Neue Wohnbaugenossenschaft

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Quartiersplan (Auszug aus dem Grenchner Stadtplan).
NWG Mehrfamilienhaus im Ziegelmattquartier, Baujahr ca. 1950. Kennzeichen des Wohnungsbaus in den 50er Jahren: Karge Bescheidenheit, gute Grundrisse, heimelige Wohnungen. Zentralheizung, Warmwasser, Einbau-Küchen, eigene Toilette und Bad, z.T. Kühlschränke. .
Fassade mit Balkone.
Balkone als Schnittstelle der Wohnung zur Grünanlage.
Text=Ostfassade mit den Eingängen, Blick von Süden.
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Erfrischendes Grün umgibt die Häuser: die Lungen des Quartiers!
Einige Bewohner/Genossenschafter legen wunderschöne Blumenbeete an zur Freude der ganzen Siedlung.
Geranien entlang der Fassade.
Gartenbepflanzung.
Kinderszene. Zweiteiliges Fresko (1954) von Paul Stauffer an der Ostfassade des Hauses Solothurnstrasse 159.
"Der Grenchner Oetzi". Eisenplastik (1997) von Marcel Niederhauser. Standort: Zwischen den Häusern Solothurnstrasse 161 und 163.
Das erste Baugesuch der NWG vom 31. Mai 1949.
Von den 1951 geplanten zwei Wohnhäusern wird 1952 nur eines realisiert. Situationsplan 1951.
1953 entstehen 3 weitere Mehrfamilienhäuser. Situationsplan 1953.
Fassadenplan für die 3 Mehrfamilienwohnhäuser 1953.
Grundrissplan für die 3 Mehrfamilienwohnhäuser 1953.
Anteilschein der NWG.
Mietvertrag aus dem Jahre 1960 (1. Blatt).
Seite 1 der Statuten der NWG.

Die Wohnungsnot in den 50er Jahren[Bearbeiten]

Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der Uhrenindustrie verschärfte sich die Situation auf dem Grenchner Wohnungsmarkt der 50er Jahre zusehends. In Grenchen herrschte die Wohnungsnot.

Gemäss Bundesratsbeschluss vom 15. Okt. 1941 betr. Massnahmen gegen die Wohnungsnot waren die Gemeinden ermächtigt, unbenützte Wohnungen und zu Wohnzwecken geeignete Räume als Notwohnungen in Anspruch zu nehmen. In Grenchen entstanden solche Notunterkünfte in der Alten Turnhalle, in Schulhäusern, Restaurants, im Alten Postgebäude, in Abbruchliegenschaften und Baracken. So vermied die Gemeindeverwaltung wenigstens die Obdachlosigkeit der betroffenen Familien. Erst im Jahre 1956 verschwanden die letzten Notunterkünfte. Nur die Baracken blieben weiter bewohnt.

Neben den Notmassnahmen suchten die Grenchner Behörden nach Lösungen, den Wohnungsbau zu beschleunigen. Eine wirkungsvolle Möglichkeit war die Selbsthilfe der Wohnungssuchenden, die Gründung einer Wohnbaugenossenschaft. Günstiges Bauland der Gemeinde, Subventionen von Bund und Kanton bildeten eine erfolgsversprechende Ausgangslage in der damaligen Situation.

Mit der Genossenschaft gegen die Wohnungsnot[Bearbeiten]

Eine sehr einleuchtende Formulierung des Genossenschaftsgedankens gibt die moderne Charta der gemeinnützigen Wohnbauträger in der Schweiz wieder[1]:

Die gemeinnützigen Wohnbauträger der Schweiz richten sich nach den Grundsätzen dieser Charta:

  1. Die gemeinnützigen Wohnbauträger erstellen, erhalten und erwerben vorzugsweise preisgünstigen Wohnraum. Dieser bleibt der Spekulation entzogen. Dank Kostenmiete und Verzicht auf eigentlichen, offenen oder versteckten Gewinn leisten sie einen dauernden Beitrag zur Versorgung der Bevölkerung mit preisgünstigem Wohnraum.
  2. Die gemeinnützigen Wohnbauträger bieten Wohnraum für alle Bevölkerungskreise an. Dabei streben sie soweit möglich eine Durchmischung an, die unterschiedliche Lebensstile zulässt und Schwache nicht ausgrenzt, sondern integriert. Sie berücksichtigen insbesondere Familien, Behinderte und Betagte und sind bestrebt, Wohnungen mit günstigen Mieten Haushalten mit geringen Einkommen zur Verfügung zu stellen.
  3. Bei den Baugenossenschaften sind Mieterinnen und Mieter in der Regel deren Mitglieder. Sie bestimmen dadurch mit über ihr gemeinsames genossenschaftliches Wohneigentum. Die Mitglieder der Genossenschaft geniessen eine höhere Wohnsicherheit. Sie können zudem in Ämtern der Genossenschaft mitwirken, an den Veranstaltungen, Wahlen und Abstimmungen teilnehmen und in den Siedlungen Aufgaben übernehmen.

Die Genossenschaft als Form der Selbsthilfe für einkommensschwächere Bevölkerungskreise geht geschichtlich ins 19. Jahrhundert zurück. Um die Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert fand gerade die Wohnbaugenossenschaft viele Anhänger und starke Verbreitung. In den Schweizer Städten waren es sehr oft der Arbeiterbewegung nahe stehende Gruppierungen und Gewerkschaften, die Wohnbaugenossenschaften gründeten. Gründungen fanden während des ganzen 20. Jahrhunderts statt, vor allem jedoch in den Nachkriegsjahren, in den 50er und 60er Jahren. Erst in der letzten Zeit gerieten etliche Wohnbaugenossenschaften in Krisensituationen, weil die immer komplexer werdende Genossenschaftsverwaltung die Professionalisierung erforderlich machte.

Im Grenchner Tagblatt vom 22. März 1949 steht ein kurzer Artikel mit dem Titel: „Eine gemeinnützige Wohnbaugenossenschaft“. Der Text beginnt wie folgt:

„Die für den vergangenen Samstagnachmittag einberufene Orientierungsversammlung für die Gründung einer Allgemeinen Wohnbaugenossenschaft war ein durchschlagender Erfolg. Der Theoriesaal des Feuerwehrgebäudes war bis auf den letzten Platz angefüllt. Nach einem einleitenden Referat von Ammann Adolf Furrer, welcher über die Gründe sprach, die zur Schaffung einer gemeinnützigen Wohnbaugenossenschaft bewogen, orientierte Gemeinderat Kurt Staub über Zweck und Ziel der Genossenschaft. Er erläuterte anhand des Statutenentwurfes die spezifischen Eigenschaften und Vorteile der Genossenschaft und machte die Anwesenden mit den speziellen Eigenheiten vertraut. Fritz Wyler, Präsident der Baukommission, referierte eingehend über ein für die Genossenschaft in Aussicht genommenes Bauvorhaben mit 12 Zweizimmer-, 12 Dreieinhalbzimmer- und 12 Vierzimmerwohnungen. Die Preise für die mit allem Komfort versehenen Wohnungen können in Anbetracht des gemeinnützigen Zweckes der Genossenschaft niedrig gehalten werden.“

Diese Orientierungsversammlung fand am Samstag, 19. März 1949, statt.

Die Stadtverwaltung ergriff damit die Initiative und bot basierend auf dem Genossenschaftsgedanken Hilfe zur Selbsthilfe an. Am Samstag, 2. April 1949, fand die Gründungsversammlung der Allgemeinen Wohnbaugenossenschaft statt. Von den 91 Anwesenden trugen sich 78 als Mitglieder ein. An der Versammlung referierten Nationalrat und Ammann Adolf Furrer, Gemeinderat Kurt Staub und Baukommissionspräsident Fritz Wyler.

Genehmigt werden die Statuten sowie das Projekt des Architekten Hans Michel aus Zürich mit je 12 2-Zimmerwohnungen, 3½ -Zimmerwohnungen und 4-Zimmerwohnungen (Solothurnstrasse / Ziegelmatt). Brutto-Kostensumme insgesamt Fr. 1'110'000.-.

Die Eintrittsgebühr beträgt Fr. 25.-, der Anteilschein kostet Fr. 100.–. Die monatlichen Mietzinse sollen günstig sein:

2-Zimmerwohnungen: Fr. 90.-
3½-Zimmerwohnungen: Fr. 110.-
4-Zimmerwohnungen: Fr. 125.-

Gewählt wird folgender Vorstand:

  • Präsident: Kurt Staub
  • Vizepräsident: Ernst Hügi
  • Aktuar: Alfred Steiner
  • Kassier: Roger Chevalley
  • Beisitzer: Max Hunziker, Albert Aebi, Fernand Lüscher, Fritz Röthlisberger

In die KontrollsteIle werden gewählt: Ernst Walther, Hans Wehrli, Charles Weibel.

Aus der Chronik der NWG[Bearbeiten]

Bei der Chronik handelt es sich um einen Auszug des Textes von Teddy Buser „Eine Zeitreise durch 50 Jahre NWG“, erstmals erschienen im Jahresbericht 1998 der NWG:

Freitag, 27. Mai 1949, 20 Uhr: Ausserordentliche Gemeindeversammlung[2], Turnhalle.
Im Vorfeld der Gemeindeversammlung tobt ein heftiger Kampf gegen das Projekt der AWG. Die Freisinnigen vermuten einen versteckten kommunalen Wohnungsbau und greifen deshalb in einem offenen Brief im "Grenchner Tagblatt" den sozialdemokratischen Stadtammann Adolf Furrer, der die Gründung der gemeinnützigen Genossenschaft angeregt hatte, massiv an. Sie beschuldigen ihn der ungetreuen Amtsführung, ja gar der Unterschlagung. An der Gemeindeversammlung wird das Vorhaben von den Freisinnigen, welche die Finanzierungsgrundlage als viel zu schwach einstufen, heftig bekämpft. Für das Vorhaben legen sich Ammann Adolf Furrer und Gemeinderat Kurt Staub mächtig ins Zeug.

Die Gemeindeversammlung stimmt schliesslich folgenden Leistungen der Gemeinde Grenchen gegenüber der Genossenschaft zu:

  • Abtretung des nötigen Baulandes von 3540 m2 zu Fr. 7.-/m2
  • Gewährung von Subventionen von Fr. 288'000.- (inkl. Bund und Kanton)

Damit steht dem Bau der 36 Wohnungen[3] nichts mehr im Wege.

Samstag, 1. Oktober 1949, 15 Uhr. Ochsen. Ausserordentliche General-Versammlung.
Das Eidgenössische Handelsregisteramt hat die Bezeichnung "Allgemeine" auf Grund einer Einsprache nicht akzeptiert, das Bundesgericht die entsprechende Beschwerde der AWG gegen diesen Entscheid abgewiesen (Kosten: Gerichtsgebühr Fr. 40.--, Schreibgebühren Fr. 8.--, Kanzleiauslagen, Fr. 2.70). Die Versammlung gibt sich den Namen "Neue Wohnbaugenossenschaft Grenchen NWG".

Samstag, 1. April 1950
Die beiden ersten Mehrfamilienhäuser an der Solothurnstrasse 147-153 mit insgesamt 36 Wohnungen sind fertiggestellt, die ersten Mieter ziehen ein. Der erste Block ist der "Elektrizitäts-Block" (es wird elektrisch gekocht), der zweite ist der "Gas-Block". So kommen beide Energielieferanten der Stadt, EWG und GWG, zum Zuge. Geheizt wird mit Kohle, in der Waschküche mit Holz und Kohle.

Donnerstag, 8. März 1951
Die Wohnungsnot ist keineswegs beseitigt. Die Einwohnergemeinde Grenchen bittet die beiden Unternehmen "Wohnbaugenossenschaft" (Präsident: Rektor René Stämpfli) und "Neue Wohnbaugenossenschaft" (Präsident: Kurt Staub) mitzuhelfen bei der "...Bekämpfung der Wohnungsnot und Obdachlosigkeit." Sie bietet beiden Genossenschaften ein zinsloses Darlehen von je Fr. 200'000.- an.

Dienstag, 29. Mai 1951
Die Stimmberechtigten genehmigen an der Urne zwar mit 1094 zu 1005 Stimmen ganz knapp die Subventionen für die neuen Wohnbauprojekte, sie lehnen aber deutlich die Verbürgung des Baukredites und der 2. Hypothek ab und legen damit dem weiteren Bau von Wohnungen Steine in den Weg. Der Kassier der NWG hat Bedenken, dass so ein weiterer Block realisiert werden kann.

Freitag, 16. November 1951, 20 Uhr, Ochsen: Vorstandssitzung.
Die Finanzierung für Block 3 ist trotz allem gesichert. Für die Realisierung gibt die a.o. Generalversammlung vom 1. Dezember grünes Licht. Es wird festgestellt, dass vielerorts Untermieter gehalten werden. In vielen Fällen werde dies zu weit getrieben.

Samstag 1. November 1952
Trotz der nicht gewährten Bürgschaft gelingt es der NWG, den dritten Block an der Solothurnstrasse innert sieben Monaten fertig zu stellen, achtzehn Familien eine günstige Wohnung anzubieten und einziehen zu lassen.

Samstag, 8. November 1952
Wieder erreicht ein Brief der Einwohnergemeinde Grenchen die NWG. Ammann Furrer schreibt darin: „Die Situation auf dem Grenchner Wohnungsmarkt ist heute viel schlimmer als damals, wo wir die Subventionsaktionen aufgenommen haben. Sie wird sich keinenfalls verbessem, so lange die Konjunktur in der Uhrenindustrie anhält. Vor Jahresfrist glaubten wir über die ärgste Situation hinweg zu sein. Wir haben uns arg getäuscht. Ab Frühjahr 1953 dürfen die Umzugstermine nicht mehr verschoben werden. Schon heute befassen wir uns tagtäglich mit Exmittierungen. Wie wird das aber im Frühjahr 1953 herauskommen? Praktisch steht in Grenchen derzeit keine einzige leerstehende Wohnung frei. Sämtliche Notwohnungen (Turnhalle, Schulhaus, usw.) sind belegt. Der Wohnungsbau hält mit der Nachfrage nach neuem Wohnraum nicht Schritt. Die spärlichen Baugesuche für 1953 wirken ebenfalls nicht ermunternd. Diese Nachrichten sind derart alarmierend, dass die Behörde in der gestrigen Sitzung Sondermassnahmen zur Bekämpfung der Obdachlosigkeit in Aussicht genommen hat.“

Samstag, 25. April 1953 Ochsen: Generalversammlung.
Die Versammlung beschliesst den Bau von drei weiteren Blocks mit je 18 Wohnungen. Die Gemeinde Grenchen soll um ein Darlehen von 3 x 100'000 Franken ersucht werden zur Mitfinanzierung der 3. Bauetappe, welche insgesamt 1'620'000 Franken kosten wird. Der Baulandpreis beträgt immer noch 7 Franken pro Quadratmeter. Subventionen gibt es jedoch keine mehr.

Wohnungsbau in Zahlen[Bearbeiten]

Im Jahrzehnt der 50er Jahre baute man in Grenchen rund 1800 Wohnungen. Mehr als 10 Prozent davon oder 188 Wohnungen errichtete allein die Neue Wohnbaugenossenschaft. Die folgende Auflistung zeigt auf, wann die in den 50er Jahren gebauten Wohnungen der NWG bezugsbereit waren:

Wohnungsbau der NWG in den 50er Jahren[Bearbeiten]

1950 Solothurnstrasse 147 - 153: 36 Wohnungen
1952 Solothurnstrasse 155 - 157: 18 Wohnungen
1954 Solothurnstrasse 159 - 169: 54 Wohnungen
1955 Solothurnstrasse 65 / 67: 23 Wohnungen und Kantonspolizeiposten
1958 Bettlachstrasse 278 - 284: 33 Wohnungen und Konsumladen
1960 Simplonstrasse 50: 24 Wohnungen

Wohnungsbau in der Schweiz und in Grenchen[Bearbeiten]

Jahre Anzahl Wohnungen Schweiz* Anzahl Wohnungen Grenchen Anteil Grenchen in %
1946-1950 9'900 441 4.45
1951-1960 31'600 1'825 5.78
1961-1970 41'400 1'590 3.84
1971-1975 27'400 751 2.74
1976-1980 12'000 73 0.61
1981-1990 25'100 479 1.91
1991-2000 22'100 738 3.34

* Wohnungsbau in Gemeinden mit über 10'000 Einw.

Vergleicht man den Wohnungsbau in den Städten der Schweiz mit Grenchens Wohnbautätigkeit des letzten halben Jahrhunderts, verlagert sich Grenchens Schwergewicht (Hauptaktivität) ganz eindeutig auf die 50er Jahre, während sich die schweizerische Aktivität hauptsächlich in den Jahrzehnten der 60er und 70er Jahre abspielt. Krass bilden die Zahlen den Kriseneinbruch in den 70er Jahren ab.

Eine Mehrfamilienhaus-Siedlung entsteht[Bearbeiten]

Im Jahre 1949 beginnt die NWG mit dem Bau der ersten beiden Mehrfamilienhäuser mit je 18 Wohnungen an der Solothurnstrasse 147-149 und 151-153 im Osten der Stadt Grenchen (Ziegelmattquartier). Schon am 1. April 1950 waren die 36 Wohnungen bezugsbereit. 1951 reichte die NWG ein weiteres Baugesuch (Solothurnstrasse 155-157) ein für das nächste Mehrfamilienhaus mit 18 Wohnungen. Diese konnten schon 1952 zum Bezug freigegeben werden. 1953 bewilligten die Baubehörden das Gesuch für die drei Wohnblocks an der Solothurnstrasse 159-161, 163-165 und 167-169. Die drei Häuser waren 1954 bezugsbereit. Die NWG baute in der Siedlung an der Solothurnstrasse innert fünf Jahren 6 Mehrfamilienhäuser mit insgesamt 108 Wohnungen, die während Jahren fast ausschliesslich von Genossenschaftern bewohnt wurden.

Die Bauplanung lag für alle 6 Mehrfamilienhäuser in den Händen von Hans Michel, dipl. Architekt S.I.A., Zürich. Hans Michel baute in den Jahren 1950/ 51 in Grenchen auch das Wohn- und Geschäftshaus Frohburg an der Bettlachstrasse 36 (Kreuzung Kapellstrasse) im Auftrag der Bauaktiengesellschaft Frohburg, Olten. Hans Michel war von 1945 bis etwa 1985 tätig als Architekt in Zürich. Er widmete sich hauptsächlich dem Bau von Wohn- und Geschäftshäusern. Michels Tätigkeit wird im Zürcher Stadtarchiv anhand seiner Bauabrechnungen nachgewiesen (Sign. Stadtarchiv Zürich VII. 287).

Die Bauleitung übernahm der Grenchner Architekt Alfred Christen.

Mit der Beibehaltung des architektonischen Konzepts und der Wohnungsgrundrisse für alle 6 Mehrfamilienhäuser sank der Kapitalbedarf merklich, technische Risiken blieben klein. Das Siedlungsprojekt liess sich auf dieser Grundlage sehr rasch realisieren.


Die Siedlung ist heute leicht zugänglich über die Rötistrasse (Haltestelle Rötistrasse der BGU Linie 3) und war in den 50er Jahren kaum erschlossen für den motorisierten Individualverkehr der Mieter. Am 15. April 1952 beschloss der NWG-Vorstand einige Garagen an der Nordseite der Rötistrasse zu bauen, da schon ein paar Mieter Autos besassen. Zudem entstand ein Parkplatz an der Rötistrasse anlässlich der 3. Bauetappe (Solothurnstrasse 159-169). Kürzlich erstellte die NWG reservierte Parkplätze auf der Nordseite der Mehrfamilienhäuser.


Die einzelnen Wohnblocks bestehen eigentlich aus zwei zusammengebauten dreigeschossigen Wohnhäusern mit je 9 Wohnungen, wobei der südliche Gebäudeteil, dem Gelände angepasst, etwa um 60-70 cm tiefer gebaut wurde. Die Stufung ist im Profil der Gebäude gut sichtbar (Dachstufe). Die Grundrisse der beiden Häuser sind gespiegelt. Die Gebäude sind insgesamt etwa 46 m lang und rund 10 m breit. Die Zentralheizungen waren ursprünglich mit Kohle zu befeuern, was dem jeweiligen Hauswart einiges an Kraftarbeit abforderte. Die zwei ersten Mehrfamilienhäuser hatten pro Einzelhaus eine Zentralheizung eingebaut (zwei Zentralheizungen pro Häuserblock), während Block 3 (1952) und die drei in den Jahren 1953/54 erstellten Häuser nur über eine gemeinsame Heizung pro Häuserblock verfügten. Die Kellergeschosse wiesen eine für die damalige Zeit recht moderne Struktur auf. Waschküche, Trockenraum, Abstell-Veloraum und Arbeitsraum waren vorhanden. Jeder Wohnung stand genügend Kellerraum und ein Estrichabteil zur Verfügung.

Die Wohnungen durfte man in den 50er Jahren als sehr komfortabel bezeichnen. Schon 1954 war es so weit, dass auch die Küchen der drei älteren Gebäude mit Kühlschränken ausgerüstet werden konnten und 1960 stand in jeder Waschküche eine vollautomatische Waschmaschine. Das bedeutete eine beträchtliche Verbesserung im Arbeitsalltag der Hausfrauen und Mütter. Ab 1954 konnten die Mieter sogar wählen, ob sie mit Gas oder Elektrizität kochen wollten, beide Anschlüsse waren da.


Angenehm breite Grünflächen mit schattigen Sitzplätzen trennen längsseitig die Mehrfamilienhäuser. Einige Bewohner ergreifen selber die Initiative und verschönern das Grün mit prächtigen Blumenbeeten. Dank der Autobahn in der Witi verringerte sich der Verkehrslärm der Solothurnstrasse mit all seinen Nebenerscheinungen. Die Wohnqualität in der Siedlung hat sich diesbezüglich verbessert.

Selbst die Kunst eroberte ihren Raum in der genossenschaftlichen Siedlung. Die Eisenplastik „Der Grenchner Oetzi“ (1997) von Marcel Niederhauser wacht gebietend auf einem Betonsockel im Rasen zwischen den Häusern 161 und 163. Die NWG veranlasste 1998 die Aufstellung der Plastik, die man anlässlich einer kleinen Feier der Siedlung überreichte. Der Eisenplastiker Marcel Niederhauser, selbst Bewohner der Siedlung bis zu seinem Tod im Frühjahr 2004, war von Beruf Heizungsmonteur. Beim Einbau der Heizungen in die Mehrfamilienhäuser arbeitete er als Monteur mit.

Ein zweiteiliges Wandgemälde aus dem Jahre 1954 (Fresko) von Paul Stauffer schmückt die Ostfassade des Hauses 159. Das Fresko stellt eine Kinderszene dar und zeigt im oberen Teil der Fassade eine Dreiergruppe scherzender Mädchen unter einem Baum, die am Bach spielende Buben (unten) beobachten und belauschen. Eine Thematik, die sich sehr schön in den lebendigen Alltag einer Siedlungsgemeinschaft einfügt. Das Gemälde wäre kürzlich beinahe einer Fassadenisolation zum Opfer gefallen. Nur die Intervention des damaligen Präsidenten, Teddy Buser, bewahrte das Bild vor Klebstoffen, Montageeisen und Isolationsplatten.

Die Kinder tummeln sich nördlich der Wohnhäuser auf einem gross angelegten Spielplatz mit ausreichender Rasenfläche für die beliebtesten Ballspiele.

Früher fand man im Nahbereich der Siedlung einen Coop-Laden (in den 50er Jahren Allgemeine Konsumgenossenschaft Grenchen AKG) und eine Metzgerei. Zur geselligen Runde traf man sich im Restaurant Cadran. Die beiden Läden gibt es heute nicht mehr. Eine Haltestelle der | Busbetriebe Grenchen und Umgebung an der Rötistrasse erleichtert den Quartiersbewohnern das Einkaufen und die Besorgungen in der Stadt.

In der geschichtlichen Rückschau darf man festhalten, dass die Siedlung zweifellos zu den typischen und sehr geglückten Wohnbauprojekten der frühen 50er Jahre gehört. In Grenchen zählt die NWG-Siedlung im Ziegelmattquartier zum Urgestein des genossenschaftlichen und gemeinnützigen Wohnungsbaus.

Beeindruckt liest man heute den Bericht über die Jubliäumsversammlung der NWG 1959 (10 Jahre NWG), staunt über den Pioniergeist der Protagonisten und die enge Bindung der Genossenschafterinnen und Genossenschafter an ihre NWG.

Die NWG heute[Bearbeiten]

Eine kleinere Anzahl Wohnungen der Siedlung sind zur Zeit nicht besetzt, obwohl der Wohungsausbau den heutigen Anforderungen an eine günstige Wohnunterkunft durchaus gerecht wird. Ferner ist die NWG daran, Teile der Verwaltung in professionelle Hände zu legen.

Es gehört zum Fortbestand einer Siedlung und Wohnbau-Genossenschaft, dass die bestehenden Bauten und Anlagen dauernd gepflegt und in gutem Zustand erhalten werden. Auch Neues muss entstehen, um damit eine gemischte Kundschaft anzusprechen.

Neben der Siedlung im Ziegelmattquartier gehören der NWG weitere Mehrfamilienhäuser in Grenchen. Heute verfügt die Genossenschaft über 230 Wohnungen in der Uhrenstadt.

Dennoch hat sich einiges negativ verändert, so auch die Teilnahme der Mieterschaft am Geschehen, an der Entwicklung der Genossenschaft. Die Leute sind kaum mehr bereit, sich ehrenamtlich an den Verwaltungsarbeiten der Genossenschaft zu beteiligen, was schliesslich zusammen mit der zunehmenden Komplexität der Aufgaben zur Professionalisierung der Verwaltung führen muss.

Dank[Bearbeiten]

  • Herr und Frau Max Kocher-Stüssi, seit Jahrzehnten wohnhaft in der Siedlung, haben mich mit unzähligen und wertvollen Informationen versorgt. Ihnen gebührt ein grosses Dankeschön.
  • Frau Niederhauser danke ich herzlich für die Auskunft über die Eisenplastik „Der Grenchner Oetzi“ von Marcel Niederhauser.
  • Danken möchte ich auch Herrn Mario Chirico, Chirico Immobilien Dienstleistungen GmbH, Grenchen, für den Zugang zu den Plan- und Protokoll-Dokumenten der NWG vom Gründungsjahr 1949 bis 1960.

Quellen[Bearbeiten]

Einzelnachweis[Bearbeiten]

  1. Charta der gemeinnützigen Wohnbauträger (Stand 1. Sept. 2004, Punkte 1-3), PDF
  2. Zeitungsbericht, Gemeindeversammlung vom 27. Mai 1949
  3. Bau-Beschreibung