Selzenjoggi

Aus Wiki der Stadt Grenchen
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Bevor die Strasse nach Staad sich gabelt, und der Wanderer sich entschliessen muss, ob er den linken oder rechten Strassenast benutzen will, überquert sie ein kleines Gewässer. Die winzige und selten beachtete Brücke trägt den Namen „Selzenjoggibrücke“. Ueber die Abenteuer des „Selzenjoggi“ schrieb Gerald Lechner in seinem Buch „Helden, Hexen und Halunken“

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Manche Grenchner Frauen kämpften auch ohne Selzenjoggi gegen die französischen Husaren. Das Bild zeigt Maria Schürer im Kampf.

Ein Held zur falschen Stunde – aber doch ein Held!

Wer die Helden und Heldinnen zählen will, die in Grenchen daheim waren, kann dies an den Fingern einer einzigen Hand tun. Kaum ein anderer Ort der Erde verfügt über eine derart geringe Heldendichte (sofern das Wort „Held“ in seinem üblichen Sinne verwendet wird!) wie gerade Grenchen. Dieser Umstand besitzt natürlich seine durchaus positive Seite, indem die Stadtbehörden kaum einmal öffentliche Gelder zur Errichtung und zum Unterhalt von Heldendenkmälern ausgeben mussten.

Einmal allerdings hätte Grenchen fast gar einen Helden gehabt. Doch weil ihm das Schicksal einen bösen Streich gespielt hatte, wurde Jakob Rüefli, der „Selzenjoggi“ zum Prototypen des Antihelden, und sein Schicksal passt haargenau in die Geschichte Grenchens. Seinen Namen erhielt er weil er in Selzach zur Welt gekommen war.

Bereits am 6.Februar 1798 besetzten die Franzosen Biel. Am Fuss des Büttenberges errichteten die Eindringlinge ihr Lager, in dem 10'000 Infanteristen, 800 Reiter und 600 Mann leichte Artillerie nur auf den Befehl warteten, Lengnau zu erobern und über die Grenze ins Solothurnische einzudringen. Die französische Heeresleitung liess sich alle Zeit und verunsicherte die bernischen und solothurnischen Truppen mit Gerüchten, es werde ein Waffenstillstand, wenn nicht gar ein Friedensvertrag unterzeichnet. Ein solches Gerücht führte dazu, dass am 1.März den Solothurner Truppen, welche seit Tagen in höchster Alarmbereitschaft standen, erlaubt wurde, sich auszuruhen. Es scheint, dass die heranrückenden Franzosen just auf diesen Augenblick gewartet hatten und nun zum Angriff übergingen. Die Solothurner Truppen, die sich auf Grenchner Boden befanden, standen unter dem Befehl von Viktor Gibelin, der sich in Frankreich ausgezeichnet hatte. Oberhalb der Ortschaft im Bereich der Tuffgruben (das Gebiet wird heute „Holzerhütte“ genannt) war eine Schanze aufgeschichtet worden, mit der in erster Linie der Ansturm der Franzosen behindert werden sollte. Weitere solothurnische Truppen standen weiter östlich im Leberberg bereit, die fremden Soldaten aufzuhalten und zu vernichten. Die Husaren kümmerten sich jedoch wenig um die Kriegspläne der Solothurner und ihrer Verbündeten, überrannten die eilig geschichtete Barrikade, eroberten die wenigen Kanonen und drangen in Grenchen ein.

Das war die Stunde des „Selzenjoggi“.

Seit Tagen referierte er gegen die Franzosen und forderte seine Zuhörer auf, sich mutig dem fremden Pack entgegenzustellen und es zu vernichten. Eifrig bot er den solothurnischen Hauptleuten seine Dienste an, die jedoch teils verlegen, mehrheitlich aber barsch darauf verzichteten. Als nun die Not am grössten war und die Stunde der Entscheidung nahte, bewaffnete sich der „Selzenjoggi“ mit einem alten Säbel, den er weiss Gott von welchem längst vergessenen Schlachtfelde her hatte und einer fürchterlichen Muskete, schützte sich mit einem ältern Harnisch und einem Helm. So gewappnet meldete er sich zum Landsturm, den Andreas Hugi in der Eile zu organisieren versuchte. Allein, selbst im Augenblick höchster Gefahr, wollte man auf den „Selzenjoggi“ verzichten! Die Männer verliessen den Sammelplatz bei der Kirche und strebten westwärts, den Feind aufzuhalten. Mit dem „Selzenjoggi“ blieben lediglich noch die Frauen auf dem Platz versammelt. Unser Held nützte die Gunst der Stunde und schwang sich zum Anführer der Frauen auf. Er befahl ihnen, Schürzen mit grossen Taschen anzuziehen, die Taschen mit Sand zu füllen. Diesen sollten sie den Angreifenden in die Augen und den heranstürmenden Pferden in die Nüstern schmeissen, damit sie behindert zu Boden stürzten, wo sie für die Heugabeln, Sensen und Dreschflegeln der Frauen eine gar leichte Beute wären. An der Spitze seines Frauenbataillons zog „Selzenjoggi“ die Kirchstrasse hinauf. In diesem Augenblick bogen die heranbrausenden Husaren um die Wegkrümmung, und ein erster Schuss, der auf die kriegerische Belästigung abgefeuert wurde, streckte den „Selzenjoggi“ nieder. So in den ersten Minuten eines glorreich begonnen Kriegszuges ihres Führers beraubt, ergriffen die Frauen die Flucht, während „Selzenjoggi“ unbeachtet von den Feinden in tiefer Ohnmacht lag.

Man kann sich lebhaft vorstellen, worüber man in Grenchen in den nächsten Tagen sprach: Der „Selzenjoggi“ wurde als Weibergeneral und Franzosenfresser mit Spott und Hohn überhäuft. Und irgendwie trug man ihm nach oder machte es ihm sogar unausgesprochen zum Vorwurf, dass ihn die französische Kugel nicht getötet, sondern nur mit einer fürchterlichen Beule in Ohnmacht versetzt hatte.

Quellen

  • Gerald Lechner „Helden, Hexen und Halunken“

(Dieser Artikel ist Eigentum des Autors / der Autorin und kann deshalb nicht editiert werden.)