Wohnungsnot in Grenchen

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Die neu zugewanderten Personen mussten sich mit Schlafstellen in den Sälen von Restaurants oder den eigens dazu hergerichteten Turnhallen zufrieden geben. In Grenchen herrschte, wie fast überall in der Schweiz, Wohnungsnot. Zu Beginn der 50er Jahre begann sich die Situation dank der Tätigkeit der Baugenossenschaften etwas zu entschärfen.

Die Bilder, die sich einem unbeteiligten Beobachter in Grenchen boten, sind aus heutiger Sicht kaum vorstellbar. Es sah aus, als wären Flüchtlinge vor einer kriegerischen Auseinandersetzung geflohen oder nach einer Naturkatastrophe Notunterkunft gefunden hätten. Doch weder das eine noch das andere traf zu: In der Schweiz herrschte akute Wohnungsnot.
In unserem Land begann sich die Wohnungsnot zu Beginn des 2. Weltkrieges langsam abzuzeichnen.Sie nahm in der Folge teilweise dramatische Ausmasse an und blieb für viele Städte und Gemeinden bis in die späten 60er Jahre hinein ein zentrales Thema. Von den prekären Verhältnissen auf dem Wohnungsmarkt war auch Grenchen betroffen. So mussten einige Familien in Restaurantsälen, in Schulzimmern oder im Untergeschoss der Turnhalle im Schulzentrum untergebracht werden. Um dieser Notlage Herr werden zu können, wurde 1942 in Grenchen das Wohnungsamt gegründet. Über mangelnde Arbeit konnten sich die Mitarbeitenden des Amtes nicht beklagen, es gab genügend Familien, die vor der Obdachlosigkeit bewahrt werden mussten. Ein Auszug aus dem offiziellen Jahresbericht des Wohnungsamtes von 1945 gibt die Situation deutlich wieder: „Die Situation muss als „perfid und ungemütlich“ angesprochen werden. ... Die Wohnungsnot zu beschreiben ist uns nicht möglich und zudem sträubt sich die Feder“. Zu Beginn der 50er Jahre war die Situation nicht mehr so drastisch, doch immer noch angespannt. Ein reger Wohnungsbau setzte ein und die ersten Hochhäuser wurden errichtet. Zu ihnen zählt der Hallgarten beim Bahnhof Süd, der zwischen 1952und 1953 gebaut wurde. Das Thema Wohnungsnot blieb bis zu Beginn der 70er Jahre auf der politischen Traktandenliste. Die problematische Situation auf dem Wohnungsmarkt war nicht auf Grenchen beschränkt. Das selbe Bild zeigte sich auch in anderen Schweizer Städten und Industriezentren ab.

Was waren die Gründe, die zu einer solch katastrophalen Situation führten? Um diesen auf die Spur zu kommen, müssen wir das Rad der Zeit etwas weiter zurückdrehen. Der soziale Scherbenhaufen,den der Erste Weltkrieg hinterliess, und seine Manifestation auf der Strasse in Form des Generalstreiks zwang die Bundesbehörden zum Handeln. Im Vordergrund stand dabei die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Es wurden im Frühjahr 1919 Kredite zur Ankurbelung der Bautätigkeit bewilligt. Die Wohnbauförderung war also ein wichtiges Nebenprodukt im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, was sich unter anderem darin zeigte, dass Gesuche um Subventionen dem eidgenössischen Amt für Arbeitslosenfürsorge einzureichen waren. Der soziale Wohnungsbau war aber noch kein Thema. So pfiff das eidgenössische Amt für Arbeitslosenfürsorge den Kanton Basel-Stadt zurück, als dieser Wohnbaugenossenschaften bei der Verteilung des Subventionskuchens bevorzugen wollte. Die Gelder seien bloss nach dem Gesichtspunkt der Arbeitsbeschaffung zu verteilen, hiess es.
Das Programm war ausgesprochen effizient. In den 30er Jahren bestand ein Wohnungsüberangebot. Der durchschnittliche Leerwohnungsbestand in den Jahren 1935 bis 1939 lag in den Städten bei 4,4 Prozent. Dieser Überhang verlangte keine weitere Intervention des Bundes. Lag der jährliche Reinzugang an Wohnungen in den Gemeinden mit 2000 und mehr Einwohnern in den Jahren 1927 bis 1935 zwischen 10'000 bis 18'000 Wohnungen, sackte er danach auf zwischen 4'000 bis 9'000 Wohnungen ab.
Als Folge der Weltwirtschaftskrise, welche die Industriestaaten nach dem Börsencrash von 1929 heimsuchte, wertete die Regierung den Schweizerfranken ab. Dazu proklamierte der Bundesrat im September 1936 einen allgemeinen Preisstopp. Mit dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 verschärfte die Schweizer Regierung den Preisstopp. Das Mietpreisniveau wurde auf dem Stand vom 31. August 1939 eingefroren. Mit einem gewissen Erfolg: Der Mietpreisindex mit Basis August 1939 stieg bis August 1945 lediglich von 100 auf 102 Prozentpunkte. Im gleichen Zeitraum legte der Landesindex der Lebenshaltungskosten jedoch um 153 Prozentpunkte zu. Der Anreiz, in den Wohnungsbau zu investieren, wurde auf diese Art unterdrückt.
Der Krieg zog eine allgemeine Baumaterialverknappung nach sich. Einerseits brauchte das Militär zusätzliches Material, zum anderen kamen die Importe zum Erliegen. Aber auch der Arbeitsmarkt spürte die Folgen des Krieges. Die Männer wurden zum Militärdienst aufgeboten, und die Rüstungsfirmen brauchten zusätzliche Arbeitskräfte, um der steigenden Nachfrage gerecht werden zu können.
Während des Krieges nahm die Heiratshäufigkeit stark zu. Die jungen Paare wollten in der Regel auch einen eigenen Haushalt gründen. Allgemein verbesserte sich in dieser Zeit das Einkommen bei gleichzeitiger Abnahme des Güterangebotes. Die günstigen Mieten veranlassten deshalb die Konsumenten ihre Wohnsituation zu verbessern. Interessante Randbemerkung: Die Volkszählung 1941 wies den tiefsten Ausländeranteil im 20. jahrhundert aus.

Schon während dem Krieg beschloss der Bundesrat den Wohnungsbau anzukurbeln. Zum „Schutz des Landes und zur Aufrechterhaltung der Neutralität“ wurde nicht nur das Mietrecht verschärft sondern auch Subventionen gesprochen, die je nach Bauträge fünf oder zehn Prozent betrugen. Bedingung war, dass sich Kanton und Gemeinde in gleicher Höhe an den Baukosten beteiligten. (BRB vom 30. Juni 1942). Die Hauptlast des Vollzugs lag bei den Kantonen.
Nach dem 2. Weltkrieg war die Schweiz von einem gut funktionierenden Wohnungsmarkt weit entfernt. Es herrschte Wohnungsnot! Der Wohnungsbau stand praktisch still und neue Herausforderungen standen an. In diesem Umfeld versuchte die Schweiz wieder zur Normalität zurückzufinden. Die verschiedenen politischen Eingriffe erwiesen sich als besonders schwerwiegende Hypothek in der schweizerischen Wohnwirtschaft.

In der Verfügung Nr. 3 des EMD von 1945 wird erstmals der Begriff des sozialen Wohnungsbaus verwendet. Ein Wohnungsbau für eine minderbemittelte Schicht also; für die künftigen Mieter werden Einkommensgrenzen gesetzt.

Die Wohnungsproduktion zog nach dem Krieg wieder an. Aber auch die anderen Wirtschaftszweige legten zu. Mit Beginn der 50er Jahre sprach man in Deutschland vom Wirtschaftswunder. Davon profitiert auch die Schweiz. Die Grenchner Uhrenindustrie konnte sich schon während des Weltkrieges nicht über mangelnde Aufträge beklagen. Nun setzt aber ein regelrechter Boom ein. Ein wirtschaftlicher Aufschwung schreit in der Regel nach Arbeitskräften. Die fehlenden Arbeitskräfte konnten alleine in der Region nicht rekrutiert werden. Die Zahl der Neuzuzüger stieg in der Folge an. In der Schweiz stieg die Wohnbevölkerung von 4,5 Mio. im Jahre 1945 auf 5,4 Mio. Einwohner im Jahre 1960. Eine stolze Zunahme um rund 20 Prozent. In Grenchen nahm die Wohnbevölkerung im gleichen Zeitraum von 11’646 auf 20'462 zu. Dies entspricht einem Zuwachs um 76 Prozent. In dieser Zeit verbesserten sich die persönlichen Einkommensverhältnisse beträchtlich. Beide Faktoren zogen eine generell gesteigerte Wohnungsnachfrage nach sich. Aber auch die gesellschaftlichen Veränderungen zogen einen grösseren Wohnungsbedarf nach sich. Die Grossfamilien lösten sich weiter auf und die Landflucht setzte sich fort. Die erstarkte Industrie verlangte nach Arbeitskräften, die Mobilität nahm zwar in den 50er Jahren stark zu, trotzdem zogen die Arbeiterinnen und Arbeiter zu den Produktionsstätten hin.

Was bedeutet nun dies für Grenchen? Die Uhrenindustrie profitierte ungemein vom allgemeinen Wohlstand. Sie musste immer mehr produzieren, um die steigende Nachfrage zu befriedigen. Dazu brauchte sie in erster Linie Arbeitskräfte. Dadurch entschärfte sich die Wohnsituation in Grenchen trotz vermehrter Bautätigkeit kaum. Auffällig ist, wie sich in dieser Zeit das Erscheinungsbild der Stadt entscheidend veränderte. Es wurde nun ausserhalb des Dorfkerns und gleichzeitig in die Höhe gebaut. Es entstehen die Sorag (1950/1952), Hallgarten (1952/1953), und zum Schluss noch das Ruffini-Hochhaus (1963/1965). All diese Bauten waren Grenchens Antwort auf die herrschende Wohnungsnot.
Um die Situation in den Griff zu bekommen, engagierte sich die Stadt Grenchen im Wohnungsbau. Die bürgerliche Seite wertet den kommunalen Wohnungsbau als Eingriff in den Wohnungsmarkt, der jegliche Privatinitiative benachteilige und lähme. Grenchen betrat mit diesem Tun kein Neuland, denn schon 1917 baute sie gemeindeeigene Wohnungen an der Weinbergstrasse. Später, um 1943 und 1944, entstanden dem Zeitgeist «jedem sein Eigenheim» entsprechend Kolonien von Ein- oder Zweifamilienhäusern an der Wandfluh- und der Ziegelmattstrasse. Einfamilienhäuser waren jedoch nicht die richtige Antwort auf die herrschende Wohnungsnot. Zum einen waren sie für Familien zu teuer, zum andern entstand auf grosser Fläche verhältnismässig wenig Wohnraum. Als sich die Notlage 1947 weiter zuspitzte, erstellte die Gemeinde an der Ringstrasse drei Wohnblöcke. Mehrfamilienhäuser schafften im gleichen Bauzeitraum mehr und billigeren Wohnraum, als die Realisierung von Einfamilienhäuser. Weitere Wohnungen entstanden im gleichen Jahr an der Riedernstrasse. Die Vierzimmer-Häuser erstellte der Architekt Lanz, der ähnliche Bauten schon in Biel erstellt hatte und dessen Namen die Bauten lange trugen. Die Notlage zu dieser Zeit war so gross, dass die erste Bauphase so rasch realisiert wurde, dass der Gemeinderat erst im nachhinein, am 26. November 1947 den entsprechenden Kredit beschliessen konnte.
1948 und 1949 entstanden viele neue Wohnungen. Damit konnten die schlimmsten Notwohnungen aufgegeben werden. Das Volk lehnte ein neues kantonales Subventionsreglement ab, worauf die kantonalen Unterstützungen ausfielen. Die Bautätigkeit kam in der Folge zum Erliegen. Die Gemeinde sah sich gezwungen, auf das zurückzugreifen, wogegen sie sich bisher immer gesträubt hatte: das Aufstellen von Wohnbaracken. Diese waren äusserst kostengünstig und ersetzten teilweise die Notwohnungen. Diese Baracken wurden ebenfalls an der Riedernstrasse aufgestellt. Der Handlungsbedarf war so gross, dass sich heute in den Archiven kein Baugesuch für diese Baracken, die ab 1950 aufgestellt wurden, finden lässt. Die Holzbauten existieren zum grössten Teil noch und dienen dem FC Ital und den Motorradfahrer als Klubhaus. Sie sind im Besitz der SWG. Nachweislich dienten sie bis in die 70er Jahre für Wohnzwecke.
An der Ringstrasse stellte die Stadt Grenchen 1952 einen Block mit 16 Wohnungen. An der Hohlenstrasse stellte Sie noch 1970 zwei Mehrfamilienhäuser mit fünf Eingänge. Bei der Einmündung Kastelsstrasse befindet sich eine Überbauung mit zehn Mehrfamilienhäuser (Bauherr?). Mitte der 50er Jahre entschärfte sich die Situation ein bisschen. Dem Schulblatt der Stadt Grenchen kann man entnehmen: „Endlich ist es soweit, auf Ende des Schuljahres 1954/55 war es möglich, sämtliche Schulräume wieder ihrer Bestimmung zuzuführen, denn die Notwohnungen im Rainschulhaus und im Souterrain der Turnhalle wurden geräumt. Seit 1939, also während 16 Jahren, dienten das Rainschulhaus und das Souterrain der Turnhalle als Notwohnungen, zum Teil auch während längerer Zeit das Schulhaus I. Laut Verordnung des Regierungsrates des Kantons Solothurn dürfen aus hygienischen Gründen keine Schulräumlichkeiten als Notwohnungen zur Verfügunggestellt werden.“ Das Schulhaus I musste im Frühling 1947 vier Schulzimmer für acht obdachlose Familien zur Verfügung stellen. Noch 1949 wurde das Schulhaus für Notwohnungen in Reservegehalten. Im Souterrain der Turnhalle befanden sich sechs „primitive Wohnstätten“, zuvor dienten das Lokal dem Militär Unterkunft und Küche. Neben vielen Notwohnungen in Privathäusern, musste der Tanzsaal im Kappeli und jener der Schönegg in Wohnungen umgewandelt werden. Auf fast alle Umzugstermine musste die Stadt Grenchen neue Notwohnungen schaffen, da die meisten Mieter vom verschärften Mieterschutz aus Unkenntnis nicht gebrauchmachten. In dieser Zeit war es gesetzlich kaum möglich einen Mieter auf die Strasse zu stellen.

Verschiedenste Genossenschaften bauten ab dem Kriegsende bis in die späten 50er Jahre in Grenchen Wohnungen. Die meisten Genossenschaften waren in Grenchen ansässig, es gab auch einige aus Solothurn und Zürich. Wir beschränken uns bei der Auflistung auf vier typische Genossenschaftsformen.
Die prekäre Wohnsituation liess auch die Firmen aktiv werden. Grenchen verlangte bis in die 60er Jahre hinein, dass bei der Hinterlegung der Schriften auch ein Wohnungsnachweis erbracht wurde. Dies erschwerte natürlich die Rekrutierung von neuen Arbeitskräften stark. Um dieser Situation entgegen treten zu können, wurde am 4. Mai 1938 die Baugenossenschaft Ebauches gegründet. Ziel war es, den Angestellten der Firma „gesunde und billige“ Wohnungen zur Verfügung zu stellen. Natürlich waren die Mietverträge mit einer Anstellung in der Firma verknüpft. Eine Entlassung bedeutete auch, dass die Wohnung gekündet wurde. Als Wohnbaugenossenschaft kam die Baugenossenschaft Ebauches einfacher in den Genuss von Subventionen. Die Vergabe der Wohnungen entsprach aber nicht den Vorstellungen der Gemeinde, die mit den Subventionen in Grenchen wohnhaften Familien günstige Wohnungen zur Verfügung stellen wollte. Da aber die Wohnungen oft an auswärtige Arbeitskräfte vergeben wurden, welche in der aufstrebenden Ebauches Arbeit fanden, wurde die Wohnungsnot in Grenchen allen Anstrengungen der öffentlichen Hand zum Trotz nicht merklich gelindert. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, knüpfte die Gemeinde ab 1948 die Vergabe der Subvention an die Bedingung, dass ein Teil der neu einziehenden Familien mindestens zwei Jahre in Grenchen wohnhaft gewesen sein mussten.

Handwerkergenossenschaften waren eine weitere typische Form. Zu ihnen gehörte die Wohnbau-Genossenschaft, welche am 5. April 1943 gegründet wurde. Der Vorstand bestand in der Regel aus Architekten, Bau-, Sanitär- oder Elektrounternehmern. In der Wohnbau-Genossenschaft übernahm Rektor René Stämpfli das Präsidium. Ihr Ziel war es, „die Wohnungsnot in Grenchen durch die Förderung des Wohnungsbaues zu bekämpfen“. Die Genossenschaft erstellte Bauten vor allem imZiegelmattquartier. Bis 1951 erstellte sie 77 Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern. Die Häuser, welche zum Selbstkostenpreis abgegeben wurden, linderten die Wohnungsnot jedoch nicht. Sie wurde auch meist von Personen erworben, die auf Grund ihres Einkommens problemlos in der Lage gewesen wären, selber zu bauen. 1952 baute die Genossenschaft an der Flurstarssee - Ecke Solothurnstrasse schliesslich zwei Wohnblöcke mit total 36 Wohnungen. Beim Bau beantragte die Genossenschaft, die Ausrichtung eines zusätzlichen Subventionsbeitrag für einen „schwierigen Aushub“, der zum Beispiel bei vorhandenen Findlingen gewährt wurde. Der Aushub verlief aber absolut reibungslos und die Gemeinde forderte ihr Geld zurück. Die sogenannten Handwerkergenossenschaften bergen in ihrer Zusammensetzung bereits ein Konfliktpotential. Die Zusammenschlüsse sollten in den meisten Fällen die Auftragslage der einzelnen Unternehmen sichern, während die Ziele des Subventionsgeber erste an zweiter Stelle folgten. Ein weiteres Problem liegt darin, dass in dieser Zusammensetzung der Auftraggeber und der Ausführende identisch ist und damit ein objektiver Kontrollmechanismus ausgeschaltet wird.

Die grösste und wohl auch wichtigste Wohnbaugenossenschaft in Grenchen ist die Neue Wohnbaugenossenschaft (NWG). Sie besitzt heute rund 230 Wohnungen und ist damit ein bedeutender Faktor im Grenchner Wohnungsmarkt. Dabei stand der Start unter einem eher unglücklichen Stern. Die Geschichte begann mit der Zürcher Immobilien AG Regina, die an der Solothurnstasse fünf Wohnblöcke mit insgesamt 60 Wohnungen erstellen wollte. Als das Volk 1948 ein Subventionensgesetz für den Wohnungsbau ablehnte, war das Vorhaben ernsthaft gefährdet. Die Stadt Grenchen war aber auf Grund der angespannten Situation im Wohnungsmarkt auf das Bauvorhaben angewiesen. Stadtammann Adolf Furrer setzte sich für die Gründung einer Wohnbaugenossenschaft ein, die das Projekt verwirklichen könnte. Am 2. April 1949 fand im Feuerwehrgebäude die Gründungsversammlung statt. Kurt Staub, Vorsteher des Wohnungsamtes, übernahm das Präsidium. Nun begannen die Schwierigkeiten. Zum einen fand eine Polemik um die Art der Finanzierung statt zum anderen wurde der Name „Allgemeine Wohnbaugenossenschaft(AWG)“ angefochten. Der Streit um den Namen kam vors Bundesgericht und die AWG unterlag. Doch diese Startschwierigkeiten waren schnell vergessen und die NWG erstellt in schneller Folge neuen Wohnraum. Aus heutiger Sicht ist unbestritten, dass die NWG ihrer Aufgabe als gemeinnütziger Bauträger bis heute nachgekommen ist.

Die Baugenossenschaft für das Bundespersonal wurde am 14. März 1953 gegründet. Sie erstellte an der Ringstrasse ihre ersten Wohnblöcke. Interessant ist die Art, wie sie ihre Bauten finanzierte. Sie bekam keine eigentlichen Subventionen sondern erhielt direkt vom Bund Darlehen, die immer etwa zu einem Satz um 1 % unter dem aktuellen Hypothekenzinssatz verzinst werden mussten. Sie hatte daher fix vorgegebene Strukturen und Verfahren. So musste sie dem Bund jedes Jahr Rechenschaft ablegen. Sie fiel dadurch aus dem Gerangel der anderen Genossenschaften um Subventionen hinaus. Daher konnte sie ruhiger planen und ohne ständigen Kampf um Gelder günstigen Wohnraum für alle Bundesangestellten schaffen.

Der kleine geschichtliche Rückblick im Wohnungsmarkt zeigt, dass es zwar um einen trägen aber doch heiklen Markt handelt. Eingriffe sind deshalb wohlüberlegt vorzunehmen. Es zeigt sich auch, dass Massnahmen rein wohnungspolitisch erfolgen sollten und nicht mit anderen Zielsetzungen wie Arbeitsbeschaffung oder Konjunkturprogrammen überlagert werden. Der Bund ist sich diesem Umstand bewusst geworden und nimmt nun dezidiert das Heft in die Hand. Nach dem das Volk das Wohnbau und Eigentumsförderungsgesetzt (WEG) 1974 annahm, wird das bisherige Büro für Wohnungsbau zu einem Bundesamt für Wohnungswesen umgebaut. Dieses prüft unter anderem die Bauprojekte, die Abrechnungen und die fertigen Objekte, während die Kantone bloss noch auf administrativer Ebene mitzuwirken haben. Wichtig ist aber, dass nun konkret der Wohnungsmarkt erforscht wird. Die Forschungsergebnisse zeigen, welche Massnahmen jene Zielgruppen zu Wohnungen verhilft ohne das der Wohnungsmarkt aus den Fugen gerät. Das Bundesamt zieht 1995 nach Grenchen, wo es zusammen mit der Stadt Grenchen die Grenchner Wohntage ins Leben ruft.

Bundesratsbeschlüsse, Verordnungen, Gesetze und Verfügungen zwischen 1919 und 1990 zum Themenbereich Wohnungsnot

  • Bundesratsbeschluss vom 23. Mai 1919 betreffend Förderung der Hochbautätigkeit (AS 35, 335)
  • Bundesratsbeschluss vom 23. Mai 1919 betreffend die Behebung der Arbeitslosigkeit durch verschiedene Arbeiten, insbesondere Notstandsarbeiten (AS 35, 338)
  • Bundesratsbeschluss vom 15. Juli 1919 betreffend Förderung der Hochbautätigkeit (AS 35, 605)
  • Bundesratsbeschluss vom 11. Mai 1920 betreffend Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Hochbautätigkeit (AS 36, 280)
  • Bundesratsbeschluss vom 15. Oktober 1941 betreffend Massnahmen gegen die Wohnungsnot (AS 57, 1148)
  • Bundesratsbeschluss vom 16. März 1942 betreffend Massnahmen zur Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Wohnbautätigkeit (AS 58, 252)
  • Bundesratsbeschluss vom 30. Juni 1942 betreffend Massnahmen zur Milderung der Wohnungsnot durch Förderung der Wohnbautätigkeit (AS 58, 616)
  • Verfügung Nr. 3 des eidgenössischen Militärdepartements vom 5. Oktober 1945 zur Regelung der Arbeitsbeschaffung in der Kriegskrisenzeit (Förderung der Wohnbautätigkeit) (AS 61, 858)
  • Bundesbeschluss vom 8. Oktober 1947 über Massnahmen zur Förderung der Wohnbautätigkeit (AS 1948, 8)
  • Bundesbeschluss vom 31. Januar 1958 über Massnahmen zur Förderung des sozialen Wohnungsbaues (AS 1958, 419)
  • Bundesgesetz vom 19. März 1965 über Massnahmen zur Förderung des Wohnungsbaues (AS 1966, 433) (SR 842)
  • Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz vom 4. Oktober 1974 (AS 1975, 498) (SR 843)
  • Verordnung vom 30. November 1981 zum Wohnbau und Eigentumsförderungsgesetz (AS 1981, 2088) (SR 843.1)
  • Verordnung vom 20. Oktober 1989 über die Einkommens- und Vermögensgrenzen für Zusatzverbilligungen beim Wohnungsbau (AS 1989, 2273) (SR 843.123.3)
  • Verordnung vom 12. Mai 1989 über Nettowohnflächen und Raumprogramm sowie über Ausstattung von Küche und Hygienebereich (AS 1989, 1202) (SR 843.142.3)
  • Verordnung vom 17. Dezember 1986 über die Erstellungskosten bei Wohnbauvorhaben (AS 1987, 375) (SR 843.143.1)
  • Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Bundesgesetz zur Förderung des Wohnungsbaus und des Erwerbs von Wohnungs- und Hauseigentum (Wohnbau- und Eigentumsförderungsgesetz) 17. September 1973

Quellen

  • Text von Lukas Walter
  • Grenchner Jahrbuch 1995, Ramon Bill
  • Arbeitspapier zu Gesundheit - Arbeit - Soziale Sicherheit, Wohnbauförderung, VSA Verein Schweizerischer Archivarinnen und Archivare, 1993
  • Wohnungsmarktpolitik in der Schweiz, Karlheinz Kleps, Haupt Bern 1969
  • Vorlesungsunterlagen Sozialpolitik II, Walter Hess, Universität Bern 1999
  • Wohnungsmarkt und Wohnungspolitik, Bericht der Eidgenössischen Wohnbaukommission, Sonderheft der 72 der „Volkswirtschaft“ 1963

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