Graf Marian von Langiewicz

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Marian von Langiewicz
* 5. August 1827 in Krotoschin (Polen)
† 10. Mai 1887 in Konstantinopel (Türkei)
Polnischer Mathematiker, Unabhängigkeitskämpfer und während des Januaraufstandes 1863 für kurze Zeit Diktator.

Unweit des Grenchner Parktheaters befindet sich in der Böschung der Schulanlage aufgestellt und durch wuchernde Gebüsche fast versteckt das Denkmal für den polnischen General und Grenchner Bürger Graf Marian von Langiewicz. Geschaffen wurde das Denkmal vom polnischen Künstler Zygmunt Stankiewicz. 1963 schenkte die damalige exilpolnische Regierung der Stadt Grenchen dieses Denkmal, das einen stilisierten landenden Adler zeigt. Anlässlich der Einweihungsfeier wurde der Grenchner Bürgergemeinde ein hoher polnischer Orden verliehen.

Der Polenadler ist gelandet

Langiewicz-Denkmal in Grenchen. Der polnische Künstler Zygmunt Stankiewicz schuf das Denkmal im Jahre 1965. Die Metallplastik stellt einen stilisierten Adler dar.

Seit einigen Tagen wusste er, dass er endlich freikommen würde. Nach Meinung der Russen und Oesterreicher sollte er in der Festung Josefsstadt gefangen gesetzt sein, bis er vergessen sein würde. Die Bürger der Gemeinde Grenchen, so war ihm depeschiert worden, hätten ihn einen Tag vor Heiligabend 1863 ins Bürgerrecht aufgenommen, worauf der schweizerische Bundesrat am kaiserlichen Hof in Wien Schritte unternommen hatte, um ihn, den neuen Schweizerbürger, freizubekommen. Draussen stürmte es, und der Wind wehte den Schnee um die düstere Festung. Für den ehemaligen General Langiewicz schien es jedoch, Frühling dämmere bereits im alten Jahr herauf.

Die Geschichte des Generals und Grafen Marian von Langiewicz begann 1827 im polnischen Krotoschin und nichts deutete daraufhin, dass der Neugeborene Bürger einer Schweizer Gemeinde werden würde, deren Namen er kaum auszusprechen wusste. In der Schule überraschte er seine Lehrer und Mitschüler mit komplizierten mathematischen Spielereien. So war es naheliegend, dass der begabte junge Mann bald in die Militärschule eintrat und sich dort als brillanter Berechner jeglicher Laufbahnen von Kugeln und Schrapnellen, abgeschossen von befestigten oder sandigen Plätzen und unter Berücksichtigung der jeweiligen Wind- und Wetterverhältnissen hervortat. Dieser Begabung hatte er es schliesslich zu verdanken, dass er zum Artillerieoffizier befördert an die preussische Armee ausgeliehen wurde. Bald wurde man auch anderswo auf das Genie aufmerksam, und Langiewicz wurde als Lehrer an die neue Militärschule von Paris berufen.

Weil er die Wirkungen seiner Berechnungen real mitzuverfolgen wollte, beteiligte er sich an der Eroberung Neapels durch die Truppen Garibaldis.

Von Garibaldi erfuhr er, dass der Mensch frei sein müsse, um seine politische Identität und sein Schicksal selber bestimmen zu können. Oft las er zwischen den Gefechten in den Schriften Mazzinis, der von den Italienern geschätzt, wenn auch nicht ungeteilt geliebt wurde. Er versuchte, Mazzinis Gedanken auf Polen anzuwenden. Dazu erhielt er bald allen Grund. Nach der Eroberung Neapels löste er seinen Haushalt in Paris auf, um an die polnische Militärschule von Cuneo, an der er zum Lehrer gewählt wurde, zu reisen.

Zu dieser Zeit erlitten die Russen, die eigentlichen Herrscher Polens, eine Niederlage nach der andern, und die Polen, die sich längst schon befreien wollten und auf eine lange Reihe misslungener Putsche und Aufstände zurückblicken mussten, glaubten nun sei die richtige Zeit für einen weitern Aufstand gekommen. Im Januar 1863 erhoben sich die Polen. Das Unternehmen schien auf bestem Wege zu sein, und die Aufständischen beschlossen, an ihrer Spitze einem klugen und weitsichtigen Manne die Führung zu übertragen. Die Wahl fiel auf den inzwischen zum General beförderten Langiewicz. Dieser wollte die Ideen Mazzinis mit seiner mathematisch ausgerichteten Strategie verbinden und Polen endgültig von der russischen Herrschaft befreien. Er glaubte, das Ungleichgewicht der Waffen mit der Begeisterung seiner Leute wettmachen zu können. Um die Durchführbarkeit seiner Idee festigen zu können, liess er sich am 10. März 1863 zum Diktator eines zukünftigen grosspolnischen Reiches ausrufen. Gleichzeitig setzte er eine zivile Regierung ein, die unter seiner Leitung die Staatsgeschäfte besorgen sollte.

Zum ersten Mal ging die Rechnung des genialen Mathematikers nicht auf. Vielleicht hatte er die militärische Kraft der Russen zu gering eingeschätzt, oder aber vermochte die Begeisterung der jungen Polen das Fehlen geeigneter Waffen nicht wettzumachen. Wie immer er auch die Gleichung aufgestellt haben mochte, am 19. März, nur gerade neun Tage nach seiner Amtseinsetzung, musste der General, das Scheitern des Aufstandes eingestehen. Bevor er aus dem Lande floh, benachrichtigte er seine Freunde in Italien und Paris. Seine Flucht fand ein jähes Ende. Nur wenige Kilometer jenseits der polnischen Grenze wurde Langiewicz von österreichischen Truppen verhaftet und ohne Prozess auf die Festung Josefsstadt gebracht.

Offiziell wollte man weder in Italien noch in Paris etwas mit dem gescheiterten Putschisten zu tun haben. In Italien jedoch erinnerten sich Männer aus der Umgebung Garibaldis an den Polen, der ihnen geholfen hatte. Auf Umwegen, die heute nicht mehr auszumachen sind, gelangte die Nachricht von der Inhaftierung Langiewiczs nach Grenchen. Weshalb die Grenchner schliesslich Langiewicz ins Bürgerrecht aufnahmen, ist heute nicht mehr bekannt. Doch weiss man vom Besuch des Generals im Spätwinter des Jahres 1865 in Grenchen.

Von diesem Tag an überwiegen die Lücken in Langiewiczs Lebensgeschichte. Eines Tages schickte er 600 Franken, die seinem Wunsche entsprechend in den Spitalfonds gelegt wurden. Später soll er aus der Türkei einen Brief nach Grenchen geschrieben habe, er beabsichtige wieder nach Polen zurückzukehren und müsse deshalb auf das Bürgerrecht verzichten. Er sei, so wurde weiter erzählt, 1887 in der Türkei verstorben.

In einer Wiener Zeitung war etwa zur gleichen Zeit zu lesen, dass in einem Vorstadtcafé ein älterer Kellner die Gäste mit unglaublichen mathematischen Spielereien unterhalte.

Quellen

(Dieser Artikel ist Eigentum des Autors / der Autorin und kann deshalb nicht editiert werden.)

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