Bauten der 50er Jahre: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Wiki der Stadt Grenchen
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 61: Zeile 61:
 
</gallery>
 
</gallery>
  
== Luterbacherhof, Rainstrasse/Marktplatz ==
+
== Luterbacherhof 1954/55, Rainstrasse/Marktplatz ==
 +
 
 +
An der Rainstrasse, Ecke Marktplatz steht der Luterbacherhof (1954/55), ein sehr markantes Gebäude der 50er Jahre. Die Architekten Straumann und Blaser, Grenchen, setzten bei der Fassadengestaltung Farbe ein in rötlichen und grünlichen Tönen.
 +
 
 +
Auf der Nordfassade kommt die steigernde Wirkung einer Leerfläche in Kontrast zur leicht zurückgestuften Fensterfassade zum Tragen. Zu beachten gilt es die ganz bewusst eingesetzten verschiedenen Unterteilungen der mehrfach zurückgestaffelten Fenster. Dem flüchtigen Betrachter fallen diese Unterschiede kaum auf, sie tragen jedoch stark zur Lebendigkeit und Rhythmik der Fassade bei. Interessant ist die Verwendung von schmaleren Fenstern zur Höhenbetonung der Ostfassade in Richtung Marktplatz. Auch beim Luterbacherhof wird zur Raumbildung das Flugdach eingesetzt. Getrennt durch eine Nut schliesst es mit seiner Rechteck-Ornamentik die Fassade nach oben ab.
 +
 
 +
Der grosse Bau verliert etwas an Masse bzw. gewinnt an Leichtigkeit durch die teilweise zurückgesetzten Schaufensterfronten im Erdgeschoss.
 +
<gallery widths="400px" heights="300px">
 +
File:Luterbacherhof Nord Ost.jpg | Der Luterbacherhof, Rainstrasse/Marktplatz, Grenchen. Baujahr 1954/55.
 +
File:Luterbacherhof nach oben.jpg | Kontrastbildende Leerfläche auf der Nordfassade.
 +
File:Luterbacherhof Ost.jpg | Höhenbetonung durch die Fensterfront auf der Ostfassade (Marktplatz).
 +
</gallery>
  
 
== Nivadahaus 1949/50, Marktgasse Grenchen ==
 
== Nivadahaus 1949/50, Marktgasse Grenchen ==

Version vom 9. August 2015, 15:05 Uhr

Einführung

Was sich in Grenchen während den 50er Jahren abspielte, lässt sich rückblickend und etwas oberflächlich in drei Wörter fassen: Wohnungsnot, Wachstum und Wohlstand. Die drei W der 50er Jahre. Wichtige Ursache und Folge dieser Entwicklung war die rege, zeitweise überhitzte Bautätigkeit. Grosse Wohnquartiere im Osten und Westen der Stadt entstanden, im Stadtzentrum ersetzten neue Fabrikbauten, Wohn- und Geschäftshäuser die Altbauten und letzte Bauernhäuser.

Die Wohnungsbauten der 50er Jahre trugen als fast typisches Kennzeichen eine karge Bescheidenheit zur Schau. Die Architekten hatten strenge, knappe Finanzrahmen einzuhalten. So entstand eine Baukultur, die es verstand, bescheidene Voraussetzungen optimal zu nutzen durch solide Qualität der Bauten, gute Grundrisse, sanitäre Einrichtungen (eigene Toilette, Bad und Boiler) und Einbauküchen, z.T. schon mit Kühlschrank. Zentralheizungen sorgten im Winter für warme Wohnräume. Viele der damals erstellten Wohnungen genügen nach sanften Renovationen selbst noch heutigen Ansprüchen.

Die Uhrenindustrie verlegte ihre Produktionsstätten kaum an die Peripherie der Stadt, sondern entwickelte sich an ihren angestammten Standorten entlang der Bäche. Zudem verfügte die Stadt in den 50er Jahren über keine ausgeschiedenen und entsprechend erschlossenen zusammenhängenden Industriezonen. Die A. Schild SA (ASSA), die Eterna AG und die Certina AG erstellten Fabrikneubauten mitten in Grenchen. So baute und wuchs die Uhrenindustrie in der Stadt, bildete mir ihr eine Einheit. Eine Eigenart, die zum Stadtbild und Stadtleben Grenchens gehört und nicht wegzudenken ist. In Grenchen arbeitet, lebt und wohnt man nah beieinander, bunt und vielfältig.

Das äussere Erscheinungsbild einiger sonst weniger beachteten Bauten der 50er Jahre soll etwas näher betrachtet werden. Die starke Bautätigkeit in diesem Jahrzehnt hinterliess ein grosses Bauvolumen. Ganze Strassenzüge und Quartiere sind selbst heute noch, ein halbes Jahrhundert später, unverkennbar von den 50er Jahren geprägt. In der Stadt Grenchen entstanden Gebäude, deren architekturgeschichtlicher Wert erst heute von breiteren Kreisen wahrgenommen wird. Gebäude, die ganz unverkennbar die Stilelemente der 50er Jahre-Architektur zur Schau tragen und verkörpern.

Was sind die äusseren Stilmerkmale der Architektur der 50er Jahre? Gibt es tatsächlich Merkmale oder behaupten wir rein gefühlsmässig von gewissen Gebäuden und Quartieren: „Typisch 50er Jahre!“

Monumentale Bauten, solitär wirkende Baukörper lehnten viele Architekten der 50er Jahre als undemokratische Bauweise ab. Das geforderte Bauvolumen verteilte sich auf verschiedene, funktionsbezogene Bauten, die als Gruppen von selbständigen oder baulich verbundenen Einzelbauten in Erscheinung traten. Mit in die Raumgestaltung einbezogen waren grosszügige Grünanlagen mit hochstämmigen Bäumen. In Grenchen finden wir Beispiele wie das Parktheater, das Schwimmbad, das Schulhaus IV, die Schulanlagen Kastels und Eichholz wie auch verschiedene Wohnsiedlungen.

Diese offene Bauweise brauchte grosse Grundstücke, konnte für Bauten im Stadtzentrum nur selten angewendet werden.

Die äusseren Merkmale der Bauten hängen ab von den zur Verfügung stehenden Materialien. Neue Materialien, vorfabrizierte Fassadenelemente und Bauteile künden sich in den 50er Jahren an. Elemente, die sich am Ende der 50er Jahre vehement durchsetzten und das Äussere der Bauten bestimmten. Die Fortschritte der Bautechnik ermöglichten nicht nur den Bau von Hochhäusern wie das Sorag-Haus am Marktplatz und den Hallgarten beim Bahnhof Süd, sondern auch den virtuosen, gestalterischen Umgang mit Beton.

Der Aussenraum wird mit dem Baukörper verbunden, nicht selten mit mehreren räumlichen Stufungen. Überdachte Vorbereiche, Loggien oder Vorhallen bildeten Verbindungen zum Aussenraum, luden zum Eintreten.

Eines der ganz wichtigen Stilelemente der 50er Jahre, das Flugdach, beschreibt Bernhard Furrer sehr schön in seinem Buch „Aufbruch in die 50er Jahre“: „Die Verbindung des Baukörpers mit dem Aussenraum beschränkt sich nicht nur auf die tatsächliche Zugangszone, auf die Verbindung von Innen und Aussen, sondern zeigt sich ebenso in der Ausbildung von Dächern und Fassaden. So wurde das häufig als blosse Modeerscheinung missverstandene grosse „Flugdach“ – die dünnschichtige, horizontale, weit vor die Fassadenflucht vorkragende, fast schwebende Vordachkonstruktion, die durch eine kräftige Nut von der Fassadenflucht abesetzt ist – von den Architekten bewusst zur Schaffung einer raumhaltigen Übergangszone an der oberen Begrenzung eingesetzt.“

Auch die gekonnte mehrstufige Rückstaffelung von Fensterfronten diente sowohl der Raumbildung als auch dem Übergang zum Aussenraum. Die Raumwirkung von Licht und Schatten in der Fassadengestaltung wird bewusst eingesetzt, die Wirkung mit der Gegenübersetzung von glatten, fensterlosen Fassadenteilen klug gesteigert und mit Farben unterstützt. Nicht selten trifft man auf bildnerisch gestaltete Fassadenteile, eine räumliche Illusion wird szenisch unterstützt.

Leben in den 50er Jahren

Die Seite "Grenchner Allerlei in den 50er Jahren" gibt Auskunft über Alltag und Lifestyle dieser Zeit.

Warenhaus Meyer Söhne 1950, Löwenkreuzung

Ein wahres Bijou von einem Bau der 50er Jahre verkörpert das Geschäftshaus des ehemaligen Warenhauses Meyer Söhne AG (Architekten Gebr. Bernasconi, Nidau und Biel) - später Innovation - an der Löwenkreuzung in Grenchen. Obwohl der Bau sehr früh, nämlich schon im Jahre 1950, ausgeführt wurde, vereinigt er alle Merkmale des 50er Jahre Stils auf sich.

Das Gebäude zählt gewiss zu den schönsten Vertretern dieser Epoche in Grenchen. Der untere Teil ist den Schaufenstern und dem Eingang reserviert. Abgetrennt und geschützt von einem Vordach, bilden Eingang und Schaufenster den tragenden Teil der dreigeschossigen Fassade. Im oberen Teil der Fassade, jeweils über den Fensterfronten setzten die Erbauer Kunststeinplatten ein mit quadratischer Musterung unten und über der oberen Fensterfront mit Mäandermuster.

Das durch Stufengesimse und Nut abgesetzte Flugdach mit seinen vertieften Rechteckmustern schliesst die Fassade nach oben ab und setzt sie in ihren eigenen Raum. Die beiden Fensterfronten wirken als aufgesetzte Bänder. Die grossen, zurückgestuften Glasflächen mit der filigranen Unterteilung verleihen dem Gebäude Eleganz und Leichtigkeit.

Die abgeschrägte Schaufensterecke an der Löwenkreuzung (pfeilergestützter Unterzug) sollte der Uebersicht der vielbefahrenen Kreuzung dienen, wie aus dem damaligen Projektbeschrieb hervorgeht. Verkehrssicherheit war schon vor einem halben Jahrhundert eine wichtige Sache.

Alte Neue Post 1953, Rainstrasse

Die alte Neue Post, Baujahr 1953. Ein Gebäude mit rechteckigem Grundriss, das viele Merkmale der 50er Jahre mustergültig auf sich vereinigt.

Von besonderem Interesse ist die leicht konvexe Ostfassade. Verschiedene Grautöne, strukturierende, links und rechts auf den Fassadengrund gesetzte viereckige Leerflächen, nach innen leicht zurückgestuft, und die mehrfach zurückgestaffelte dreifache Fensterkolonne in der Mitte verleihen der Fassade mit dem markanten Flugdach Spannung und Lebendigkeit.

Die Loggia an der Nordostecke, nach oben begrenzt mit einem kleinen Flugdach, verkleidet mit Kunststeinplatten und gestützt von viereckigen Säulen, gibt dem Postkunden Wetterschutz und holt ihn ab in die Schalterhalle, welche die Stimmung der Loggia aufnimmt und ins Innere führt.

Die Fenstergestaltung der Ostfassade setzt sich in den zwei oberen Fensterreihen auf der langen Nordfassade fort. Die Loggia und die Aussenfassade der Schalterhalle bilden den tragend gestalteten Unterteil der Nordfassade. Ganz oben stellt das Flugdach, auf ein zurückgestuftes Gesimse gesetzt, die Fassade in einen Raum. Die Untersicht des Flugdachs ist mit abgehobenen Vierecken ornamental gestaltet (Betonguss).

Weitere interessante Informationenen findet man auf der Seite über den Postplatz und die Baugeschichte der Postgebäude in Grenchen.

Luterbacherhof 1954/55, Rainstrasse/Marktplatz

An der Rainstrasse, Ecke Marktplatz steht der Luterbacherhof (1954/55), ein sehr markantes Gebäude der 50er Jahre. Die Architekten Straumann und Blaser, Grenchen, setzten bei der Fassadengestaltung Farbe ein in rötlichen und grünlichen Tönen.

Auf der Nordfassade kommt die steigernde Wirkung einer Leerfläche in Kontrast zur leicht zurückgestuften Fensterfassade zum Tragen. Zu beachten gilt es die ganz bewusst eingesetzten verschiedenen Unterteilungen der mehrfach zurückgestaffelten Fenster. Dem flüchtigen Betrachter fallen diese Unterschiede kaum auf, sie tragen jedoch stark zur Lebendigkeit und Rhythmik der Fassade bei. Interessant ist die Verwendung von schmaleren Fenstern zur Höhenbetonung der Ostfassade in Richtung Marktplatz. Auch beim Luterbacherhof wird zur Raumbildung das Flugdach eingesetzt. Getrennt durch eine Nut schliesst es mit seiner Rechteck-Ornamentik die Fassade nach oben ab.

Der grosse Bau verliert etwas an Masse bzw. gewinnt an Leichtigkeit durch die teilweise zurückgesetzten Schaufensterfronten im Erdgeschoss.

Nivadahaus 1949/50, Marktgasse Grenchen

Hochhaus Sorag 1952

Ebosahaus, Kapellstrasse

Schweizerischer Bankverein am Postplatz 1956

Polizeiposten Kantonspolizei, Solothurnstrasse

Gartenschwimmbad Grenchen 1956

Das städtische Gartenschwimmbad Grenchen ist eine Grossanlage, die beste Architektur der 50er Jahre weitgehend original überliefert. Als Architekt zeichnete der renommierte Freiburger Ingenieur Béda Hefti, bekannt als Architekt von Sportbauten in der ganzen Schweiz.

Das Gartenschwimmbad Grenchen war für Hefti eine besondere Herausforderung. Das schwierige Baugelände im Brühl mit seinem hohem Grundwasserstand einerseits und anderseits die Ausrichtung der Architektur zur Eindämmung der Bise, die bekanntlich in der Grenchner Witi ihre volle Kraft entfalten kann. Die flache Eintönigkeit des Geländes musste gebrochen werden mit einem durchgestalteten Landschaftsraum, mit künstlichen Erhebungen und schattenspendender Bepflanzung. Hefti meisterte diese Herausforderungen brilliant und mit beeindruckendem Gestaltungswille.

Bei den Hochbauten verwendet Hefti konsequent luftig aufgesetzte, in Beton gegossene Flugdächer. Es entstand eine Sommerarchitektur, spiegelnd die erfrischende Funktion des Gartenbades.

Schulhaus IV

Hallgarten - Bahnhof Süd

Fabrikgebäude Certina (heute ETA AG), Bahnhofstrasse

Rainstrasse, Marktplatz, Marktgasse

Neue Wohnbaugenossenschaft Grenchen NWG und die genossenschaftliche Mehrfamilienhaus-Siedlung an der Solothurnstrasse 147-169

Publikationen

Zum Thema 50er Jahre in Grenchen bringt die folgende, reich illustrierte Publikation eine gute Uebersicht:

  • Planen, bauen, eine Stadt werden. Grenchen in den 50er Jahren. Hrsg. von der Stadt Grenchen, Grenchen, 2004.

Dank

Ein grosses Dankeschön an:

  • Jürg Vifian, Baudirektion der Stadt Grenchen (Auskünfte über Gebäude und besondere Stilelemente)
  • Lukas Walter (Bilder und Bericht Barackensiedlung Grenchen)
  • Rainer W. Walter (Angaben zur Baugeschichte Grenchens)

Quellen