Spital Grenchen: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. April 2015, 14:05 Uhr

Der Spitalfonds

Euseb Vogts Spitalfonds stiess in Grenchen auf grosse und ungeteilte Zustimmung. Private und Vereine setzten sich ein und arbeiteten auf ein Ziel hin, den Bau eines Grenchner Spitals.

Am Dienstag, 4. Februar 1873, setzte Gemeindeammann Euseb Vogt seinen schon vor längerer Zeit gefassten Vorsatz um. Schon oft hatte er über seine Idee nachgedacht und sich mit seinen Freunden besprochen. Gegen Mittag machte er sich auf den Weg zur Spar- und Leihkasse Grenchen und deponierte dort fünf Franken zu Gunsten eines Spitalfonds für Grenchen. Mit dieser Einlage gründete er den Spitalfonds Grenchen und legte symbolisch den ersten Grundstein für das künftige Ortsspital Grenchen. Doch sein Fünffränkler sollte gute Früchte tragen, denn von seiner Idee war die gesamte Bevölkerung begeistert.

Nur vier Tage nachdem Euseb Vogt seinen Fünffränkler auf der Spar- und Leihkasse deponiert und so den Spitalfonds gegründet hatte, konnte Bankverwalter Peter Obrecht im neuen Fonds 161 Franken verbuchen. Die Herkunft des Betrages ist ungewiss. Es wird aber angenommen, dass der Kirchengesangverein das Geld anlässlich eines Konzertes eingenommen hat. Zu den grossen Gönnern des Fonds gehörte dessen Gründer Euseb Vogt. Testamentarisch vermachte er dem Spitalfonds 12'000 Franken.

Der Polen Adler

In der Liste der Donatoren des Spitalfonds figuriert der polnische General Langiewicz. Der mathematisch Hochbegabte diente vorerst als Artillerieoffizier im Preussischen Heer. 1860 übernahm der damals 33-Jährige eine Lehrstelle an der neuen Militärschule von Paris. 1861 beteiligte er sich als Adjutant des Generals von Milbitz an der Eroberung Neapels durch Garibaldi. Hier dürfte er mit den Anhängern des Risorgimento in Kontakt getreten sein und hörte sicher auch von Giuseppe Mazzini. Im gleichen Jahre versuchten die Polen, sich aus der Russischen Herrschaft zu befreien. Der offene Aufstand brach dann 1863 aus. General Marian Langiewicz stellte sich an die Spitze der Bewegung, ernannte sich am 10. März 1863 zum Diktator Polens und setzte gleichzeitig eine zivile Regierung ein. Bereits am 19. März musste er jedoch abdanken, und die Russen übernahmen erneut die Herrschaft über Polen. Langiewicz wurde auf der österreichischen Festung Josefsstadt inhaftiert. Bereits am 23. Dezember 1863 wurde er einstimmig ins Bürgerrecht Grenchens aufgenommen. Dank dieses Beschlusses kam der General frei. Am 30. März 1865 besuchte Langiewicz seinen neuen Heimatort. Weil er wieder in seine frühere Heimat Österreich-Polen zurückkehren wollte, glaubte Langiewicz auf sein Bürgerrecht verzichten zu müssen. Als Geschenk liess er seinem Heimatort 600 Franken zu Gunsten des Spitalfonds überweisen.

Immer wieder Erbschaften

Auffallend oft wurde der Spitalfonds in Testamenten erwähnt. Noch im Gründungsjahr übergaben die Erben von Franz Rust 500 Franken und die Nachkommen von Johann Viktor Schürer weitere 1'000 Franken. Die Witwe Pequignot-Girard vermachte der Stiftung vier Grundstücke im Möösli und in der Neuen Zelg. Der Wert der Grundstücke wurde auf 5'240 Franken geschätzt. Die Gemeinde engagierte sich für den Fonds und übergab die Gebühren für Schaustellungen, Konzertbewilligungen und die Taxen für Hausiererpatente. Auf diese Weise kamen im Jahre 1923 weitere 1‘133 Franken in den Fonds. Die Ortsvereine setzten sich mit sehr grossem Engagement für den Spitalfonds ein. 1885 organisierte die Unteroffiziersmusik eine Tombola, deren Erlös von 150 Franken in den Fonds floss. 1889 wurde in der Gemeinde eine weitere Tombola durchgeführt. Der Ertrag von stolzen 1'631 Franken wurde in den Fonds gelegt, und schliesslich sei daran erinnert, dass der Cercle Romand 1912 dank einer Tombola 1'332 Franken abliefern konnte. Am 18. Januar 1924 befanden sich 168'270 Franken im Spitalfonds.

Die Gemeindenotfallstube

Zehn Jahre nach der Gründung des Spitalfonds durch Landwirt und Gemeindeammann Euseb Vogt wurde eine sogenannte Gemeindenotfallstube errichtet. Der Chronist Werner Strub[1] schreibt über ihr Schicksal lakonisch und ohne auf weitere Details einzugehen:

«Die dann aber wieder einging.»

Das Spital im Tripoli

Spital im Tripoli

Grenchens erstes Spital befand sich im Tripoli

1912 wurde mit dem Bau des [[Grenchenbergtunnels begonnen. Im Tripoli, der Wohnsiedlung der am Tunnelbau beteiligten italienischen Spezialarbeiter und ihrer Familien, liess die Bauleitung ein kleines, aber offenbar gut eingerichtetes Spital erbauen. Im Schlussbericht [2] an das Schweiz. Post- und Eisenbahndepartement aus dem Jahre 1917 finden wir folgende Ausführungen:

"In Grenchen wurde mangels eines öffentlichen Spitals von der Unternehmung ein solches Gebäude in Riegelbau erstellt. Dasselbe enthielt nach Fertigstellung 35 Betten und ein Röntgenkabinett. Ein ständiger Wärter und drei Krankenschwestern führten die Aufsicht."

Professor Dr. C. Andrea schrieb in seiner Publikation „Münster-Lengnau-Bahn“ unter anderem:

"Die Société Franco-Suisse stellte hier für den Sanitätsdienst einen eigenen Arzt, Dr. Hagnauer, an. In besonders schweren Fällen wurden gelegentlich auch die Ärzte von Grenchen beigezogen."

Sämtliche Patienten aus dem Umkreis der Tunnelbauer und ihrer Angehörigen wurden hier im kleinen Spital[3] an der Alpenstrasse behandelt. Eine Ausnahme gab es jedoch für jene Kranken, die eine Spezialbehandlung nötig hatten.

Am 1. Oktober 1915 wurde der Fahrbetrieb auf der Strecke Lengnau – Grenchen – Moutier aufgenommen. Doch die Geschichte des kleinen Spitals im Tripoli war damit noch längst nicht zu Ende.

Die Gemeinde zeigt grosses Interesse

Im September 1915 beschäftigte sich der Gemeinderat[4] nicht zum ersten Mal mit der Frage, ob im „Spitäli“ ein Absonderungshaus oder eine Notfallstube eingerichtet werden sollte. Solche Absonderungshäuser wurden in allen grösseren Gemeinden der Schweiz eingerichtet. Damit wollte man erreichen, dass epidemisch Erkrankte (Pocken, Grippen etc.) die (noch) Gesunden nicht anstecken konnten. Für Grenchen war es eigentlich eine Notwendigkeit, ein Absonderungshaus einzurichten.

Die Grenchner Ärzte zeigten sich vom Kauf des Tripoli-Spitals durch die Gemeinde nicht besonders begeistert. Vor allem der Zustand der Kanalisation machte ihnen Sorgen und sie meinten,

"dass das Kaufs-Objekt noch viel Geld verschlingen würde, bis dasselbe den modernen und hygienischen Anforderungen entsprechen würde."

Der Landbesitzer Josef Luterbacher war bereit, das Land, auf dem das Spital „provisorisch“ erstellt worden war, für 15 Rappen pro Quadratfuss (oder 1.65 Franken pro Quadratmeter) zu verkaufen. Diese Offerte schien dem Rat zu hoch zu sein und schliesslich entschied man, auf den Kauf gänzlich verzichten zu wollen. Die Gesundheitskommission erhielt den Auftrag, anderswo ein Absonderungshaus zu erbauen. Rund 30'000 Franken sollte dieses gemäss einer sechs Jahre zuvor errechneten Offerte kosten. An diese Investitionen würden Kanton und Bund rund 6'000 Franken leisten, teilte Josef Hof, der Aktuar der Grenchner Gesundheitskommission mit. Die Gesundheitskommission erhielt den Auftrag, eine aktualisierte Vorlage für den Bau eines Absonderungshauses auszuarbeiten. Für die Finanzierung des geplanten Vorhabens solle der Spitalfonds herbeigezogen werden.

Was geschah dann?

Offenbar war das Geschäft „Tripoli-Spital“ für den Gemeinderat abgeschrieben. Innerhalb der nächsten drei Monate musste aber einiges geschehen sein, denn am 18. Dezember 1915 reichte der Besitzer des Grundstückes, der bereits bekannte Landwirt Josef Luterbacher, bei der Bauverwaltung die Pläne für die Erweiterung des Hauses um einen nordwestlich gelegenen Operationssaal ein. Was beabsichtigte Luterbacher mit diesem Erweiterungsbau? Die Baupläne wurden vom Grenchner Architekten Otto Stalder ausgefertigt.

Am 21. Dezember 1917, trat in Grenchen ein Pockenfall auf. Damit trat die Geschichte des „Tripoli-Spitals“ in eine neue Phase ein. Dazu Werner Strub[1] im ‚Heimatbuch Grenchen':

"Die Kranke musste isoliert und sieben Wochen im Absonderungshaus in Grenchen untergebracht werden, wo sie unter der Obhut einer Rotkreuzschwester stand."

Die Gemeinde hatte in der Zeit zwischen 1915 und 1917 das kleine Spital erworben und richtete es als Notspital und Absonderungshaus ein. 1917 lebten zwei Familien im Gebäude, die während der Quarantäne der Pockenkranken interniert und durch die Gemeinde verpflegt wurden. Bereits am 6. Februar 1918 wurde die Erkrankte als geheilt aus dem Spitäli entlassen.

Offenbar wurde das kleine Spital 1923 erneut als Absonderungshaus gebraucht. Während einer vier Monate lang dauernde Pockenepidemie wurden hier 35 Patienten gepflegt. Strub[1] schreibt:

"Glücklicherweise waren trotz einiger schweren Fälle keine Todesfälle zu verzeichnen."

Die Grippe sucht Grenchen heim

Wir müssen ins Jahr 1918 zurück gehen: Auch in Grenchen litt die Bevölkerung unter der Grippe. Die Statistik zeigte, dass täglich 30 bis 50 Neuerkrankungen auftraten. Dazu schreibt der Chronist Werner Strub[1]:

„Die private Behandlung genügte nicht mehr, die Heranziehung von Pflegepersonal war fast unmöglich, ein Krankenhaus stand nicht zur Verfügung; die Spitäler in unsern grösseren Nachbarorten waren überfüllt."

In unserer Gemeinden wurden zwei Grippenwellen beobachtet. Im Verlauf der ersten Welle wurde im Schulhaus 2 ein Notspital errichtet.

"Die Beschaffung von Spitalmaterial blieb grösstenteils auf die freiwillige Hilfeleistung angewiesen. In der Turnhalle wurde eine Desinfektionsanlage installiert."

Während der zweiten, stärkeren Epidemiewelle konnten die Erkrankten im Tripolispital untergebracht werden. Das alte „Spitäli“ bestand noch bis 1982. Anlässlich der Volkszählung 1960 besuchte der Autor das „alte Spitäli“. Damals lebten drei Familien im alten und im Innern reichlich verwinkelten Haus.

Auf eigenen Füssen stehen

In Grenchen starben im Verlaufe der Epidemie 90 Personen, und man rechnet, dass zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung erkrankt war. Diese Ereignisse hinterliessen in der Bevölkerung einen tiefen Eindruck. Behörden und Bevölkerung Grenchens hatten festgestellt, dass im Notfall kein Ausweichen auf die Nachbarspitäler möglich ist. Und, eine ähnliche Epidemie konnte jederzeit wieder ausbrechen. Der Gedanke, für die Gemeinde ein eigenes Spital zu schaffen und so im Notfall unabhängig zu sein, prägte sich der Gemeinschaft ein.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Werner Strub „Heimatbuch Grenchen“ Vogt-Schild AG, Solothurn, 1949
  2. Schlussbericht über den "Bau der normalspurigen Hauptlinie Münster-Lengnau", Selbstverlag der BLS 1917
  3. "50 Jahre Samariterverein Grenchen" Jubiläumsschrift, Niederhäuser AG, Grenchen, 1948
  4. Gemeinderatsprotokoll 14. September 1915

Quellen

Weblinks