers war die Revision der Maschinen, wo man eventuell Verbesserungen anbringen könnte. So wurden unter anderem auch die Schraubenautomaten-Maschinen mit Spaltapparatur versehen. Dann gab es wieder neue Maschinen auszudenken, zu zeichnen und nach den Plänen auszuführen. Kurz es gab also Arbeit in Hülle und Fülle.

So ungefähr um die gleiche Zeit gab es Wechsel bei meinem Visiteur. Nach dem erwähnten "Strengen" erhielten wir einen guten, verständlichen Mann namens Mathey, welcher aber bloss zwei Jahre auf diesem Platze verblieb. Dann bekam ich einen unverständlichen, der alles auf den Kopf stellen wollte. Doch diesen nahm man nicht allzu ernst, da man ihm zum voraus keine allzulange Herrschsucht prophezeien konnte und nur als Lückenbüsser angesehen werden konnte. Wirklich eines schönen Tages packte er seine Siebensachen zusammen und kehrte der Fabrik den Rücken. Niemand hat ihm eine Träne nachgeweint. An dessen Stelle kam der bis zur heutigen Stunde noch an seinem Platze weilende F. Fl.

1920 wird umgezogen

Eterna ca. 1920.
Die Fabrikglocke der Eterna AG, Grenchen.

Vollendet steht nun der schöne Ostbau da, in welchen wir auch Einzug halten konnten. Unser Platz war im zweiten Stock ostseits, während die Westseite vom "fertigen Ebauche" schon längere Zeit belegt war. Hier oben war es schön! Frau Sonne spendete ihre wärmenden Strahlen, wenn sie gelaunt war, manchmal fast zu viel, sodass es ziemlich ungemütlich warm wurde.

Die ganze Fabrik wurde mit einer neuen Telephonanlage versehen. Jeder Saal bekam eine gut sichtbare Uhr mit Läutwerk und so wurde die Fabrikglocke, welche fast 50 Jahre ihren Dienst versah, überflüssig. Sie hängt noch im Turm, aber ihr metallner Mund ist verstummt wohl für alle Zeiten. Vielleicht kann sie am hundertjährigen Jubiläum der Fabrik ihre Stimme noch einmal erschallen lassen.

Wir waren zirka 4 Jahre hier oben, da mussten wir wieder umziehen und zwar in den alten Remonteur-Saal Nr. 14. Ungern sind wir von dem schönen Ort geschieden. Aber es musste halt sein; man gewöhnt sich schliesslich an alles. Arbeit war reichlich genug und steigerte sich noch zusehends. Man zählte 1929. Plötzlich nahm die Arbeit rapid ab, doch es wurde der Sache keine ernste Bedeutung zugemessen und man vertröstete sich damit, dass es wohl eine vorübergehende Stockung sei und bald wieder in normalen Gang gebracht werden könne. Aber leider weit gefehlt! Wir waren in die grösste Krise geraten, die die Uhrenmacherei je erlebt hatte. Diese dauerte fast 4 Jahre. Zum Glück wurde ein Jahr früher im Kanton Solothurn eine Arbeitslosenkasse gegründet. Wie froh war man für jeden Rappen, den man aus dieser Kasse beziehen konnte! Alles geht vorüber, so auch die Krise. Mitten in der Krisenzeit konnte unser verehrter Patron Herr Th. Schild den 60ten Geburtstag feiern. Mit seinen Geschwistern und Brüdern hat er das Unternehmen, welches von seinem verehrten Vater gegründet wurde, vergrössert und erweitert. Doch sah er sich genötigt, die Leitung einer jungem Kraft anzuvertrauen und dazu war sein Neffe, Herr Dr. R. Schild, bestimmt. Ihm wurde die schwere Arbeit zuteil, das Werk weiterzuführen und den Verhältnissen der neuen Zeit anzupassen in Bezug auf moderne Maschinen und neue Kaliber. Aber auch die Fabrik selbst, d.h. aus deren Gebäulichkeiten ein einheitliches Ganzes zu schaffen, war seine Aufgabe. Eine bedeutende Umwälzung in der Totalplanierung der Uhr hat sich vollzogen. Der Vorschlag dazu kam aus dem maschinentechnischen Büro. Eine Planierung des Uhrwerks ist für das technische Büro eine ungeheuer grosse Arbeit wenn man bedenkt, dass das Uhrwerk aus zirka 200 Teilen besteht und für jeden Teil, auch für das winzigste Schräubchen, ein Plan angefertigt werden muss und dann kommen noch die Pläne für die Stücke im halbfertigen Zustande für Décolletages. Kurz eine[r] gewaltige[n] Arbeit wurde dadurch zum freien Gestalten eines Kalibers den Weg geebnet. Das Ausprobieren der Teile fällt weg. Alles muss genau nach Plan gemacht werden und so muss es klappen. Natürlich muss das technische Büro die Verantwortung übernehmen, wenn es trotz Plan nicht passen würde. Als nun mit dieser neuen Methode die grössten Schwierigkeiten überwunden waren, zeigte sich ein grosser Fortschritt in der Herstellung der Werke. Und jetzt wird alles nur nach Plan gemacht.

Das Werk der Uhr wird immer kleiner[1]

Als ich vor 7 Jahren eine grössere Velotour machte, kam ich auch in Erstfeld am Fusse des Gotthards vorbei und besuchte dort einen alten bekannten Arbeiter, der früher auch in der "Eterna" arbeitete. Derselbe treibt dort das Handwerk eines Rhabilleurs und ein Uhren- und Bijouteriegeschäft. Unter anderem fragte ich ihn, wie es ihm auch gehe. Er machte aber eine bedenkliche Miene und sagte endlich: "Jo lue, der Ma wird immer wie älter und d'Uhr immer wie chlyner!" Ich musste ihm beistimmen, denn der Rekord zielt diesmal nach unten; wie kleiner die Uhr, desto grösser der Rekord. Die Werke mit 7 Linien waren sonst die kleinsten. Jetzt gib es aber Werke, welche nur eine Grösse von 4 1/2 Linien haben. Es ist kaum glaublich, dass solche kleine Werke ohne Plan zustande gekommen wären. Diese Methode wirkt sich sogar bis zum Remonteur aus. Derselbe braucht nicht mehr daran herumzuflicken und doktern, sondern kann die Teile nur zusammensetzen, während nach alter Methode eine Menge Werkzeuge nötig waren wie z.B. Hammer, Ausreibahlen, Bohrer und wie die Dinge alle heissen. Es braucht jetzt nur ein Brüxel [Pinzette], Tournevis [Schraubenzieher] und Bürstchen. Der Remonteur nach dem alten Schlage hatte aber den Vorteil, dass derselbe in der Zwischenzeit noch in privater Weise Uhren reparieren konnte und so noch manchen Franken verdiente.

Eine freudige Überraschung

Es war im Sommer 1934 nach der grossen Krise, als die Arbeit wieder allmählich anzog. An einem Samstag gingen wir müde von der Arbeit durch den holprigen Fabrikhof. 8 Tage durfte man die bezahlten Ferien irgendwo verbringen. Fast alles zog gegen das Berner Oberland, um dort in der frischen, stärkenden Alpenluft neuen Mut und neue Kraft zu holen und so neugestärkt wieder an die Arbeit zu gehen. Aber welch grosse Überraschung, der Fabrikhof war inzwischen asphaltiert worden! Der Brunnen bei der steinernen Treppe war durch blühende Geranien geschmückt. Das verleihte dem Fabrikhof ein ganz anderes Aussehen. Und so lernte man unsern Herrn Patron als sehr ordnungsliebend und als grossen Freund der Blumen kennen! Und wer Freude an Blumen hat, ist gewiss nicht aus schlechtem Holz. Das war aber nur ein kleiner Anfang. Schon lange sah man Architekten Messungen an der hintern Fabrik (Turmgebäude) vornehmen. Eines schönen Tages fuhren Autos mit Gerüstlatten in den Fabrikhof ein und alsbald wurde an der Südfront des Turmgebäudes nach moderner Art ohne Stangen ein Gerüst erstellt. Der alte Bestich wurde mit Hammer abgeschlagen. Ebenso wurden die übriggebliebenen, von elektrischen Leitungen herrührenden Isolatoren entfernt. Nachdem das Gemäuer mit Wasser tüchtig ausgespült war, wurde der neue hellgraue Verputz angebracht. Dann wurden die Fenster eines um das andere abgetragen, um neuen Fenstern mit Doppelglas Platz zu machen. Auf diese Weise wurde das ganze Turmgebäude einer gründlichen Renovation unterzogen. Das geschah so um das Jahr 1936.

Es wurde vom Bundesrat im Jahre 1938 beschlossen, in Zürich eine Landesausstellung abzuhalten. Nachträglich wurde die Ausstellung um ein Jahr wegen den grossen Vorarbeiten, die eine Ausstellung in grossem Ausmasse mit sich bringt, verschoben. Auch unsere "Eterna" rüstete sich auf den friedlichen Wettkampf in der Konkurrenz. Zu diesem Zwecke wurde von einem Techniker eine Uhr gebaut in stark vergrössertem Format. Dieselbe stellte also einen unserer gangbarsten Kaliber dar und war in Wirklichkeit ein ganz kleines Stück. Der politische Himmel trübte sich zusehends und bald wäre es zum Kriege gekommen, wurde aber noch im letzten Augenblick (Münchner Abkommen) unterdrückt.

Der Luftschutz

Adolf Gschwind als Luftschutzsoldat in der Eterna.

Um allen Eventualitäten gerüstet zu sein, wurde auch in der "Eterna" ein Luftschutzkorps gegründet. Alle die militärdienstfrei waren, mussten sich an einem Feierabend besammeln. Anfangs waren es nur gegen 20 Mann. Wir bekamen einen Gürtelhelm und eine Gasmaske und mit diesen Effekten angetan mussten die Übungen vorgenommen werden. Leiter des Luftschutzes war der Maschinentechniker Herr E. Mauerhofer, der das Grad eines Hauptmannes innehatte und deshalb als Herr Hauptmann angesprochen werden musste. Wir mussten üben im Anziehen der Maske und so die Treppen auf- und abgehen. Nach und nach vergrösserte sich das Korps bis auf 60 Mann, Uniformen wurden von der Fabrik angeschafft. So bestand die Truppe, als Kompagnie benannt, aus Hauptmann, Oberleutnant, Leutnant und Soldaten.

Obschon am Anfang nicht gerade die beste Begeisterung herrschte und die ganze Sache ins Pfefferland gewünscht wurde, so war der Luftschutz doch dem Militärgesetz unterstellt und man musste halt seine Pflicht erfüllen. Im übrigen war es ja nicht so schlimm und unser Herr Hauptmann wusste die Sache interessant zu gestalten und verlangte nicht übermenschliches, aber alles was getan werden konnte. Auf diese Weise bekamen wir einen Begriff von der Grösse der Fabrik, da wir in allen Sälen Kontrolle machen mussten, ob alles, was das Löschwesen anbelangt, in Ordnung sei. Der Luftschutz bestand aus Unterabteilungen wie Feuerwehr, Verbindungstruppe, technische Truppe sowie Sanität. So wurden Spezialübungen abgehalten, um dann zum Schluss als Hauptübung in der Fabrik Alarm gemacht wurde. Jeder Mann musste an dem Platze sein, der ihm angewiesen wurde und so konnte die kombinierte Übung vor sich gehen. So eine Übung nahm gewöhnlich fast eine Stunde in Anspruch, dann wurde Kritik geübt.

Der Einzelmotorantrieb

Eine Umwälzung in der Maschinenabteilung bildete der Einzelantrieb, das heisst jede Maschine bekam ihren Motor und wurde auf diese Weise unabhängig von der Transmission. Es wurde damit Einsparung am Strom bezweckt, Bekämpfung des Staubes, denn die Transmission befördert den Staub in hohem Masse, ein freieres Aussehen des Saales, weil keine Transmission sowie Renvoirstangen mehr vorhanden sind und schliesslich Bekämpfung des Lärmes. Um aber so etwas in einer Fabrik durchzuführen wie in der "Eterna", braucht es hunderte von kleinen Motoren. Auf diese Weise wurde ein Saal um den andern von den Transmissionen geräumt und die Maschinen mit den kleinen Motoren versehen. Es gab da manche Knacknuss zu lösen wegen zweckmässigem Anbringen des Motors. So war es auch möglich, eine Maschine beliebig zu versetzen, weil sie nicht mehr an die Transmission gebunden war. Kleinere Maschinen wurden samt Motor auf ein Holzbrett montiert. Auch meine Etampier-Maschine musste sich dieser Prozedur unterziehen und nun hatte sie einen schnelleren Gang, der ihr aber nach und nach zum Verhängnis wurde, weil sie nur auf einen langsamen Gang eingerichtet war und täglich mit einigen Tropfen Oel zufrieden war. Trotz fleissigem schmieren und ölen wurde die Welle immer mehr angefressen, fing an zu "hoppern" und lärmen und man konnte ihr nicht genug Schmiermaterial beibringen. Es war einfach nicht mehr gemütlich. Vorher hatte ich so eine gute Maschine mit ruhigem Gang. Jetzt wurde sie eine "Choldermaschine" und machte mich ganz nervös. Wie oft ging ich klagen, wurde aber immer damit vertröstet, es gebe dann eine neue. Ich soll nur noch ein wenig Geduld haben. So musste ich mich noch mehr als ein Jahr in der Geduldsprobe üben. Alles hat seine Zeit. An einem Vormittag wurde vom Camioneur so eine Maschine abgeladen und das soll jetzt meine neue Pressmaschine sein. Misstrauisch betrachtete ich das unförmige Ding und es wollte mir anfänglich gar nicht in den Kopf, dass das meine neue Maschine geben soll. Zur Probe wurde sie im Saal aufgestellt und mit dem nötigen Kontakt versehen. So arbeitete ich, meine Arme freischwebend in der Luft haltend, darauf um zu schauen, was mit dem Maschinli anzufangen sei. Wenn nur eine Unterlage wäre, um die Arme aufzulegen! Da wird man ja kolossal müde. Also musste vor allem ein Auflagetisch gemacht werden. Dann zeigte sich ein zweiter Fehler: die Maschine war zu niedrig und musste mit Holz um 8 cm höher gestellt werden. Als dritte Notwendigkeit musste ein passender Behälter konstruiert werden, um die Stücke in demselben aufzufangen. Nach dieser Ausstaffierung bekam die Maschine ein nettes, gefälliges Aussehen.

Die Landesausstellung

Allmählich rückte die Zeit heran, wo sich die Pforten der "Landi" öffneten. Uns Arbeitern war auch Gelegenheit geboten, dieselbe zu besuchen, indem uns grösstmögliche Preisermässigung geboten wurde. So fuhren wir an einem Samstag nach Zürich direkt Engebahnhof und waren so im nächsten Bereich des Ausstellungsgebietes. Mit dem Bahnbillet, welches wir vorweisen konnten, traten wir ein. Zuerst ging es durch die Höhenstrasse welche uns so recht den Zweck und Ziel der "Landi" veranschaulichte. Am Ende der Strasse stiessen wir auf die Uhrenausstellung, welche mich natürlich am meisten interessierte. Als interessant galt auch der Glockenturm mit den vielen Glocken, jede auf einen andern Ton abgestimmt. Auf einer Klaviatur, welche mit den Glocken in Verbindung gebracht war, konnte man wie auf einem Klavier Lieder spielen, welche durch die Töne der Glocken angestimmt wurden. Auch die grossen Maschinenhallen sowie Nutzbarmachung der Naturkräfte wurde in sehr anschaulicher Weise gezeigt. Sehr interessant war der Schifflibach, der durch die Hallen floss und so Abwechslung bot, wenn so ein Schiffli mit Landibesuchern vorüberzog. Besonderes Gewicht wurde auf das Wehrwesen gelegt. Sollte vielleicht in Bälde ein Krieg ausbrechen? Es lag so etwas in der Luft, das nach Lunte roch und in absehbarer Zeit wieder ein Pulverfass zu explodieren vermochte. Die Aussenminister unserer Nord- und Südnachbarn eilten zueinander, um wichtige Besprechungen abzuhalten. Der Auftakt war somit getan, das Pulverfass war auch gefunden im polnischen Korridor und der Hafenstadt Danzig. Anfangs September wurde der Krieg erklärt, das heisst die Deutschen zogen los und nahmen Polen im Sturm, nachdem sie sich vorher noch mit Handstreich Oesterreich und der Tschechoslovakei bemächtigten. Unser Vaterland rief auch seine Söhne zu den Waffen und wählte den General in der Person von Oberstkorpskommandant Henri Guisan. Auch unser Luftschutz. musste einrücken, das heisst ihren Posten im Fabrikareal antreten und bewachen. Wir schliefen einige Nächte im alten Essaal. Immer musste das Telefon bewacht sein, um allfällige Meldungen entgegenzunehmen. Ertönte die Telefonglocke, so musste gemeldet werden: Hier Telefon Ordonnanz der Eta und Eterna. So traf es auch mich, dass ich zwei Stunden lang mit der Wache, von zirka 2 - 4 Uhr, ein andermal von 5 - 7 Uhr morgens. Auf einmal wurde mir auf die Schulter geklopft und eine Stimme ertönte hinter mir: "Es isch guet, göt wieder a eure Platz." Als ich umschaute, war es der Hauptmann, der mich vom Wachtposten erlöste, damit er seinen Arbeitsplatz antreten konnte. Nach und nach verebnete sich die Situation und wir konnten wieder zu Hause schlafen. Nur wenn etwa Alarm ertönte, so mussten wir an unsern Posten springen. Um nicht immer alle Mann zu alarmieren, wurden mit der Zeit Alarmgruppen gebildet, welche während einer gewissen Zeit, bis sie von einer andern Gruppe abgelöst wurden, auf dem Posten sein mussten. So hatten wir 10 Gruppen von je 5 Mann. Hatte eine Gruppe ihren Dienst getan, so konnte sie ruhig im Bett bleiben wenn die Sirene ertönte und das war ein grosser Genuss. Im Nest da bin ich so schön geborgen; die andern sollen jetzt ihre Aufgabe erfüllen. Es ist auch schon vorgekommen, dass man, kaum wieder im Bett, das verdammte Geheul schon wieder blasen hörte und das Bett wieder verlassen musste. Allem Unangenehmen zum Trotz haben wir den Humor nie verloren und ergötzten uns an den andern, die das gleiche Schicksal hatten, bis wir alle in ein Gelächter einstimmten. Es war halt nichts anderes zu machen, als abwechselnd zu patrouillieren im Fabrikhof und Meldung zu machen, wenn ein Fluggeschwader vorüberbrummte und so hatten wir nur das Endalarmsignal abzuwarten. Der Gruppenchef hatte die Pflicht, bei Alarm dem Ortskommando telefonisch mitzuteilen: Fliegeralarm, Fabrikangabe, genaue Zeitangabe, anwesend so und so viel Mann. Nach erfolgtem Endalarm musste noch das Telefon abgewartet werden. Erst wenn das Endzeichen kam, konnte an das Nachhausegehen gedacht werden. Der Gruppenchef musste alles in ein Heft eintragen.

Die alte Fabrikfeuerspritze

An einer Übung, an welcher angenommen wurde, eine Bombe habe das Leitungsnetz der Hydranten zerstört, wurde auch die alte Feuerspritze, ein historisches Museumsstück, aus ihrem Versteck hervorgeholt, um als Notbehelf zu dienen. Aber o weh! Alles war daran verlottert und musste notdürftig von Mechanikern repariert werden. Als sie nun in Tätigkeit gesetzt wurde, reichte ihr Wasserstrahl kaum 5 Meter hoch. Deshalb wurde von der Fabrikleitung beschlossen, eine Motorspritze anzuschaffen. In kürzester Frist war eine Motorspritze auf dem Platze und es musste derselben eine Bedienungsmannschaft zugewiesen werden. Als dieselbe mit der neuen Spritze einigermassen vertraut war, konnte dieselbe versuchsweise in Tätigkeit gesetzt werden. Aus 4 Wendrohren schleudert das Wasser hoch über die Dächer hinaus, vorausgesetzt, dass genügend Wasser zugeführt werden konnte.

Das Löschen von Brandbomben

Als Spezialübung hatten wir auch einmal Brandbomben zu löschen. Zu diesem Zwecke wurde eine Stahlplatte von zirka 1/2 cm Dicke auf den Boden gelegt, eine Bombe darauf gelegt und entzündet. Diese musste von einem Soldaten so rasch als möglich gelöscht werden. Mit Wasser konnte man nichts anfangen, ja im Gegenteil, diese zischte nur um so mächtiger auf. Es musste Sand darauf geworfen werden und sie so von der Luft abschliessen. Nur auf diese Art konnte sie wirksam gelöscht werden. Es brauchte schon ziemlich Courage dazu und mit Gasmaske angetan, denn so ein Ding spritzte unheimlich mit Feuer um sich. So haben wir jeweils eine Reihe interessanter Spezialübungen durchgenommen.

Inzwischen ist die Bautätigkeit in der Fabrik keineswegs eingeschlafen. Nachdem mit dem Aufbau des Kesselhauses in der hintern Fabrik das Gebäude um 4 Fenster verlängert wurde, wurde es in schöner harmonischer Art mit dem alten "Pignon", jetzt Lehrwerkstätte, vereinigt. Man zählte das Jahr 1940 als das Muttergebäude, die vordere Fabrik, daran glauben musste. Weil den jetzigen modernen Anforderungen nicht mehr Stand haltend, musste es durch einen schöneren Bau mit hellen Sälen seinen Standort preisgeben. Dieser Bau wurde in zwei Etappen durchgeführt. Es wurde anfangs die westliche Hälfte abgerissen und neu aufgebaut, um sie 1941 der Vollendung entgegenzuführen. Im Herbst, am 16. September, wurde ich als Jubilar geehrt, als ich um Mittag in die Fabrik kam. Ich getraute meinen Augen kaum, meine Maschine war mit Blumen geschmückt und von Geschenken umstellt. Unter anderem fanden sich ein Rohrsessel, 2 Flaschen Wein und noch verschiedene gute Sachen. Ich konnte mich kaum fassen. Von allen Seiten wurde mir bei diesem Anlass gratuliert. Es wurde eine Foto gemacht, die aber leider nicht gerade gut herausgekommen ist. Meine Augen glänzten von Tränen und es musste deshalb eine zweite Aufnahme gemacht werden. Auch bin ich von Herrn Mauerhofer im Film festgehalten worden, als ich aus der Fabrik kam. Dieses Ereignis ist und bleibt zeitlebens meine schönste Fabrikerinnerung, deren ich mich stets dankbar erinnern werde.

Schluss

So, und nun wäre ich eigentlich am Schlusse meiner Erinnerungen. So nichts ewig bestehen kann, so hat auch der unselige Krieg schliesslich ein Ende genommen. Am Abend des 7. Mai [1945] kam Frau Hänzi ausser sich vor Freude und meldete, dass der Krieg jetzt zu Ende sei. Es hatte gar nicht viel gefehlt, so hätte sie einem umarmt und geküsst.

Seither ist aber die Fabrik in ihrer Entwicklung keineswegs stillgestanden. Nun ist an der Ostseite ein Bau entstanden, der sich edel und harmonisch in das Ganze fügt. Darin ist im Parterre die neue Kantine mit anschliessender Küche mit allen modernen Maschinen wie z.B. Tellerspülmaschine, Fleischhackmaschine etc. Alles ist sehr schön und praktisch eingerichtet. Der Speisesaal ist so heimelig; jeder Tisch ist mit einem Blümlein geschmückt. An der Wand steht ein Spruch: Wer andern hilft, nützt sich selbst. Wenn ich da noch an die alte Zeit denke, wo die Buben aus Lengnau und Arch das Essen brachten und dasselbe bei der Friedhofmauer, jetzt Stadtpark, oder bei der Garnbuche verzehrt wurde oder Arbeiter, die ihr Kesseli in der Härtnerei neben das Feuer stellten. In dieser Hinsicht hat es gewaltig geändert.

Nun steht unsere Fabrik in ihrer vollendeten Schönheit stolz da. Was unser hochverehrter Gründer Urs Schild, dessen Denkmalbüste mit dem schönen Charakterkopf einen Ehrenplatz zugewiesen wurde, als Werk gegründet hatte, haben seine Nachkommen in Hochachtung ihres Vaters vergrössert und ausgebaut und sein Enkel, Herr Dr. Schild, hat das Werk seines Grossvaters so schön gestaltet, dass es unserer Ortschaft alle Ehre macht.

Zum Schlusse danke ich nochmals meinem verehrten Patron, Herrn Dr. Schild.

gez. Adolf Gschwind

Dank

Viele haben mitgewirkt und geholfen, die Erinnerungen von Adolf Gschwind für eine Internet-Publikation aufzuarbeiten. Ihnen gebührt mein grosser Dank:

  • Rainer W. Walter, Grenchen: Er machte mich auf Gschwinds Erinnerungen aufmerksam und verhalf mir zu einer Kopie des Typoskripts.
  • Hans Kohler, Grenchen. Hans Kohler stellte den Grossteil des Bildmaterials zur Verfügung und erzählte mir viele wichtige Details über Adolf Gschwind.
  • Peter Aebi, Grenchen. Seinem enormen Wissensschatz verdanken wir die Erklärung der Fachausdrücke aus der Uhrenbranche. Das Vokabular der von A. Gschwind verwendeten Fachausdrücke stammt aus seiner Feder. Peter Aebi stellte auch einige Abbildungen aus seiner reichen Uhrensammlung zur Verfügung.
  • Friedrich Kauffungen, Archiv und Museum der ETA AG, Grenchen. Die Wiederauffindung des Textes „Die Uhrenfabrik Eterna im Jahre 1901“ ist ihm zu verdanken. Er half mir mit vielen Auskünften weiter.
  • Salome Moser, Stadtarchiv Grenchen. Frau Moser machte mich auf die Adolf Gschwind-Dokumente des Stadtarchivs aufmerksam.
  • Ernst Gschwind, Grenchen. Sohn von Adolf Gschwind. Ernst Gschwind stand mir für wichtige Auskünfte über die Familie Gschwind zur Verfügung.
  • Der Generaldirektion der ETA AG, Grenchen, danke ich für die Erlaubnis, die Centenaire Broschüre der Eterna (1956) hier zu veröffentlichen.

Einzelnachweis

  1. 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 1,12 1,13 1,14 Siehe Uhrmachervokabular für die Erklärung der Begriffe.

Literatur

Die Erinnerungen eines ETA-Arbeiters sind auch in Buchform im Kultur-Historischen Museum erhältlich. ISBN 978-3-033-04661-0.

Quellen

(Dieser Artikel ist Eigentum des Autors / der Autorin und kann deshalb nicht editiert werden.)