Euseb Girard

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Euseb Girard Portrait.jpg
Euseb Girard
* 1. Februar 1806 in Grenchen
† 18. März 1883 in Glyon
Arzt und Politiker.


Die Löwenscheune stand am heutigen Postplatz ungefähr an der Stelle der Baracoa Bar. Vorne links im Bild Euseb Girard.
Die Ebauchesfabrik von Euseb Girard aus dem Jahr 1860. Die Aufnahme entstand in der ersten Hälfte der 1890er Jahre. 1896 musste die Fabrik dem Bau der "Alten Post" weichen.

Ein unternehmerisches Multitalent in Gewerbe und Industrie

Euseb Girard erblickte das Licht der Welt im Jahr 1806 als drittes von sechs Kindern im kürzlich erbauten Wohnhaus seiner Eltern Josef und Magdalena Girard-Stüdeli. Vater Josef übernahm 1798 das Bachtelen in Grenchen, erbaute 1805 sein Wohnhaus und 1818 eine Scheune. Damals übte Vater Girard noch den Beruf eines Garnbuchers aus. Diesem Gewerbe blieb er treu bei bis 1825. Im Jahr 1818 liess Josef Girard das erste Gebäude des Bachtelenbades bauen. Die Familie Girard und ihr Bachtelenbad prägten im 19. Jahrhundert die Geschichte Grenchens. Die beiden Söhne Dr. Josef Girard und Euseb Girard waren Mitgründer der Grenchner Uhrenindustrie.

Euseb stand stets im Schatten der Lichtgestalt seines Bruders Dr. Josef Girard, der als praktizierender Arzt, Badearzt des Bachtelenbades, liberaler Politiker und als Mitgründer der Uhrenfabrik Eterna in Grenchen hohes Ansehen genoss. In den liberalen Kreisen des Kantons gehörte Dr. Girard aus Grenchen zur Prominenz.

Geprägt durch das Bachtelenbad

Doch Euseb Girard war ein genialer Unternehmer, der sich in vielen Sparten auskannte von der Bierbrauerei bis hin zur Ebauches- und Uhrenfabrikation. Euseb verstand es, Ausbildung und Fachwissen in seinem weiten persönlichen Beziehungsnetz abzuholen. Beziehungen, die er zum grossen Teil mit den wohlhabenden Gästen im Betrieb seines Vaters, im Bachtelenbad, zu knüpfen wusste. Er lernte aber auch Grössen wie Mazzini, die Brüder Ruffini und Karl Mathy persönlich kennen. Euseb setzte das gewonnene Knowhow in seinen gewerblichen und industriellen Unternehmen erfolgreich ein. Haben wir es bei Euseb mit einem unternehmerischen Tausendsassa zu tun? Nach den folgenden Ausführungen scheint dieses Attribut durchaus nicht fehl am Platz zu sein.

Die Postkutsche eröffnet 1837 für Grenchen das Zeitalter der modernen Post und des Personenverkehrs nach festem Fahrplan. Es war sicher kein Zufall, dass Euseb Girard genau in diesem Jahr den Gasthof Löwen, die Zoll- und Poststation Grenchens, übernahm. Im gleichen Jahr verheiratete er sich mit Anna Maria Schaad, die ihm fünf Kinder schenkte (Adolf 1838, Albertina 1841, Emil 1844, Berta 1845, Hermann 1848).

Wirt und Posthalter

Die Solothurner Regierung ernannte im Jahr 1842 den Löwenwirt Euseb Girard zum Posthalter. 1849 bestätigte ihn die Eidgenossenschaft in seinem Amt, das er von 1842 bis 1857 ausübte. Vermutlich im Jahr 1838 baute Euseb den Löwen um. Das Gebäude erhielt weitgehend die heutige Gestalt. Die Hauptfassade ausgerichtet nach Süden zur neuen Kantonsstrasse Solothurn-Biel, die 1839 dem Verkehr übergeben wurde. Eusebs Zeit als Löwenwirt dauerte bis in die frühen 1870er Jahre. Euseb übergab den Löwen seinem Sohn Hermann, der jedoch schon 1878 im Alter von 30 Jahren verschied. Danach gelangte der Löwen in den Besitz von Hermanns Schwager Rudolf Zumstein-Girard, Ehemann von Berta.

Euseb Girard erwarb während seiner Löwenzeit die Zehntenscheune (Postplatz). Die grossen Räume der Scheune dienten schon früher als Austragungsort verschiedener Feste und Theateraufführungen. Den Keller nutzte Euseb als Lagerort der Huppererde, die vermutlich in der Neuen Zelg abgebaut wurde und trocken gelagert werden musste. Auch an diesem Geschäft war er beteiligt. Doch der wahre Grund für den Kauf der Zehntenscheune zeigte sich erst ein paar Jahre später im Jahr 1860.

Der eigentliche Lagerraum des Gasthofs, die Löwenscheune, stand an der Stelle der heutigen [[Restaurant ]Baracoa | Baracoa] Lounge. Dort baute Euseb Girard vermutlich 1861 eine Bierbrauerei an, die in den 1870er Jahren sein Sohn Hermann mit dem Gasthof Löwen übernahm und weiter betrieb. In einem weiteren Betrieb fabrizierten die Girards auch die Bierfässchen selber. Doch der Hopfeneinkauf verteuerte sich zusehends und man versuchte es mit der Beimischung von Ersatzstoffen. Über die damit verursachte Qualitätseinbusse des Gebräus wunderte sich niemand. Die Löwenbrauerei musste ihre Bottiche in der Mitte der 1870er Jahre stilllegen.

Uhren und Parkett

Mit seinem Bruder Dr. Josef Girard und Fürsprecher Kunz aus Meinisberg gründete Euseb [[1852]/1853 die erste Uhren- bzw. Rohwerkfabrik in Grenchen, die Firma Girard Frères & Kunz. Die Gründung erfolgte etwa ein Jahr nach dem Gemeindebeschluss zur Einführung der Uhrenindustrie in Grenchen (1851). So gehörte Euseb zu den Pionieren der Uhrenindustrie in Grenchen. Man kann davon ausgehen, dass in der Fabrik gegen 100 Arbeiter ihr Auskommen fanden. Aus Konkurrenzgründen und wegen des Krimkrieges war dem Betrieb nur ein kurzes Leben vergönnt. 1855 musste die Fabrik schliessen. Euseb liess sich nicht entmutigen. Er gründete noch im gleichen Jahr die Parkettfabrik Euseb Girard, Renner & Co., der späteren international tätigen Müller-Bridel Parquetterie.

Mit dem Eisenbahnanschluss (1857) verlor der Postkutschenbetrieb seine Bedeutung. Euseb gab das Posthalteramt auf und schaute sich um nach neuen Herausforderungen. 1860 liess er die Zehntenscheune abbrechen und erstellte an ihrer Stelle auf dem heutigen Postplatz eine stattliche Rohwerkfabrik. Euseb hatte wieder ein Standbein in der Uhrenindustrie. Kurz nach diesem Fabrikbau nahm er an der Schmelzistrasse eine weitere Uhrenfabrik (Finissage) in Betrieb, die er 1873 in seinen Fabrikneubau an der Centralstrasse verlegte, dort wo heute das Bankgebäude der Soba steht.

Euseb Girard verstarb am 18. März 1883. Die Hinterbliebenen durften auf ein reich erfülltes Leben eines Gewerbetreibenden und Industriellen zurück blicken. Auf das Leben eines Unternehmers, der niemals aufgab, immer wieder und unbeirrbar neue Wege beschritt, sei es als Gewerbetreibender oder als Industrieller.

Eusebs Sohn, Adolf Girard, übernahm schon im Jahr 1875 die beiden Fabriken des Vaters. Das Gebäude der 1860 erbauten Fabrik musste 1896 dem Neubau des Postgebäudes weichen. Adolf Girard führte in Grenchen die Fabrikation der Roskopfuhr ein. Doch schenkte er der Modernisierung seines Betriebs zu wenig Aufmerksamkeit. 1903 musste Adolf den Betrieb einstellen. Er starb 1908 im Alter von 70 Jahren.

Ein kurzer Blick auf die politische und militärische Laufbahn von Euseb Girard

  • 1830 liberaler Anführer und Ausbilder des Grenchner Landsturms.
  • 1837-1839 liberaler Solothurner Grossrat.
  • 1837 Euseb Girard war Akteur bei der Grenchner Holzrevolution, die eine amtlich angeordnete Holzsteigerung verhinderte. Dafür verurteilte ihn das Amtsgericht Solothurn zu einer Gefängnisstrafe von sechs Wochen.
  • 1845 schloss sich Euseb Girard dem Freischarenzug an.

Quellen

  • Kaufmann, Hans: Das Bürgerhaus Löwen. Gasthaus über die Jahrhunderte. Grenchen, 1977.
  • Moser, Salome und Edgar Leimer: 150 Jahre Uhrenindustrie Grenchen und Region 1851-2001. Der Beginn der Uhrenindustrie in Grenchen und Bettlach. Grenchen, 2001.
  • Strub, Werner: Heimatbuch Grenchen. Solothurn, 1947.
  • Walter, Rainer W.: Vom Heilbad zum Kinderheim Bachtelen. Grenchen, 2004.
  • Stadtarchiv Grenchen.
  • Text von Alfred Fasnacht